Dipl. Phys. Rudolf Richter und Constanze Klug im Disput.
Dipl. Phys. Rudolf Richter und Constanze Klug im Disput.
Die Rosenkranzfeier am 7. Oktober 1938 im Wiener Stephansdom gilt als die größte kirchliche Widerstandsdemonstration gegen das NS-Regime. 70 Jahre danach, im Jahr 2008, bat der „Sonntag“ den Zeitzeugen Rudolf Richter und Constanze Klug von der Jungschar zum Disput.
Constanze Klug: Was hat Sie an diesem 7. Oktober 1938 dazu gebracht, zur Rosenkranzfeier zu gehen? Hatten Sie keine Angst?
Rudolf Richter: Zur Rosenkranzfeier im Stephansdom gingen wir jedes Jahr. 1938 gab es Bedenken, dass die Feier gestört werden könnte. Doch man fürchtete eher, dass nur wenige Jugendliche zur Rosenkranzfeier kommen. Dann waren es Tausende.
Constanze Klug: Haben Sie die Teilnahme als eine Tat des Widerstands empfunden?
Rudolf Richter: Das hatte zunächst mit Widerstand überhaupt nichts zu tun. Die Wortwahl Kardinal Innitzers und das Singen auf dem Stephansplatz, das rief später Gedanken an Widerstand wach.
Constanze Klug: Als Sie von der Rosenkranzfeier nach Hause gingen, welches Gefühl hatten Sie?
Rudolf Richter: Nicht Aufruhr, doch Unruhe. In der Folge überwachten SA-Leute jeden Pfarrhof.
Constanze Klug: War Ihre Familie besorgt, weil Sie bei der Rosenkranzfeier waren?
Rudolf Richter: Meine Familie kannte die Familie von Ferdinand Habel, der nach der Rosenkranzfeier mit Hermann Lein, Josef Kaspar, Hans Eis und Franz Ranftl wegen „Volksaufwiegelung“ verhaftet wurde.
Ferdinand Habel starb 1939 im KZ Mauthausen an Hungertyphus. Für mich hatte die Teilnahme an der Rosenkranzfeier keine Konsequenzen.
Constanze Klug: Haben Sie selbst je daran gedacht, an einer Widerstandsgruppe teilzunehmen?
Rudolf Richter: Nein, im Gegenteil, wir hatten Debatten und Schwierigkeiten, weil in der Nachbarpfarre Wien-Gersthof eine Widerstandsgruppe um den im März 1945 hingerichtetten Kaplan Heinrich Maier bestand. Wir sahen unsere Aufgabe nicht darin, eine politische Änderung herbeizuführen, sondern seelsorglich tätig zu sein.
Wir haben gesagt: Unseren Glauben lassen wir uns nicht nehmen und den wollen wir den Jugendlichen vermitteln. Für meinen Glauben bin ich immer eingetreten, und ich habe ihn auch offen bekannt.
Nun zu Ihnen, waren Sie je in der Situation, mutig für Ihren Glauben einzutreten?
Constanze Klug: Das war bisher nicht erforderlich.
Rudolf Richter: Sehen Sie, das ist ein Problem der Nachkriegsgenerationen: Dass uns vorgeworfen wird, warum habt ihr damals, in der NS-Zeit, nicht dieses und nicht jenes gemacht, nicht mehr Widerstand geleistet. Wer kritisieren möchte, der muss sich zurückversetzen in jene Zeit, und das gelingt den wenigsten.
Dipl. Phys. Rudolf Richter,Jahrgang 1920, war nach dem Krieg der erste Bundessekretär der Katholischen Jugend Österreichs. |
||
Constanze Klug,Jahrgang 1988, ist in der Katholischen Jungschar engagiert. |
Der Sonntag TestaboWiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" vier Wochen gratis testen. |