Arius entfesselte die größten dogmatischen Konflikte in der alten Kirche – zur Klärung des christlichen Glaubens.
Die heilige Dreieinigkeit Gottes ist eine Einheit. Was der Bischof von Alexandria in einer Unterweisung seiner Priester um 318 n. Chr. sagte, löste eine Diskussion aus, in der Arius heftig widersprach: Wenn der Vater den Sohn gezeugt habe, gebe es eine Zeit, in der der Sohn nicht war.
Der Sohn ist nicht gleich ewig, wie es der Vater ist. Er ist allererstes Geschöpf und nicht göttlich. Das war eine unter Theologen durchaus verbreitete Ansicht, der Arius Stimme verlieh.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Bischof und seinem Priester geriet bald außer Rand und Band, und der Bischof machte kurzen Prozess. Er setzte Arius 321 ab. Arius verlor Amt und Würden und wurde vertrieben. Damit beruhigte sich die Frage allerdings erst recht nicht.
Es ging um nicht weniger als die Frage: Wer ist Christus? Wie ist das Verhältnis von Gott und Christus?
Das war keine beliebige Frage in der alten Kirche, auch keine rein intellektuelle, sondern eine von existenzieller Bedeutung, um die bald in der Stadt wie am Land, in Familien und in der Öffentlichkeit gestritten wurde.
Der Streit nahm immer größere Ausmaße an. Kaiser Konstantin fürchtete um den Zusammenhalt seines Reiches, in dem seit dem Toleranzedikt von Mailand 313 Religionsfreiheit galt. Aus dem verbotenen Christentum war ein erlaubtes und vom Kaiser favorisiertes geworden.
Der Kaiser berief das erste Konzil ein, das im Frühsommer 325 mit etwa 300 Bischöfen in Nicäa (heute Iznik) südlich des Marmarameers stattfand. Die Beschlüsse des Konzils wurden vom Kaiser zu Reichsgesetzen erklärt, und Arius wurde verbannt.
Die Auseinandersetzungen dauerten allerdings weiter an. Der Kaiser war bestrebt, die Arianer zu versöhnen, er rief Arius zurück und beabsichtigte seine volle Rehabilitierung. Fast ein halbes Jahrhundert lang wurde der Arianismus von breiten Kreisen der nizänischen Trinitätslehre vorgezogen.
Die arianische Lehre wurde zudem auch von den germanischen Stämmen weitergetragen, die von arianischen Bischöfen zum Christentum bekehrt worden waren.
Arius selbst war um 260 in einer christlichen Familie in Libyen geboren worden. Er wurde in Alexandria zum Priester geweiht. Er war ein vielgereister, freundlicher und gebildeter Mann und außerdem Dichter gern gesungener Lieder.
Er war von großer, hagerer Gestalt, hatte eine sanfte Stimme und angenehme Umgangsformen.
In seiner Sorge um den für ihn rechten Glauben bewies er auch als alter Mann Mut zum Widerstand. In der Polemik gegen ihn wurde er hemmungslos in den Schmutz gezogen, buchstäblich bis dahin, dass sein plötzlicher Tod 336 von seinem Gegner Athanasius als Zerrissenwerden am Abort und Sturz in die Kloake kolportiert wurde.
Wir haben nicht zahllose Götter wie die Heiden, sondern einen einzigen Gott. Wäre Christus völlig gottgleich, so hätten wir zwei Götter, und das widerspricht unserem Bekenntnis. Also ist Christus nicht Gott, sondern er ist ein Mensch, freilich der oberste und vornehmste aller Menschen, unvergleichlich hoch über allen anderen, aber eben doch Mensch von Fleisch und Blut.
Wenn der Vater den Sohn gezeugt hat, so hat die Existenz des Geborenen einen Anfang, und deshalb leuchtet es ein, dass es eine Zeit gegeben hat, in welcher der Sohn nicht war. Folglich muss seine Existenz aus dem Nichts kommen.
Arius (um 260–336)
Wir glauben an den einen Gott, den Vater …, und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich (griech. homoousios) dem Vater, …, und an den Heiligen Geist.
Die aber sagen: „Es gab einmal eine Zeit, als er nicht war“ und „Bevor er gezeugt wurde, war er nicht“ und „Er ist aus nichts geworden“, oder die sagen, der Sohn Gottes sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderlich, diese belegt die katholische Kirche mit dem Anathema.
Konzil von Nicäa, 325 n. Chr.
Der Erdkreis seufzte und stellte mit Verwunderung fest, dass er arianisch war.
Hieronymus (347–419)
Der Irrtum ist in manchen Fällen der Weg, und zwar der einzige Weg, zur Wahrheit.
John Henry Newman (1801–1890)
von em. Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer lehrte Dogmatische Theologie an der Uni Wien
Das Wesentliche der christlichen Verkündigung in der griechisch-römischen Welt zielte auf die Bekehrung der Menschen von den Götzen zu Gott und auf die Erwartung Jesu, des Sohnes Gottes vom Himmel her, den Gott von den Toten erweckt hat. So formuliert Paulus in 1 Thess 1,9-10.
Die christliche Verkündigung begegnete aber in der alten Welt nicht nur den „Götzen“, sondern auch hochstehender Weisheit, gerade auch in der platonischen Philosophie. Da ließen sich Verbindungen herstellen: Das „Viele“ hat seinen Ursprungsgrund im „Einen“.
Die christlichen Verkündiger sahen darin eine Andeutung des Verhältnisses von Schöpfer und Geschöpf. Aber die Christen sprechen von einem Sohn des einen Gottes. Wie kann man in diesem Ur-Einen einen Sohn denken?
Der Sohn in Gott kann nicht so ewig sein, wie der Vater. „Es gab eine Zeit, wo er nicht war.“ So formulierte der alexandrinische Priester Arius. Der Sohn Gottes, der Mensch wurde, ist in Wahrheit ein Geschöpf des Vaters, wenn auch das erste und vornehmste Geschöpf.
Diese Frage bewegte die Christen bald nach der von Konstantin verfügten Freiheit der Kirche. Das vom Kaiser nach Nikaia (Nizäa) 325 einberufene Konzil verurteilte die Lehre des Arius und seiner Anhänger: Der Sohn Gottes ist „nicht geschaffen“, er ist „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“, wie wir im Glaubensbekenntnis beten.
Wir sind als Christen in Jesus nicht mit einem Geschöpf in Beziehung getreten, sondern mit dem lebendigen Gott durch seinen Sohn, der Mensch geworden ist
Arius wurde neben Simon Magus und Markion als der dritte große Ketzer der alten Kirche geschmäht und galt ihr als Inbegriff des Irrlehrers. Dabei hatte er eins der größten Probleme in unüberhörbarer Schärfe zur Diskussion gestellt und war existenziell dafür eingestanden.
Für Arius war die Verkündigung der ewigen Gottessohnschaft bedrückend: War das nicht Verrat am Glauben an den einen Gott und ein Rückfall in Vielgötterei?
Die von Arius ausgelöste Debatte war ein Streit zwischen zwei Positionen, in denen es – zugespitzt – um einen einzigen Buchstaben ging, noch dazu um den kleinsten griechischen, das Jota: War der Sohn wesensgleich (griech. homo-ousios) oder bloß wesensähnlich (griech. homoi-ousios) mit dem Vater-Gott?
Diese Frage um die Gottheit Christi löste Tumulte aus, man prügelte sich sogar darum. Das deshalb vom Kaiser für die Einheit seines Reiches einberufene und später so genannte Konzil der 318 Väter war eine erste triumphale Schaustellung der Kirche.
Die meisten der Bischöfe waren aus dem Osten des Reiches gekommen, nicht wenige von ihnen trugen Narben aus der Verfolgungszeit. Auftrag des Kaisers war, den arianischen Streit zu beenden. Das ging nicht ohne wildes Geschrei ab, wenn die Meinungen aufeinanderprallten.
Eine Mittelpartei zwischen den arianisch gesinnten Bischöfen einerseits und den Anhängern des jungen Athanasius andererseits formulierte ein Bekenntnis, das den Streit schlichten sollte.
So kam es am Konzil zur dogmatischen Formulierung, die wir heute noch im so genannten Großen Glaubensbekenntnis verwenden: Jesus Christus – „eines Wesens mit dem Vater“. So wurde die Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater niedergeschrieben.
Die Konzilsväter unterschrieben die Konzilsentscheidung und die Verurteilung des Arius, der als Irrlehrer nach Illyrien verbannt wurde. Konstantin behandelte religiöse Fragen politisch und verwies alle Bischöfe, die nicht unterschreiben wollten, des Landes.
Nichtsdestotrotz stellte sich die vom Kaiser angestrebte Einheit nicht ein, und kam es wieder zum Aufleben des Anliegens des Arius seitens vieler Bischöfe. Anti-nicänische Bewegungen sprachen sich gegen den unbiblischen, ursprünglich gnostischen Ausdruck der Wesenseinheit im Bekenntnistext des Konzils aus. Er sei schwer verständlich und verwische den Unterschied zwischen den Gottespersonen.
Bischof Gregor von Nazianz seufzte angeblich, dass er nicht einmal zum Schuster gehen könne, um seine Schule besohlen zu lassen, ohne in eine Diskussion verwickelt zu werden, ob der Sohn homoousios oder homoiousios mit dem Vater sei.
Er war einer der kappadokischen Kirchenväter, die maßgeblich zur Beilegung des Streits und zur Klärung der Lehre von der Dreieinigkeit Gottes beitrugen.
Langsam kam es zur Ausbildung eines Konsenses, dass das eine (homoousios) nicht alle Unterschiede zwischen Vater und Sohn beseitige und das andere (homoiousios) gelten könne, wenn man den Sohn nicht zum Geschöpf mache.
So wurde die Einheit Gottes bei gleichzeitiger Unterschiedenheit der „Hypostasen“, der Existenz-weisen von Vater, Sohn und Geist, bekräftigt. Am zweiten ökumenischen Konzil von Konstantinopel 381 konnten deshalb die Entscheidungen von Nicäa bestätigt werden, und man schrieb zudem auch die volle Gottheit des Heiligen Geistes fest. Das erste Konzil von Konstantinopel gilt damit als Meilenstein der christlichen Dogmengeschichte.
Heute kann man, wenn man so will, eine Variante des Arianismus bei den Zeugen Jehovas finden, für die der Sohn dem Vater deutlich untergeordnet und ein geringeres Wesen als der höchste Gott ist. Er ist Geschöpf bzw. Mittlerwesen aus dem Bereich des Geschöpflichen und nicht Gott.
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