"Die Prozession bietet die Chance, wieder bewusst zu machen, dass Glaube und Leben zusammengehören; wir bleiben nicht im Kirchenraum, sondern gehen hinaus, 'in die Welt'", sagt Manuela Ulrich, Fachreferentin im Liturgiereferat der Erzdiözese Wien.
"Die Prozession bietet die Chance, wieder bewusst zu machen, dass Glaube und Leben zusammengehören; wir bleiben nicht im Kirchenraum, sondern gehen hinaus, 'in die Welt'", sagt Manuela Ulrich, Fachreferentin im Liturgiereferat der Erzdiözese Wien.
Was zu Fronleichnam gefeiert wird und warum Glaube und Leben zusammengehören: Liturgie-Expertin Manuela Ulrich im Gespräch.
Das "Hochfest des Leibes und Blutes Christi", Fronleichnam. Was wird gefeiert? Seit wann gibt es dieses Hochfest?
Ulrich: Zehn Tage nach Pfingsten feiert die Kirche am "Hochfest des Leibes und Blutes Christi" die Einsetzung der Eucharistiefeier und bringt ihren Glauben an die bleibende und wirkliche Gegenwart Christi in den eucharistischen Gaben von Brot und Wein zum Ausdruck.
Die Anregung zu diesem Fest entstammt einer Vision der Augustinernonne Juliane von Lüttich (1193-1258). Es wurde 1264 unter Papst Urban IV., der aus Lüttich war, für die ganze Kirche eingeführt, hat sich aber nur langsam durchgesetzt. Zur Akzeptanz des Festes hat die Fronleichnamsprozession beigetragen, bei der das Allerheiligste in einer Monstranz mitgetragen wird. Diese gehörte nicht von Anfang an dazu, sondern entwickelte sich erst allmählich.
Wofür steht die Bezeichnung "Fronleichnam"?
Ulrich: Das Wort Fronleichnam kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Es setzt sich zusammen aus den Wörtern fron (= Herr) und lichnam (= Leib) und geht auf die ursprüngliche Bezeichnung als "Fest des Leibes Christi" zurück. Im Vordergrund stand dabei die Verehrung der Gegenwart Christi in der Gestalt des Brotes. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde der Festname erweitert und das seit 1849 bestehende "Fest des kostbaren Blutes" integriert. Deshalb heißt das Fest seit 1970 "Hochfest des Leibes und Blutes Christi". Im Zentrum steht heute wieder die Eucharistiefeier, in der wir Christus in der Kommunion empfangen.
Wie prägen die Hymnen des Kirchenlehrers Thomas von Aquin dieses Hochfest?
Ulrich: Dass Gott in Brot und Wein unter uns Menschen ist, ist für Thomas von Aquin Zeichen einer großen Liebe und Wertschätzung. Die Menschen bringen an Fronleichnam das eigene Staunen über Gott und seine Wunder zum Ausdruck, wenn sie "Gottheit tief verborgen, betend nah ich Dir. Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier. ... Augen, Mund und Hände täuschen sich in Dir, doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir." (GL 546) singen und beten: Gott macht sich zu Fronleichnam in der Gestalt des Brotes mit uns auf den Weg, das kann man nicht erklären, das muss man betrachten, sich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen lassen.
Welche seelsorgliche Chance bietet die Fronleichnamsprozession?
Ulrich: Prozessionen spielen im Leben der Kirche eine wichtige Rolle, denn Glaube vollzieht sich nicht nur "sitzend" in Kirchenräumen, sondern wird auch "im Gehen" zum Ausdruck gebracht (Kreuzweg, Wallfahrt, Bitttage, etc.). Die Prozession bietet die Chance, wieder bewusst zu machen, dass Glaube und Leben zusammengehören; wir bleiben nicht im Kirchenraum, sondern gehen hinaus, "in die Welt". Als Christen sind wir miteinander und mit Gott unterwegs, in der Prozession kann das für alle sichtbar werden.
Manuela Ulrich ist Fachreferentin im Liturgiereferat der Erzdiözese Wien.
Das Interview ist in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" 2013 erschienen.
Die Fragen stellte Stefan Kronthaler.
Alles zum Fest Fronleichnam auf erzdioezese-wien.at
"Was ist, wenn eine ganze Gruppe von Menschen feierlich durch die Straßen zieht und einem Stück Brot folgt?", fragt Pater Günter Reitzi OP, Prior der Dominikaner.