Fasten und Verzicht sind befreiende Hilfs-, ja Heilmittel. Sie helfen zur Erfahrung und demütigen Einsicht: Leben ist kein selbst mächtig verfügbares „Gut“, sondern Gabe, Geschenk.
Fasten und Verzicht sind befreiende Hilfs-, ja Heilmittel. Sie helfen zur Erfahrung und demütigen Einsicht: Leben ist kein selbst mächtig verfügbares „Gut“, sondern Gabe, Geschenk.
Religiöses Fasten ist ein befreiendes Hilfsmittel, um das eigene Leben neu auf Gott und die Nächsten auszurichten. „Alternative Fastentipps“ von Raphaela Pallin.
Eine kleine Tafel Chocolade & Poesie liegt da, ein Geschenk mit verlockender Aufschrift: „Einer Versuchung sollte man nachgeben“. Ich mag Schokolade – diesen Spruch mag ich nicht. Genießen, ja – Versuchungen, nein! Denn sie verführen: Sie täuschen Gewinn vor, haben aber einen bitteren oder schalen Nachgeschmack, bringen Leid und kosten die Mühe der Umkehr. Einer Versuchung soll man nicht nachgeben! Gutes aber darf man genießen, auch in der Fastenzeit.
Fastenzeit – Zeit der Mühe, des Trainings, der neuen Ausrichtung auf erlöstes Leben. Nur verführt manches moderne (Heil-)Fasten-Angebot eher davon weg, lenkt den Blick doch nur auf Optimierung des eigenen körperlichen und geistigen Wohlbefindens, verkauft eitle Wellness als teuren Ersatz für das „Leben in Fülle“.
Religiöses Fasten führt zum Leben. Es ist zeitlich begrenzter, maßvoller Verzicht auf Dinge, die positiv zum Leben gehören: Nahrung, Erholung, Gemeinschaft, Vergnügen – nicht, weil all das schlecht oder Verzicht ein Ziel wäre, sondern weil es gilt, frei zu werden von negativen Haltungen im Umgang mit diesen Lebensgütern: dem „selbstverständlichen“ Recht, dem unbedachten Gebrauch, der Verwendung als Ersatz, dem Verzwecken.
Fasten und Verzicht sind befreiende Hilfs-, ja Heilmittel. Sie helfen zur Erfahrung und demütigen Einsicht: Leben ist kein selbst mächtig verfügbares „Gut“, sondern Gabe, Geschenk. Sie helfen, Dinge und Menschen in ihrem eigenen Wert, ihrer Würde wahrzunehmen und dankbar anzuerkennen. Sie befreien aus misstrauischer Gier und selbst-verliebter Sucht hin zu neuer Offenheit für das, was sich schenkt. Sie helfen, die eigene Endlichkeit anzuerkennen, öffnen Herz und Blick für die Sehnsucht: „Es muss doch mehr als alles geben!“, für die Verheißung von erlöstem Leben noch über dieses Leben hinaus.
Religiöses Fasten hat auch den Aspekt des Bußfastens. Wie jedes Bußwerk macht es eigene Schwächen und Fehlerhaftigkeit heilsam bewusst und hilft, dem Negativen, das ich nicht (mehr) will, Positives entgegenzusetzen, einzuüben. Es ist lebensförderliche „Abtötung“, aber keine Methode, um etwas „gutzumachen“ oder mir Heil „zu verdienen“. Fasten ist in der Bibel immer mit der ehrlichen Hinwendung zu Gottes Barmherzigkeit und mit der aufrichtigen Zuwendung zum Nächsten in Gerechtigkeit und Güte verbunden. In der Tradition heißt das: Gebet und Almosen – ohne sie ist Fasten beziehungslos und daher sinnlos.
Mit dem Gebet verbunden bezeugt Fasten, dass ich mich auf Gottes Zuwendung angewiesen weiß und auf seine Treue vertraue; verbunden mit Almosen, also der geistigen und materiellen Zuwendung zu den Mitmenschen, die mir gegeben und „aufgegeben“ sind, bezeugt Fasten, dass ich mich auf Gemeinschaft angewiesen weiß und auf die Verbundenheit vertraue.
Religiöses Fasten dient der Stärkung der Entschiedenheit: Es hilft aus der Unfreiheit sündhafter Haltungen sowie Gewohnheiten, „trainiert“ den Menschen innerlich, nicht jeder Neigung, jedem Wunsch oder „Bedürfnis“ gleich nachzugeben – schon gar nicht der Versuchung. Diese stärkende Enthaltsamkeit geht weit über den zeitweiligen Verzicht auf Nahrung hinaus.
Auch Papst Franziskus mahnt mit Nachdrücklichkeit und Humor zu einschneiden- den Formen der Enthaltsamkeit: Verzicht auf Geschwätz, üble Nachrede, Verleumdung. Enthaltsamkeit von „geilem Geiz“, leerer Genusssucht und trostloser Völlerei. Aufgeben des selbstbesorgten Ignorierens echter Not und Ausbeutung, an deren Ausmaß wir uns längst gewöhnt haben und die wir – empört über „die Anderen“ – in den Medien sensationsgierig verfolgen. Abgehen vom Warten auf den „ersten Schritt“ der Anderen – wir wissen, welche Schritte wir selbst zu tun haben. Weigerung, die „Glaubenssätze“ einer Un Kultur der reinen Präsentation, Renommee-Sucht und ständigen „Aus-wertung“ nachzubeten, die Leben nicht fördern, sondern mindern. Enthaltsamkeit von eitlem Karrierestreben und verachtender Selbstgefälligkeit. Verzicht auf opportunes Verdrängen des eigenen Empfindens und Gewissensurteils in der allgemeinen Werteverwirrung.
Das religiöse Fasten „entgiftet“– von körperlichen und von „Schlacken“ und Giften der Seele. Es führt zu neuer Stärke, die in der guten Meinung über andere und im Verzeihen liegt, in der Nachsicht aus dem Wissen um die eigene Fehlerhaftigkeit, im Hin- schauen, Berühren und Sich-schmutzig-Machen in der Begegnung mit der allgegenwärtigen, vielfältigen materiellen und geistigen Not, in Geduld, Bescheidenheit, Warten-Können, im Nicht-Aufrechnen, in Großherzigkeit, Reinheit der Absicht und des Blicks, im selbstbewussten Eintreten für andere.
Solches Fasten bestärkt auch, einander mit Jakobus 1,2 zuzusagen: „Seid voll Freude, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet …“ Dann ist es ein frohes Fasten, ganz nach der Botschaft Jesu.