Die wohl bekannteste Reliquie in unserer Erzdiözese ist die Schädelreliquie des heiligen Leopold, des Landespatrons von Wien und Niederösterreich
Die wohl bekannteste Reliquie in unserer Erzdiözese ist die Schädelreliquie des heiligen Leopold, des Landespatrons von Wien und Niederösterreich
Reliquienverehrung hat durchaus auch heute noch ihre Berechtigung. Menschen erhoffen sich Hilfe und eine heilende Wirkung, wenn sie in Kontakt mit einer Reliquie eines Heiligen kommen.
Uns haben in den vergangenen Wochen und Tagen einige Leserbriefe erreicht. Diese nehmen Bezug auf die zugegeben missverständlichen Aussagen eines unserer Interviewpartner. Er sagt, dass er Reliquien verehrt und „zu ihnen betet.“ Wir stellen klar: Reliquien darf man nicht anbeten. Der junge Mann meinte wohl, dass er „vor ihnen“ betet.
Wir nehmen das aber zum Anlass, um uns anzuschauen, warum es in unserer katholischen Kirche überhaupt Reliquienverehrung gibt. Für viele der Kirche fernstehende Menschen haben Reliquien oft etwas Befremdliches, für gläubige Katholiken sind sie etwas Besonderes.
Was sind Reliquien eigentlich?
Der Experte der Erzdiözese Wien, Andreas Lotz, gibt die Antwort: „Eine Reliquie ist etwas, was von einer faszinierenden religiösen Persönlichkeit der Kirche zurückgelassen wurde. Es kann sich dabei um Körperteile – Knochen, Blut, Haare oder Zahn – handeln, es können aber auch Kleidungsstücke sein. Oder Berührungsreliquien, die von originalen Reliquien berührt wurden.“
Die Reliquienverehrung begann schon in der frühen Zeit der Kirche. Die erste bekannte Verehrung galt den Reliquien des heiligen Polykarp von Smyrna, der als Märtyrer im zweiten Jahrhundert verstarb. „Seine Reliquien sind wertvoller als Gold und Edelsteine“, so heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 156.
Unser kirchlicher Fachmann bestätigt, dass Reliquien historisch noch viel wichtiger waren als heutzutage. „Vor allem der mittelalterliche Mensch hatte das ganz große Bedürfnis im wahrsten Sinne des Wortes Handfestes angreifen zu können, was die Beziehung zu Gott möglich macht. Daher war gerade im Hochmittelalter ein starker Reliquienkult verbreitet.
Es ging auch darum, eine große Ansammlung von Reliquien zu schaffen. So gibt es heute noch in vielen Domkirchen, auch bei uns in St. Stephan, einen Reliquienschatz“, sagt Andreas Lotz. Die Gläubigen erhoffen sich bei der Verehrung der Reliquien Hilfe und Segen, indem der Heilige oder Selige bei Gott Fürsprache hält.
Für Andreas Lotz ist das Wort „Verehrung“ in diesem Zusammenhang immens wichtig: „Eine gläubige Verehrung ist durchaus etwas Zulässiges. Im Gegensatz dazu bedeutet Anbetung, dass ein unerlaubter Kult, ein magisches Verständnis in den Vordergrund tritt, und das sehe ich als eine große Gefahr an.“ Alle Reliquienverehrung dient immer der Verehrung Gottes selbst.
In fast jeder Kirche unserer Diözese befindet sich eine Reliquie im Altar. „In früheren Zeiten standen die Märtyrer, die ihr Leben für die Glauben hingegeben hatten, im Vordergrund. In sehr vielen älteren Kirchen wurden über deren Gräber Altäre errichtet, wo die Eucharistie gefeiert wurde. Heute gibt es nur kleine Bereiche im Altar, wo Reliquien eingesetzt sind“, sagt Andreas Lotz.
Bis heute steht im Kirchenrecht ganz klar, die alte Tradition ist beizubehalten, unter einem feststehenden Altar Reliquien von Märtyrern oder Heiligen beizusetzen.
Sind die Reliquien in unseren Kirchen wirklich alle echt? Das lässt sich nicht so genau sagen, ein Nachweis nach vielen Jahrhunderten ist schwierig. In erster Linie ist nicht die Frage nach der Echtheit maßgeblich, sondern die Bedeutung, die sie für die Gläubigen haben.
„Im Rahmen eines Seligsprechungsverfahrens gibt es in einem letzten Verfahrensschritt eine medizinische Untersuchung, die sogenannte Recognitio. Die sterblichen Überreste eines Kandidaten werden nach forensisch-medizinischen Kriterien erhoben“, berichtet der Verantwortliche in unserer Diözese für ein solches Verfahren, Andreas Lotz. „Bei dieser Gelegenheit werden in einem bescheidenen Rahmen Reliquien für die Zeit nach der Selig- oder Heiligsprechung gesichert. Und eine klare Zuordnung ist gegeben.“
Reliquien von Seligen und Heiligen dürfen nur dann öffentlich zur Verehrung ausgestellt werden, wenn die kirchlich Verantwortlichen dies genehmigt haben und ihre Echtheit garantieren.
Es liegt im Aufgabenbereich des zuständigen Ortsbischofs, in unserer Diözese von Kardinal Christoph Schönborn, ein Echtheitszertifikat auszustellen. Experte Lotz: „Mit Reliquien wird heutzutage sehr sorgsam umgegangen. Mittels eines gut geführten Verzeichnisses kann nachgewiesen werden, wer welche authentischen Reliquien erhalten hat.
So sind die Abläufe gut nachvollziehbar und der Reliquienhandel, den es in vergangenen Jahrhunderten gegeben hat, soll damit verhindert werden.“ Denn bis zum heutigen Tag verbietet das Kirchenrecht den Verkauf und den Handel von Reliquien.
Hildegard Burjan (1883-1933), Politikerin und Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, wurde am 29. Jänner 2012 im Stephansdom seliggesprochen. Unser Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, bestätigt mit seiner Unterschrift die Echtheit der Knochenreliquie der seligen Hildegard Burjan
Thema Reliquien
Was sind Reliquien:
- sterbliche Überreste eines Heiligen oder Seligen
- Gegenstände, die der Heilige oder Selige berührt hat
Seit wann werden Reliquien verehrt:
- seit der Frühzeit der Kirche.
- Historisch erstmals erwähnt ist die Verehrung der Reliquien des Polykarp von Smyrna, ein Märtyrer des 2. Jahrhunderts
Einige bekannte Reliquien in der Erzdiözese Wien:
- Schädeldecke (Cranium) des heiligen Stephanus im Stephansdom
- Kreuzreliquie im Stift Heiligenkreuz
- Schädelreliquie des heiligen Leopold im Stift Klosterneuburg
- Gebeine des heiligen Klemens
- Maria Hofbauer in der Wiener
- Innenstadtkirche Maria am Gestade
- Haupt und Gebeine der heiligen Elisabeth im Wiener Elisabethinenkloster
Wie viele Reliquien gibt es in unseren Kirchen:
- Die kirchlichen Experten können seriöserweise keine Zahl nennen.
Andreas Lotz
Vize-Ordinariatskanzler der Erzdiözese Wien und zuständig für Selig- und Heiligsprechungsverfahren
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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