Was steckt ursprünglich hinter den beiden Tagen des 5. und 6. Dezember, der finsteren Gestalt des Krampus und der Lichtfigur des hl. Nikolaus?
Was steckt ursprünglich hinter den beiden Tagen des 5. und 6. Dezember, der finsteren Gestalt des Krampus und der Lichtfigur des hl. Nikolaus?
Warum es sich auch für Erwachsene lohnt, in einer von Konsum dominierten Umgebung den Zauber des Nikolofestes auf sich wirken zu lassen.
Als ich mit meiner kleinen Tochter Anfang Oktober in einen Supermarkt ging, war es unvermeidlich an den frisch eingelangten Scharen an Schokonikoläusen und -krampussen vorbeizugehen. „Mama, schau mal! Darf ich das haben? Bitte!!“ Meine Antwort „Das müssen wir nicht kaufen, das bringt doch der Nikolaus“ wurde (zum Glück) akzeptiert.
Kann in einer von Konsum und Überangebot dominierten Vorweihnachtszeit das Fest des hl. Nikolaus noch Zauber und Faszination versprühen? Was steckt ursprünglich hinter den beiden Tagen des 5. und 6. Dezember, der finsteren Gestalt des Krampus und der Lichtfigur des heiligen Nikolaus?
Darüber gibt Waltraud Ferrari, Brauchtumsexpertin aus der Weststeiermark und Autorin des Buches „Alte Bräuche neu erleben“ im Gespräch mit dem SONNTAG Auskunft:
„Die christliche Legende kennt den heiligen Nikolaus als den gütigen Bischof von Myra, der vor allem für seine Mildtätigkeit bekannt war. So half er einst drei Jungfrauen, denen das Heiratsgut fehlte, indem er ihnen drei goldene Kugeln ins Fenster legte“, berichtet Ferrari. Am Tag des hl. Nikolaus verbindet sich für Kinder (wie ein Vorgeschmack auf Weihnachten) das Geheimnisvolle mit der Freude.
„Als Kinder haben wir am Vorabend des 6. Dezember die Schuhe vor die Türe gestellt. Für uns war es ein Umstand des Wunderbaren, dass wir am nächsten Tag Nüsse, Feigen, Datteln und Mandarinen oder einen Lebkuchen-Nikolaus in den Schuhen vorgefunden haben“, erinnert sich Ferrari. Damals handelte es sich um Dinge, die es nur zu dieser Jahreszeit gab und die daher etwas Besonderes waren. „Dazu kam dieser Zauber und das Geheimnisvolle, das wir mit Geschwistern und Freunden teilten.“
Heute werden der Zauber und das Besondere der Gaben des heiligen Nikolaus oftmals vom Konsum überlagert, dem großen Angebot an Dingen, die uns schon das ganze Jahr über zur Verfügung stehen. Ferrari: „Ich finde das sehr schade, weil das den Menschen die Freude über etwas Einmaliges nimmt, etwas, das nicht selbstverständlich ist. Ich beobachte, dass im Konsumverhalten immer mehr gefordert wird. Ob Dinge, Speisen oder Erlebnisse, der Kick muss immer größer werden. Man nimmt nicht mehr war, wie viel Wunder oder Zauber es gäbe.“
Die dunkle Jahreszeit wäre eigentlich ein Signal an Körper und Geist: Nimm dir Zeit, fahre deine Aktivitäten runter, schau nach innen und begegne deinen Mitmenschen.
Genau darauf weisen die Tage von Krampus und Nikolaus hin. „In der alteuropäischen Überlieferung galten der 5. und 6. Dezember als Tage der Innenschau“, weiß Waltraud Ferrari. So galt der 5. Dezember (der heutige Krampus-Tag) als „Tag der Abrechnung“. „Damit war eine Rückschau auf das eigene ethische Handeln im abgelaufenen Jahr gemeint. Man schaute also auf die dunkle Seite, die Vergehen, derer man sich schuldig gemacht hatte“, so Ferrari.
Am 6. Dezember wurde das Gute bzw. die Wiedergutmachung in den Vordergrund gestellt. „Die Verkörperung dieser Prinzipien kennen wir heute noch als Nikolaus, der das Gute belohnt, und als Krampus, der das Böse bestraft“. In den kleinen Dorfgemeinschaften früherer Zeiten hatten diese Tage der Begegnung, Wiedergutmachung und Versöhnung eine wichtige soziale Funktion.
In christlicher Zeit entwickelten sich daraus die „Nikolospiele“. Die darin vorkommenden dunklen Gestalten wie z. B. die Habergeiß (eine Art dämonische Ziegenbockfigur) waren nicht als böser Kinderschreck gedacht. „Es ging darum, zu lernen, sich den Dingen, vor denen man Angst hatte, zu stellen und nicht davonzulaufen“, so Ferrari.
„Man kann die Tage von Nikolaus und Krampus nutzen, um mit Menschen, mit denen man Schwierigkeiten hatte, wieder ins Reine zu kommen“, sagt die Brauchtums-expertin. Das Aufeinanderzugehen lässt sich gut mit einem „Geschenk vom Nikolaus“ verbinden.
Waltraud Ferrari
Fest- und Alltag im Rythmus der Jahreszeiten
2014, Stocker, L
Auflage: 1. Auflage
Hardcover
206 Seiten
ISBN: 978-3-7020-1443-8
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