Viele sind auf der Suche nach Transzendenzerfahrungen, nach dem „Numinosen“ und nach entsprechenden Ritualen.
Viele sind auf der Suche nach Transzendenzerfahrungen, nach dem „Numinosen“ und nach entsprechenden Ritualen.
Im Oktober sind die Hexen überall: Auf Torten, Werbeprospekten und in vielen Auslagen. Grund dafür ist Halloween, obwohl dieses Fest mit Hexen gar nichts zu tun hat. Wir nehmen die Schaufenster-Hexen aber zum Anlass, uns mit den echten Hexen der Gegenwart auseinanderzusetzten – den „Neuen Hexen“.
Auch in Österreich gibt es Menschen, die sich als „Hexen“ bezeichnen. Stefan Lorger-Rauwolf von Kirche im Dialog – Fachstelle für Interkulturelles, Interreligiöses und Weltanschauungsfragen kennt das Phänomen und schickt gleich vorweg: Es ist ein sehr komplexes und umfangreiches Thema.
Der SONNTAG stellt ihm drei Fragen dazu:
Was sind die „neuen Hexen“? Woran glauben sie?
Die Selbstbezeichnung „(Neue) Hexen“ benennt einen Teil neuheidnischer Religiosität. Neuheidnische Gruppen allgemein möchten religiöse Traditionen wieder so beleben, wie sie vor der Ausbreitung des Christentums vermutet werden.
Die „Neuen Hexen“ zeichnet Naturfrömmigkeit, die Berufung auf eine alte Tradition, Magie- und Ritualpraxis, Feminismus und Zivilisationskritik aus, die sich u. a. gegen das Christentum richtet. Diese Bewegung gibt es seit knapp 100 Jahren.
Herrschte ursprünglich weitgehende Arkandisziplin (Geheimhaltungspflicht) im Coven (Versammlung von bis zu 13 Hexen), so kann man sich heute über Bücher informieren, sich selbst initiieren und ohne Coven als “freifliegende“ Hexe verstehen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum solche neuheidnischen Strömungen Zulauf erfahren?
Allgemein muss man sagen, dass die „religiöse Landschaft“ immer bunter wird. Gleichzeitig wird Religion immer individueller. Einzelpersonen setzen ihre Religiosität aus Elementen verschiedener religiöser Traditionen zusammen und bilden somit eigene „Patch-work-Glaubenssysteme“. Dabei spielen die Wiedergewinnung weiblicher Macht und Spiritualität eine große Rolle.
Was suchen diese Menschen Ihrer Erfahrung nach?
Viele sind auf der Suche nach Transzendenzerfahrungen, nach dem „Numinosen“ und nach entsprechenden Ritualen. Ein Ziel ist sicherlich die Steigerung eigener Macht, sowie die Sakralisierung des Selbst: Selbstheilung, Selbstbewusstsein und Selbstverwirklichung.
Die Figur der Hexe ist uralt, sagt Heidi Lexe, aktuell erlebt sie in der Literatur einen Boom.
Warum Hexen seit einiger Zeit in der Literatur so beliebt sind, erklärt STUBE-Leiterin Heidi Lexe mit dem Erfolg von Harry Potter: „Hier rücken Hexen und Zauberer wieder ins Bewusstsein.“
Schon sehr früh, etwa in der irischen oder griechischen Mythologie, findet sich das Motiv der Hexe, und zwar unter dem Begriff „Fee“, die als gut oder böse erscheint.
„Wir haben mit der Hexe vor allem die Tradition des Grimm’schen Märchens im Kopf“, sagt Heidi Lexe, „die greifen auf die Feentradition zurück (Dornröschen), aber auch auf die Figur der alten, bösen Frau, der Kinderfresserin (Hänsel und Gretel) – da fließt ganz viel vom mittelalterlichen Aberglauben ein.“
Diese abergläubischen Vorstellungen finden sich im „Hexenhammer“ des Dominikaners Heinrich Kramer. Das Werk von 1486 diente zur Legitimation der Hexenverfolgung.
In der neuen Kinder- und Jugendliteratur wird gerne aus alten Stoffen und Figuren etwas Neues gemacht.
Dass der Hexenboom in der Buchwelt etwas mit den „Neuen Hexen“ der Gegenwart zu tun hat, glaubt Heidi Lexe nicht: „Diese Traditionen und Kulte hat es immer gegeben, möglicherweise gibt es jetzt mehr Aufmerksamkeit dafür.
Ursprünglich war Halloween ein Erntedankfest und ein Totengedenken.
Die Kirche christianisierte das Fest (Allerheiligen) und verlegte es später von der nachösterlichen Zeit auf den 1. November.
Mit Hexen hat Halloween nichts zu tun, betont Stefan Lorger-Rauwolf.
Pastoralamt der Erzdiözese Wien
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