SONNTAG-Redakteur Markus Langer am Adventmarkt rund um die Mariensäule auf dem Wiener Neustädter Hauptplatz.
SONNTAG-Redakteur Markus Langer am Adventmarkt rund um die Mariensäule auf dem Wiener Neustädter Hauptplatz.
Ich mache mich schon vor dem offiziellen Adventbeginn auf den Weg, um zwei Adventmärkte zu besuchen. Dabei begebe ich mich in eine mir völlig unbekannte und eine mir sehr vertraute Gegend.
Ein Blick auf meine Armbanduhr: drei Minuten nach achtzehn Uhr. Schon so spät? Ich schaue aus dem Fenster der Redaktion. Natürlich ist es um diese Zeit schon finster. Meine Abfahrt zum höchstgelegenen Christkindlmarkt Wiens hat sich verzögert, aber ich habe es mir fest vorgenommen.
Heute Freitag soll die Premiere sein, ich war noch nie auf dem Wilhelminenberg. Ich bin neugierig, ob ich es wirklich vom Stephansplatz aus in 35 Minuten schaffe, mein Ziel zu erreichen, wie es mir die Routenberechnung auf der Website der Wiener Linien ausgibt. Mit der U-Bahn-U3 nach Ottakring und dann weiter mit dem Autobus 46B bis Endstation.
Ich weiß nicht, wie lange die Fahrt nun wirklich gedauert hat. Ich habe nur gemerkt, dass der Bus eine Umleitung fahren musste.
Ich stehe vor dem Schloss Wilhelminenberg, aber wo geht es hier zum Adventmarkt? Ich folge einfach einer kleinen Gruppe von Menschen, von denen ich annehme, dass sie dasselbe Ziel haben. Nach mehreren Schritten höre ich schon Musik. Der „Werkelmann“ spielt auf seiner Drehorgel bekannte Weihnachtslieder. Auf dem Leierkasten drehen sich hölzerne Musikantenfiguren im Kreis. Ein beliebtes Fotomotiv: Eltern zücken ihre Handys und fotografieren ihre Kinder vor dem Drehorgelspieler und seinem Instrument.
Mein erstes Foto: das abendliche Wien von oben, die mit ihren Lichtern funkelnde Stadt, über die eine leichte Nebeldecke liegt. „Wegen dieser Aussicht kommen viele Besucher hierher – am Tag und am Abend“, erzählt mir Maria Schmatz.
Die Kunsthandwerkerin aus Kollmeritzberg im Mostviertel ist schon eine sehr lange Zeit im Geschäft, sie steht auf großen und kleinen Märkten, aber: „Das Besondere an diesem Adventmarkt ist, dass er sehr gemütlich ist und nicht von den Menschenmassen überlaufen wird. Klein, aber fein.“ Ihr hellerleuchteter, goldener Stand ist mir bei meiner Ankunft sofort aufgefallen. Kein Wunder, denn er liegt direkt gegenüber vom Eingang.
Frau Schmatz bietet allerlei Formen von Kerzen an. Auf der einen Seite weiße und grüne Tannenbäume, Engel, Schneemänner, Zapfen mit Weihnachtsstern, Kerzenflammen mit Wichteln, Kerzen mit verschiedenen Weihnachtssprüchen. „Diese mit dem Spruch ‚Frohe Weihnachten und ein gutes Jahr 2017‘ verkaufen sich sehr gut.“ Auf der anderen Seite stehen Kerzen für jeden Anlass: Geburtstag, Taufe, Goldene Hochzeit. „Schutzengelsprüche sind bei den Kindern sehr beliebt.“ Maria Schmatz hat eine eigene Technik für die Verzierung entwickelt, wie sie mir verrät: „Ich schreibe die Sprüche mit Zahnstocher auf die Kerzen.“ Und sie zeigt auf zwei kleine Gefäße mit kaminroter und tannengrüner Farbe, in denen die für mich ungewöhnlichen Schreibgeräte stecken.
Maria Schmatz beschriftet aber nicht nur Kerzen, vor Ostern bietet sie auf den Märkten verzierte Ostereier an. Eine Sache möchte sie mir unbedingt erzählen: „Mir ist es gelungen, auf einem Gänseei das Vaterunser ohne irgendeine Einteilung zu schreiben, und alle Wörter haben Platz gefunden.“ Religion und Glaube spielen in ihrem Leben eine große Rolle, wie sie in unserer kleinen Plauderei immer wieder betont.
Wenn sie wochenlang sehr beschäftigt mit ihrem Handwerk ist, freut sie sich besonders auf den Sonntag, auf die Heilige Messe, die sie in Gemeinschaft mit anderen mitfeiern darf. Frau Schmatz macht sich Sorgen um die Religiosität der Menschen im Land: „Wohin soll das noch führen? Viele kennen nicht einmal mehr das Vaterunser, nicht nur jüngere, sondern, was ich nicht verstehe, auch ältere Menschen.“
Ich möchte die Marktstandlerin und Künstlerin nicht mehr länger aufhalten, denn sie muss noch ein paar Kundenaufträge vollenden. „Denn bei mir kann sich an Ort und Stelle ein Kunde einen Spruch wünschen und ich schreibe ihn dann“, sagt sie zu mir und bedankt sich zum Abschied für das gute Gespräch.
Am nächsten Abend besuche ich den Adventmarkt in Wiener Neustadt. Jene Stadt, die seit Kindheitstagen in meinem Leben immer wieder eine bedeutende Rolle eingenommen hat. Ich komme über die Ungargasse auf den Hauptplatz, ein Stück meines früheren Schulweges. Das erste, was ich erblicke, sind die freudestrahlenden Gesichter der Kinder auf dem Ringelspiel.
Eines fällt mir besonders auf. Für das leibliche Wohl der Besucher wird reichlich gesorgt: Punsch, Glühwein, Tee, Maroni, Bratkartoffel, Riesenkrapfen, kandierte Früchte, Käsespezialitäten, Weihnachtsbäckerei, Zuckerwatte.
Ich stehe mitten auf dem Hauptplatz und erinnere mich an den Sachunterricht in der Volksschule, in dem wir uns damals sehr intensiv mit der Geschichte dieser Stadt und dieses Platzes beschäftigt haben. Schon bei der Stadtgründung im 12. Jahrhundert wurde die Fläche als Marktplatz geplant.
Auf meinem Weg durch den Adventmarkt entdecke ich einen Stand mit Holzschnitzereien und Holzspielzeug. In den Regalen stehen viele geschnitzte Heiligenfiguren, darunter auch der heilige Leopold. Dabei kommt mir die lebensgroße Statue des Heiligen in der Vorstadtkirche St. Leopold in den Sinn, wo ich die Erstkommunion empfangen habe. Die Verkäuferin – ihren Namen will sie mir nicht sagen – kommt aus der ungarischen Gemeinde Halászi, nahe der Grenze zu Österreich und der Slowakei. „Wir schnitzen die Holzfiguren nicht selber. Dafür hätten wir gar keine Zeit. Wir konzentrieren uns nur auf den Handel. Damit haben wir schon genug zu tun.“
Irgendwie schließt sich damit der Kreis der Geschichte. Ursprünglich wurde Wiener Neustadt als Grenzfestung gegen Ungarn erbaut. In späteren Zeiten kamen Menschen aus dem Ungarland in die Stadt, um Handel zu betreiben. Und heute, 27 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und 12 Jahre nach dem Beitritts Ungarns zur Europäischen Union, ist es ganz selbstverständlich, dass ungarische Händler ihre Waren auf dem Wiener Neustädter Markt anbieten.
bis 23. Dezember,
Mo.-Do.: 16-21 Uhr,
Fr.: 15-21 Uhr,
Sa.,So. & Feiertage: 11-21 Uhr; Ort:
1160 Wien, Savoyenstraße 2;
Anreise: U3 bis Ottakring, Buslinien 146B und 46B
bis 24. Dezember:
Mo.-Sa. 10 -19 Uhr,
So. 13-19 Uhr;
am 24. Dezember: 10-14 Uhr;
Ort: 2700 Wr. Neustadt, Hauptplatz
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