"Das Fronleichnamsfest verdankt seinen Ursprung einer Frau...", erzählt Kardinal Christoph Schönborn.
"Das Fronleichnamsfest verdankt seinen Ursprung einer Frau...", erzählt Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Hochfest Fronleichnam, 19. Juni 2014
Oft wird gesagt: Die Frauen haben in der Kirche nichts oder nur wenig zu sagen. Schaut man bloß auf die "Institution" der Kirche, dann ist dieser Eindruck verständlich. Vom Papst über die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester, ja selbst die Diakone - alles "Männersache". Ganz anders sieht es aus, wenn man sich das Leben der Kirche ansieht. Da haben Frauen oft einen ganz prägenden Einfluss. Dafür gäbe es viele Beispiele, etwa die Tatsache, dass deutlich mehr als die Hälfte der österreichischen Pfarrgemeinderäte Frauen sind.
Das Fronleichnamsfest verdankt seinen Ursprung einer Frau. Daran möchte ich heute erinnern. Es hat zudem heuer einen besonderen Geburtstag. Vor 750 Jahren, 1264, wurde es von Papst Urban IV. offiziell für die ganze Kirche eingeführt. Doch die Idee zu diesem Fest kam nicht vom Papst, sondern von einer Frau aus dem heutigen Belgien, von Juliana von Lüttich (1192-1258).
Juliana hatte von Jugend an eine tiefe Liebe zur Eucharistie, zur Gegenwart Jesu in der Hostie, in der bescheidenen Gestalt des eucharistischen Brotes. Mit anderen Frauen zusammen pflegte und förderte sie die Verehrung, die Anbetung des Allerheiligsten, der Eucharistie. Mehrmals hatte sie Visionen, in denen sie den hellen Mond sah, der aber eine dunkle Stelle hatte. Sie deutete diese Bild als einen Hinweis Jesu: es fehlt der Kirche noch etwas. Sie braucht ein eigenes Fest für den "Leib des Herrn" (das bedeutet ja das mittelhochdeutsche Wort Fron-leichnam). Trotz vieler Widerstände gelang es Juliana und den Frauen um sie, zuerst den Bischof, dann sogar den Papst davon zu überzeugen, dieses Fest für die ganze Kirche einzuführen.
Papst Urban IV. beauftragte sogar den berühmtesten Theologen der damaligen Zeit, den heiligen Thomas von Aquin, die Texte und die Hymnen für dieses Fest zu verfassen. Sie werden heute noch überall in der Welt gesungen, wo immer das Fronleichnamsfest gefeiert wird.
Mich beeindruckt es immer wieder, wie stark und tief der Einfluss ist, den Frauen auf das Leben der Kirche haben. Auch die weltweite Herz-Jesu-Verehrung geht ganz entscheidend auf eine Frau zurück, die heilige Marguerite-Marie Alacoque aus Frankreich (1647-1690). Und noch ganz jungen Datums, der "Sonntag der Barmherzigkeit", die besondere Verehrung des barmherzigen Jesus, die in allen Teilen der Welt so ein starkes Echo findet, geht ebenfalls auf eine Frau zurück, die heilige Faustyna Kowalska (1905-1938), die erste Heiliggesprochene des neuen Jahrtausends (2000).
Doch zurück zum Fronleichnamsfest. Es ist nach wie vor in weiten Teilen unseres Landes beliebt und fest im Leben der Menschen verankert. Was ist das Besondere an Fronleichnam? Einmal im Jahr wird die Verehrung, die Liebe zu dieser ganz besonderen Gegenwart Jesu unter uns Menschen öffentlich sichtbar gemacht. In der Gestalt der Hostie "besucht" Jesus selber unsere Dörfer und Städte und segnet die Menschen und das Land. Jesus hat ja verheißen: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." Das darf am heutigen Festtag als etwas besonders Hoffnungsvolles gefeiert werden.
Hoffnungsvoll macht mich auch die Feststellung, dass wir in unserem Land so etwas wie einen "eucharistischen Frühling" erleben. Immer mehr Menschen, gerade auch junge, entdecken, welche Kraftquelle es ist, die Gegenwart Jesu in der Hostie, im Tabernakel, im stillen Verweilen bei ihm zu erfahren.
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt. Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben? Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch ist wirklich Speise, und mein Blut ist wirklich Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.