O sapientia, quae ex ore Altisssimi prodisti...Oh Weisheit, hervorgegangen aus dem Mund des Höchsten...
O sapientia, quae ex ore Altisssimi prodisti...Oh Weisheit, hervorgegangen aus dem Mund des Höchsten...
In den sieben Tagen vor Weihnachten werden im abendlichen Stundengebet die „O-Antiphonen“ gesungen. Die im 8. Jahrhundert entstandenen O-Antiphonen inspirierten auch J.R.R. Tolkien.
"Wann ist endlich Weihnachten?“ Wie oft hören wir diese Frage in diesen Tagen, vor allem von Kindern. Auch die Kirche wiederholt sie schon seit vielen Jahrhunderten auf ihre eigene Weise. In den sieben Tagen vor Weihnachten werden im abendlichen Stundengebet die „O-Antiphonen“ gesungen.
Woher diese feierlichen liturgischen Texte stammen, ist bis heute ungeklärt. Spätestens seit dem 8. Jahrhundert waren sie auf jeden Fall im Frankenreich bekannt. So viel weiß man aus alten Handschriften. Ihr eigenartiger Name hat mit dem Ausruf „O“ zu tun, der jeden der sieben Gesänge einleitet. Was immer man mit diesem O-Laut auch verbindet: Erstaunen, Sehnsucht oder Betroffenheit, es folgt jeweils ein alttestamentliches Thema, das in sprachlich kunstvoller Form auf Jesus als den verheißenen Messias bezogen wird.
Der Reihe nach wird er als „Weisheit“, „Adonai“ (die Umschreibung des offenbarten Gottesnamens), als “Wurzel Jesse“, „Schlüssel des Hauses David“, pünktlich zu Beginn der längsten Nacht des Jahres als „Morgenstern“, „König der Völker“ und schließlich als „Emmanuel“ angerufen. Jede dieser sieben Anrufungen gipfelt im drängenden Ruf „komm!“ und klingt mit einer Bitte aus, die das jeweilige Motiv noch einmal zusammenfasst.
Diese vorweihnachtlichen Gesänge wurden sehr früh auch in die Landessprachen übersetzt und haben Menschen durch die Jahrhunderte inspiriert. Eines unserer beliebtesten Adventslieder, „Oh, komm, oh komm Emmanuel“, fasst die sieben Themen zusammen.
Geistliche Meister wie der Mystiker Heinrich Seuse oder der englische Kardinal John Henry Newman haben sich von ihnen inspirieren lassen.
Alte und zeitgenössische Musiker haben sie vertont und einer der ältesten altenglischen Texte aus dem 9. Jahrhundert, eine Übersetzung von „O Oriens“ war Jahrhunderte später für J.R.R. Tolkien Inspiration zu seiner Entstehungsgeschichte von Mittelerde, die man im Buch Silmarillion nachlesen kann.
Wie phantasievoll man mit den O - Antiphonen auch sonst umging, zeigt die findige Entdeckung, dass man aus den Anfangsbuchstaben der lateinischen Originaltexte Sapientia, Adonaj, Radix, Clavis, Oriens, Rex, Emmanuel, wenn man sie am 23. Dezember rückwärts liest, die Verheißung „ERO CRAS“ erhält - was so viel heißt wie: „Morgen werde ich da sein“.
Ob die liturgischen Redakteure des frühen Mittelalters tatsächlich diesen geheimnisvollen Code verbergen wollten, bleibt dahingestellt. Fest steht: Mit der letzten O- Antiphon findet das ungeduldige Warten ein gutes Ende.