„O Heiland, reiß die Himmel auf“: In diesem Lied geht es um einen verzweifelten Hilfeschrei.
„O Heiland, reiß die Himmel auf“: In diesem Lied geht es um einen verzweifelten Hilfeschrei.
Der Retter der Welt soll kommen, ob oben vom Himmel oder unten von der „Erd“ – das wird erfleht in einem Adventlied, das einem „leidenschaftlichen Aufschrei“ gleicht.
Dieses Adventlied aus dem 17. Jahrhundert, immer noch gern gesungen, durchbricht unsere üblichen Adventvorstellungen radikal. Mit dem „besonderen Adventflair und dem Weihnachtszauber“ auf unseren Christkindlmärkten hat es wenig zu tun. Entstanden in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, hört sich der Text an wie ein leidenschaftlicher Aufschrei nach „oben“. In einer trostlosen Situation von Krieg, Hunger, Pest und fürchterlichen Hexenjagden stellt sich die brennende Frage: „Wo ist Gott? – Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“
Der Autor Friedrich Spee orientiert sich dabei an einer ähnlichen Situation im Volk Israel. Jerusalem und der Tempel waren zerstört, die Bewohner nach Babylon verbannt – Existenzkrise pur. „Wo bleibt IHWH, der ICH BIN DA?“ Die Antwort – ein Schrei aus der Not: „Reiß doch den Himmel auf“ und „Komm herab!“ (Jes 63,19).
Die Babylonische Gefangenschaft ist Geschichte und ebenso der Dreißigjährige Krieg, aber das Elend der Welt ist keineswegs Vergangenheit. Denken wir nur an Aleppo, die Flüchtlingskrise, Armut und Hunger, Christenverfolgungen, Zäune und verschlossene Türen, nicht nur an EU-Außengrenzen, sondern auch an den Herzen der Menschen! Hören wir die Schreie der Betroffenen? Lassen wir die uralte Frage „Wo ist Gott?“ an uns heran? Ist es nicht hoch an der Zeit, in diesen Adventruf „O Heiland, reiß die Himmel auf!“ einzustimmen, auf dass sich die Türen und Tore unserer Herzen neu öffnen?
Die zweite Strophe mit dem Bild vom „himmlischen Tau“, der neues Leben schenken kann, verstärkt diesen Ruf. Dann richtet sich der Blick auf die Erde mit der Bitte um ein neues Sprossen und Sprießen. Heißt es doch bei Jesaia 43,19: „Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ Neben den vielen Einbrüchen in Welt und Kirche gibt es ja auch unerwartete Aufbrüche. Ich denke an die schier unglaubliche Hilfsbereitschaft in der Flüchtlingskrise sowie an die vielen Adventsaktionen im Großen und im Kleinen.
Wenn wir in diesem Advent zum Himmel aufschauen und leidenschaftlich nach dem „Gott mit uns“ rufen und auf unserer Erde, in unserer ganz konkreten Lebenswelt, unerwartetes Sprossen und Sprießen entdecken, dann ist Advent.
„Der Gesang ist die Jakobsleiter, welche die Engel auf der Erde vergessen haben“, so Eli Wiesel (1928–2016). Wir können diese Himmelsleiter besteigen, indem wir wieder singen „O Heiland, reiß die Himmel auf“.
Gabriele Spera ist Redakteurin des SONNTAG
Es ist ein Ros’ entsprungen – dieses Lied habe ich schon in meiner Schulzeit oft gesungen. Von den Weihnachtsliedern aus meiner Kindheit erinnere ich mich an dieses besonders gern. Wie in der ersten Strophe „mitten im kalten
Winter“ wächst neues Leben aus einer Wurzel zart. Dieses neue Leben bringt Freude und gibt uns Zuversicht in Krankheit und Leid, verdrängt die Dunkelheit und lässt uns weiter hoffen.
Niki Haselsteiner ist Öffentlichkeitsarbeiter des Medienhauses der ED Wien
Eines jener Lieder, das mich im Advent begleitet, beginnt mit den Worten „Amen, amen Maranatha – komm Herr Jesus, komm bald.“ Es weist uns auf den Hauptsinn der Adventzeit hin, uns auf die Wiederkunft des Herrn vorzubereiten. Nichts woran man im Weihnachtstrubel oft denkt.
Aber all unser christliches Leben ist nun mal, wie die Jungfrauen, die mit ihren Öllampen auf den Bräutigam warten. Wir wissen also weder Stunde noch Tag, an dem der Menschensohn kommen wird, deshalb kann man getrost weiterhin Weihnachten vorbereiten. In der Hoffnung, dass das nächtliche Rufen: „Er kommt“, bald Wirklichkeit wird. Ahmen wir die Komponistin dieses Liedes nach, die dem „Bräutigam gefolgt“ ist und mittlerweile auf der Kinderalm Bethlehemschwester ist.
Mario Potyka ist „Head of Sales“ bei radio klassik Stephansdom
Der Advent war in meiner Kindheit vom Musizieren geprägt, insbesondere vom Üben der Adventlieder auf der Blockflöte, später auf der Klarinette.
„Ihr Kinderlein kommet“ war mein liebstes Lied, weil es für mich bedeutete, dass auch ich – ein Kind – angesprochen bin und in der Kirche erwartet werde. „So nimm unsre Herzen zum Opfer denn hin, wir geben sie gerne mit fröhlichem Sinn“.
zum Nachlesen:
► lesen Sie den ersten Teil der Adventserie
► lesen Sie den zweiten Teil der Adventserie
Haben auch Sie ein adventliches Lieblingslied? Wenn ja, welches und was verbinden Sie damit?
Schreiben Sie Ihre Gedanken zusammen mit einem Foto für diese Rubrik an: office@dersonntag.at.
Prälat Klaus Egger
ehemaliger Generalvikar und geistlicher Begleiter, Tirol
Teil 3 von 5
► lesen Sie den ersten Teil der Adventserie
► lesen Sie den zweiten Teil der Adventserie
O Heiland, reiß die Himmel auf
O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf.
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
O Gott, ein Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.
Gotteslob 231
Das Adventlied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ des deutschen Jesuiten Friedrich Spee (1591–1635) wurde erstmals in der 1622 in Würzburg gedruckten katechetischen Liedersammlung „Das Allerschönste Kind in der Welt“ veröffentlicht.
Es thematisiert das Leitmotiv des Advent, die Sehnsucht nach dem Erlöser, und fand schnell Eingang in katholische und evangelische Liedersammlungen.