Das Buch "Schau mir auf den Mantel, Kleines" ist im Bonifatius Verlag erschienen und kostet 15,40 Euro.
Das Buch "Schau mir auf den Mantel, Kleines" ist im Bonifatius Verlag erschienen und kostet 15,40 Euro.
Warum die Martinslegende immer noch breitenwirksam populär ist: Mode-Historikerin Silke Geppert im Gespräch mit dem "SONNTAG".
Die Mantelteilung des hl. Martin ist wohl eine der berühmtesten Heiligenlegenden, die auch außerhalb der katholischen Kirche vielen Menschen bekannt ist. Die Geschichte ist bis heute populär. „Das ist erstaunlich, denn hier ereignet sich kein sensationelles Wunder. Es gibt keine Erscheinung, hier wird niemand vom Tode erweckt oder von einer bösen Krankheit geheilt“, sagen Silke Geppert und Maria Neuhaus, Herausgeberinnen des Buches „Schau mir auf den Mantel, Kleines! Von Mänteln und vom Teilen“ (Bonifatius Verlag).
In der Martinslegende geht es nicht nur um das Teilen eines Stückes Stoff, sondern um mehr: „Hier teilt jemand seine Autorität, das Teilen wird zur echten Anteilnahme und das ist eine Angelegenheit von größter Bedeutung für die Gesellschaft“, so Silke Geppert und Maria Neuhaus. Ihr Buch bietet u. a. Einblicke in die Kulturgeschichte des Mantels und seine Rolle in der christlich-jüdischen Religion.
Seit der Antike symbolisiert der Mantel über den Schutz des Körpers hinaus auch Ausdruck von Macht. „Daraus konnten sich repräsentative Herrschermäntel entwickeln. In der christlichen Tradition hat man das Himmelszelt auch als den ,Weltenmantel’ bezeichnet, der den Kosmos überwölbt und die Menschen beschützt.Daher kommt die Darstellung astrologischer Motive auf mittelalterlichen Priestergewändern“, erklärt Modehistorikerin Silke Geppert dem SONNTAG. Die Bibel biete eine Fülle von Verweisen und Quellen. „Im Alten Testament spielt der Tempelvorhang eine große Rolle. Bei Jesu Einzug in Jerusalem breitet das Volk die Mäntel aus – ein schönes Bild des Willkommens“, führt Geppert aus. Das An- und Ablegen von Kleidern wurde oft mit Rollenwechsel, mit dem An- und Ablegen eines Lebensentwurfs verbunden.
Immer wieder wurde Mänteln in der Kulturgeschichte besondere Symbolkraft zugeschrieben. „Im Christentum fällt mir sofort der Schutzmantel der Madonna ein. Ein Symbol für die umfassend schützende Liebe der Muttergottes“, so Silke Geppert.
Und bei Jesus? Spielen da Textilien ebenfalls eine Rolle? Geppert: „Jesus erscheint in seiner Vita äußerst spärlich bekleidet. Wir wissen von der Windel und dem Perizonium (das um die Lenden des gekreuzigten Christus geschlungene Tuch). Meiner Meinung nach tritt bei Jesus die Haut als Hülle in den Vordergrund – weil sich hier sein Leben und Sterben hineinschreibt (Leidensspuren, Seitenwunde, Tränen und Tropfen).“
Die Popularität der Martinslegende bleibt ungebrochen. Warum? Silke Geppert: „Weil es darum geht, völlig uneigennützig die wärmende Hülle zu teilen und dadurch an Mitmenschlichkeit zu gewinnen. Ich denke da an die bereitwilligen Kleiderspenden im vergangenen Herbst – die Freude der Menschen anderen durch Kleidung Wärme und Schutz schenken zu können.“
In der Tradition steht der heilige Martin für Frieden und für Solidarität mit Randgruppen. Er ist der Patron der Bettler, der Geächteten, Kriegsdienstverweigerer und des Burgenlandes. Geboren vor 1.700 Jahren, um 316/17 in Szombathely (Steinamanger) in Pannonien/Ungarn, verbrachte er seine Jugend als Soldatensohn in Pavia. Martin diente als Offizier in einer römischen Eliteeinheit.
Ein Schlüsselmoment machte ihn weltberühmt: Vor den Toren von Amiens zerschnitt er mit dem Schwert seinen Mantel und teilte ihn mit einem Bettler, der ohne ihn erfroren wäre. In der Nacht erschien ihm Christus – in der Gestalt des Bettlers, wie um zu sagen: „Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan.“ Bald darauf empfing Martin die Taufe.
Seinen Militärdienst beendete Martin und wurde Schüler des berühmten Bischofs Hilarius von Poitiers, empfing die Priesterweihe und gründete um 360 als Einsiedler in Ligugé das erste Kloster Galliens. Als die Bürger des 100 Kilometer entfernten Tours einen neuen Bischof brauchten, wollten sie niemand anderen als den Einsiedler aus Poitiers. Der wollte zwar nicht, doch die (Martins-)Gänse sollen ihn in seinem Versteck verraten haben. Seit Juli 372 Bischof, lebte Martin dort weiter im Kloster.
Martin ist der erste Heilige, der verehrt wurde, obwohl er kein Märtyrer war. Sein Fest am 11. November begleiten viele Bräuche wie Laternenumzüge, das Nachspielen der Mantelteilung, „Gans’lessen“ und „Martiniloben“ (den neuen Wein verkosten).
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien