Kreuzgang im ehemaligen Dominikanerkloster zur Geschichte der Dominikanerinsel; Kerker von Jan Hus
Kreuzgang im ehemaligen Dominikanerkloster zur Geschichte der Dominikanerinsel; Kerker von Jan Hus
Der Reformator aus Böhmen wurde beim Konzil von Konstanz als Ketzer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Der aus Husinec im Böhmerwald stammende Jan Hus war Sohn armer Bauersleute. Nach der Lateinschule studierte er in Prag, um Priester zu werden.
Hus war passionierter Schachspieler und wurde leidenschaftlicher Wahrheitssucher. Er kam in Kontakt mit den böhmischen Reformbewegungen und las den Oxforder Kirchenkritiker John Wyclif (um 1320–1384). Hus wurde Universitätslehrer und später auch Rektor der Prager Universität.
Als Priester war er seit 1402 Prediger an der Prager Bethlehemskapelle, wo er sonn- und feiertags das Wort Gottes in tschechischer Sprache auslegte. Bis zu 3000 Menschen drängten sich um seine Kanzel.
In seinen Predigten konfrontierte Hus den verlotterten Zustand der Kirche mit dem Bild Jesu und der Urkirche. Als er sich gegen die Ablassbulle von Papst Johannes XXIII., dessen Name später aus den Papstlisten getilgt werden sollte, wandte, kam es zu großen Auseinandersetzungen.
Hus sah im Ablasshandel einen Missbrauch der Heilssehnsucht von Menschen. Ihm wurde öffentliches Predigen verboten, und er wurde exkommuniziert. Hus setzte sich unerschrocken darüber hinweg. 1412 wurde über die Stadt Prag ein Interdikt verhängt, das heißt, kirchliche Handlungen waren verboten, solange sich Hus dort aufhielt.
Hus verließ Prag, ließ sich aber nicht zum Schweigen bringen. Es gelte, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen (vgl. Apg 5,29). Er predigte auf dem Land, meist im Freien, und seine Lehre wurde damit erst recht in ganz Böhmen verbreitet. Außerdem schrieb er weiter an seinen Werken und arbeitete an einer Bibelübersetzung.
In Konstanz wurde 1414 wegen der kirchlichen Missstände und wegen des päpstlichen Schismas (seit 1378) mit zwei bis drei rivalisierenden Päpsten ein Konzil einberufen, um eine Reform der Kirche durchzuführen. Auch der Streit um Hus sollte dort behandelt werden.
Hus entschloss sich gegen den Rat seiner Freunde, dorthin zu reisen, um sein Anliegen zu vertreten. Er bereitete sich theologisch gründlich vor, und König Sigismund sicherte ihm freies Geleit und Rückkehr zu.
In Konstanz angekommen, wurde Hus bald eingekerkert. Man wollte keinen Dialog mit ihm, sondern seinen bedingungslosen Widerruf. Dem Machtwillen der kirchlichen Repräsentanten unterwarf Hus sich nicht – um der Wahrheit willen.
Am 6. Juli 1415 wurde er in Konstanz hingerichtet. Auch seine Bücher wurden verbrannt. Ein Jahr später starb einer seiner Mitstreiter, Hieronymus von Prag, ebendort den gleichen Tod.
Bald nach Hus’ Hinrichtung kam es in Böhmen zur so genannten Hussitischen Revolution mit verheerenden Folgen.
Es ziemt einem jeden Menschen, sich an keinem Satz unüberlegt festzuhalten, sondern nach der Erkenntnis der Wahrheit Gottes sich bis in den Tod an sie zu klammern. Die Wahrheit nämlich gibt am Ende die Freiheit. …
Darum, treuer Christ, suche die Wahrheit, höre die Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit, sage die Wahrheit, halte die Wahrheit fest, verteidige die Wahrheit bis zum Tode.
Jan Hus, Auslegung des Glaubensbekenntnisses
Vergebung der Sünden erlangt der Mensch durch wirkliche Reue und Buße, nicht aber um Geld.
Jan Hus 1412 im Ablassstreit in Prag
Christus befahl Petrus, dass er einen sündhaften Menschen wie einen Heiden und Zöllner meide … aber er befahl ihm nicht, ihn zu foltern und zu morden. –
Unsere Päpste und Nachfolger Petri aber haben sich zu Henkern und Scharfrichtern ausgebildet und aufgeschwungen; einen treuen Christen heißen sie einen Ketzer und verbrennen ihn auf dem Scheiterhaufen. O Herr Jesu Christ, bleibe bei uns für Zeit und Ewigkeit! Amen.
Jan Hus in einer Predigt 1412
Wenn (der treue Jünger Christi) in Wahrheit erkennt, dass das Gebot des Papstes dem Gebot oder Rat Christi zuwiderläuft oder der Kirche Schaden bringt, dann muss er mannhaft Widerstand leisten, damit er nicht durch seine Übereinstimmung an dem Verbrechen mitschuldig wird.
Jan Hus, De ecclesia
Heute bratet Ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen.
Jan Hus vor seinem Tod zugeschrieben, „Gans“ ist die deutsche Übersetzung von „Hus“
Wir alle sind Hussiten, ohne es gewusst zu haben.
Martin Luther 1520 nach der Lektüre von Hus
von em. Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer lehrte Dogmatische Theologie an der Uni Wien
„Hus war kein Sektierer oder Sektenstifter, weder als Theologe ein Neuerer, weniger Wiclifit als mancher andere, noch ein radikaler Reformer, aber ein unerbittlicher Eiferer und fanatischer Prediger für die Reinheit der Kirche, vor allem des Klerus.“ So fasst Herbert Grundmann, ein ausgewiesener Fachmann der mittelalterlichen Ketzergeschichte, sein Urteil über Jan Hus zusammen.
Er war geprägt von der kirchenpolitischen Situation des Spätmittelalters: Reform der Kirche war die Forderung der Zeit. Hus lebte in der Zeit des „Großen Schismas“, drei Päpste beanspruchten, der legitime Nachfolger Petri zu sein.
Die Kirchentheologie des Engländers John Wiclif (+ 1384) war auch für Hus bestimmend und verursachte Streit an der Universität Prag: Die Kirche ist die unsichtbare Gemeinschaft der durch Gottes Gnade Erwählten. Christus allein ist das Haupt der Kirche, nicht der Papst.
Die Forderung des Predigers in der Prager Bethlehem-Kirche nach dem „Laienkelch“ wurde in den Hussitenwirren zur Kampfparole. Hus setzte sich für eine biblisch fundierte Frömmigkeit ein. Das Leben in der Wahrheit war sein Ziel. Der Gebrauch der tschechischen Volkssprache in Predigt und Kirchenlied war ihm ein Anliegen. All das machte ihn häresieverdächtig.
Das Ende des Theologen Hus war tragisch: Zum Konzil von Konstanz (1414-1418) reiste er mit Zusicherung freien Geleites durch Kaiser Sigismund.
Er konnte sich aber in Wahrheit nicht frei verteidigen, er wurde als Ketzer verurteilt und am 6. Juli 1415 öffentlich durch Verbrennen hingerichtet. Hus wurde ein Opfer der Zeit, in die er hineingeboren wurde.
Diebold Schilling d.Ä., Spiezer Chronik (1485): Feuertod des Jan Hus in Konstanz.
Philosophisch war Jan Hus ein Realist. Das bedeutete für die Wahrheitsfrage, dass sie für ihn eine Angelegenheit der ganzen Existenz war. Theologisch wird der Mensch von der Wahrheit Jesus Christi in Anspruch genommen. Das biblische Wort war für Jan Hus Maßstab des Christentums.
Als Sittenprediger sprach Hus gegen Völlerei, Lüge und andere Unmoral und nahm dabei den eigenen Stand nicht aus. „Weder der, der Böses tut, noch der, welcher solches befiehlt, ist ohne Sünde“, lehrte er gegen einen falsch verstandenen Gehorsam und für das christliche Gewissen.
Hus hat Christus als Herrn der Armen gepredigt. Er sprach die Not seiner Hörer und Hörerinnen aus dem gewöhnlichen Volk an und bezog das biblische Wort auf ihre soziale Situation. Die Wahrheit Gottes verpflichtet sozial. Nur eine arme Kirche könne beanspruchen, Jesus nachzufolgen. Von daher ging es ihm um eine Erneuerung von Kirche als armer Kirche.
Er predigte: „Die Letzten, das sind die Niedrigsten und Verachtetsten der Welt, werden die Ersten sein, und die jetzt in der Welt die Höchsten oder Ersten sind, aber Gott in der Einfalt des Herzens nicht dienen, werden die Letzten sein. Der geringste Bauer wird dem Kaiser und König vorausgehen.“ Das wollten die Machthaber nicht dulden, hier lag revolutionärer Zündstoff.
Nicht der Papst, sondern Jesus Christus war für Hus das einzig wahre Haupt der Kirche. In seinem Werk De ecclesia (in lateinischer Sprache verfasst, Über die Kirche), stellte Hus sein Fragen nach der Kirche in Zusammenhang mit der Wahrheitsfrage.
Die Kirche hat keinen Sinn in sich selbst, sondern in ihrem Verhältnis zur Wahrheit – zu Christus. Von daher fragte Hus die etablierte Institution an. Er stellte die Gesamtheit der Gläubigen (mit einer Option zugunsten der Armen) ins Zentrum seiner Überlegungen, was Kirche sei.
Er nahm damit manches vorweg, was in der römischen Kirche erst im II. Vatikanischen Konzil (1962–1965) für die Kirche bedacht wurde. (zu den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils)
In der Abendmahlsfrage war Hus weniger umwälzend als John Wyclif vor ihm und die hussitischen Bewegungen und manche Reformatoren nach ihm. Hus hielt das Abendmahl in beiderlei Gestalt für erlaubt, aber nicht für notwendig.
Für die hussitische Bewegung wurde der Laienkelch zum Symbol für ihren Bruch mit der in Konstanz versammelten Hierarchie. Der Brauch einiger Hussiten, den Kelch auch an Laien auszuteilen, breitete sich rasch aus. Das Konzil untersagte das im Juni 1415. Hus selbst hatte nicht mit der Austeilung des Kelchs begonnen, „überstürz‘ es nicht“, soll er zu einem Freund gesagt haben. Der Konzilsbeschluss gegen den Laienkelch förderte dessen Verbreitung.
Wegen seines Eintretens gegen die Unterdrückung der Armen durch die Reichen galt und gilt Jan Hus manchen als Vorkämpfer des Sozialismus. Just die Kommunisten bauten die in der Gegenreformation zerstörte Bethlehemkapelle in den 1950er Jahren wieder auf.
Im Lauf der Geschichte wurde Jan Hus von unterschiedlichen Seiten auch politisch vereinnahmt. Der Hinrichtungstag von Jan Hus, der 6. Juli, wurde 1925 Staatsfeiertag in Tschechien, worauf der Vatikan seine Beziehungen zum „Ketzerstaat“ für einige Jahre abbrach.
Der Wahlspruch der Republik Tschechien heute ist derjenige bei der Ausrufung der tschechoslowakischen Republik 1918 und stammt von Jan Hus: „Die Wahrheit siegt.“ Für Jan Hus war es die Wahrheit Gottes.
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