Bilder nähern sich bruchstückhaft dem Glaubensgeheimnis an: Aufnahme Mariens in den Himmel, Wiener Neustadt, Neukloster.
Bilder nähern sich bruchstückhaft dem Glaubensgeheimnis an: Aufnahme Mariens in den Himmel, Wiener Neustadt, Neukloster.
Am 15. August feiert die Kirche „Mariä Aufnahme in den Himmel”: Univ.-Prof. Bernhard Körner über Marias „Geburtstag für die Ewigkeit”.
Was feiern wir am 15. August?
Körner: Der Inhalt dieses Festes, das in den Orthodoxen Kirchen seit dem 6. Jahrhundert als „Marias Entschlafung” gefeiert wird, kann dem Text des Dogmas entnommen werden. Papst Pius XII. hat die Frage, ob Maria gestorben ist oder nicht, offen gelassen und stellt fest, dass Maria, „die allzeit reine Jungfrau Maria, nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.” Damit wird nicht nur etwas über Maria gesagt, sondern auch über uns: Denn – wie es in der Präfation des Festtages heißt – „als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen als verheißen ist”.
Was heißt es dann, wenn wir sagen, dass Maria „mit Leib und Seele” in den Himmel aufgenommen worden ist?
Körner: Das bedeutet, dass Maria als ganzer Mensch bei Gott vollendet ist, nicht nur ein Teil von ihr, ein geistiges Prinzip. Gott will uns mit Leib und Seele – auch in der Vollendung. Damit sind wir mitten in der Diskussion um den Menschen. Mit der Formulierung „Leib und Seele” wird einerseits dem Leib Bedeutung gegeben – er darf nicht abgewertet werden. Ebenso wenig die Seele. Das Wort „Seele” steht nicht nur für besonders komplex organisierte Materie, sondern für einen nichtmateriellen Überschuss, für ein Ich, das zur Gemeinschaft mit Gott berufen ist.
Die Kirche spricht bei Maria nicht von „Himmelfahrt”, sondern von „Mariä Aufnahme in den Himmel”. Warum?
Körner: Zur Auferstehung Jesu gibt es im Neuen Testament zwei unterschiedliche Aussagen: Einerseits wird gesagt „Jesus wurde auferweckt”, andererseits „Jesus ist auferstanden”. Das heißt: Jesus hat den Tod durch die Kraft Gottes überwunden. Aber es bleibt offen, wie man sich das vorstellt – eine Auferstehung aus eigener göttlicher Kraft oder eine Auferweckung durch Gott. Dass Maria aus eigener Kraft von den Toten auferstanden sei, diese Vorstellung kann nicht vertreten werden. Maria ist nicht Gott, sondern ganz und gar Geschöpf, angewiesen auf Gottes Gnade.
Maria ist laut der Kirchenkonstitution „Lumen gentium” des Zweiten Vatikanischen Konzils „Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes”. Was heißt das für unser Christenleben?
Körner: Vielleicht ist es sinnvoll, auf das Jahr der Verkündigung des Dogmas hinzuweisen: 1950. Erst fünf Jahre sind seit dem grässlichsten Gemetzel des 20. Jahrhunderts, vielleicht der ganzen Menschheitsgeschichte vergangen – seit dem Zweiten Weltkrieg, dem Holocaust und unzähligen anderen Gräueln. Aller Glaube an die Größe und einzigartige Würde des Menschen ist zutiefst in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund bedeutet die Aufnahme Mariens in die Herrlichkeit Gottes auch eine Bekräftigung der Möglichkeit, dass der Mensch im Glauben an Gott auch an sich glauben kann. Gott nimmt seine Berufung nicht zurück. Und diese Berufung ist Vollendung, nicht Untergang. Daran erinnert zu werden, bedeutet tatsächlich Hoffnung und Trost. Auch heute.
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