Der Propst von St. Gerold über seinen Namenspatron, den heiligen Martin: Ein genauer Blick auf den populären Kirchenmann eröfffnet neue Zugänge für die Gegenwart.
Auf ein wenig beachtetes biografisches Detail des Martin von Tours hat der Propst von St. Gerold, Martin Werlen, hingewiesen. Bekannt seien von dem populären Heiligen besonders die Geschichten von der Mantel-Teilung mit dem frierenden Bettler sowie mit den Gänsen, die Martins Versteck verrieten. "Wenn wir aber genauer hinschauen, sehen wir plötzlich, dass Martin bei der Mantelteilung noch gar nicht getauft war. Er war erst auf dem Vorbereitungsweg zur Taufe", unterstrich der Ordensmann in einem Beitrag für das Webportal der Diözese Feldkirch zum am Donnerstag gefeierten Martinsfest.
Das sei den Zeitumständen geschuldet, erklärte Werlen. Getaufte seien im römischen Reich bis ins Jahr 312/313 verfolgt worden, als schließlich Kaiser Konstantin um 312 bemerkt habe, dass sich immer mehr Menschen taufen ließen. Durch seine Annahme des Glaubens seien aus Verfolgten Privilegierte geworden und das Christentum sei binnen Kurzem zur wichtigsten Religion im römischen Reich aufgestiegen. Dennoch habe es bereits zu Martins Lebzeiten (316-397) innerkirchlich auch eine Gegenbewegung dazu gegeben, die sich vor allem in Klöstern formierte - unter den Mönchen, wie auch Martin einer geworden sei.
Der St. Gerolder Propst und Altabt von Einsiedeln plädierte für einen "Schubser", mit dem es Heilige wie Martin vom symbolhaften Sockel zu stoßen gelte, "bis sie auf Augenhöhe sind". Dies lasse Heiligenfiguren "näher zum Leben der Menschen" kommen und zeige auf, "dass sie uns plötzlich ganz anders etwas für unser heute zu sagen haben". Das treffe auch beim heiligen Martin zu.
Im Ablegen von Privilegien könne Martin heute ein Vorbild sein, erklärte der Benediktiner: "Martin hat sich schon damals geweigert, da mitzumachen. Er hat die prunkvollen Bischofsgewänder nicht angezogen. Er blieb bei seinem Mönchgewand. Dass das bei den anderen Bischöfen keinen Anklang fand, darf man getrost annehmen", blätterte Propst Werlen weiter in der Vita seines Namensheiligen. Es tue manchmal Not, "nicht das zu tun, was alle tun". Martin stehe hier "für eine Ent-Weltlichung der Kirche im besten Sinn". Was der Heilige vorgezeigt habe, sei "kein Loslösen von der Welt, sondern ein Loslassen von dem, was der Kirche nur durch weltliche Privilegien zugefallen ist".
Martin wurde 316 im ungarischen Szombathely (Steinamanger) geboren und starb 397 im französischen Candes-Saint-Martin. Sein Biograph, Sulpicius Severus, habe Martin noch persönlich getroffen und sei von diesem "alten Mönch" beeindruckt gewesen, bemerkte Propst Werlen. Wahrscheinlich sei der Heilige "wohl einer gewesen, der seinen ganz eigenen Kopf hatte und seine Meinung, zu der er auch stand, wenn sie nicht immer mehrheitsfähig war". Dass er auf den Schein wenig Wert gelegt habe, habe ihm nicht immer Zuspruch