Angela (li), Günther (Mitte) und Bea (2. v. re) haben die Diagnose Demenz bekommen. In der Selbsthilfegruppe PROMENZ finden sie Lebensfreude. Reingard Lange (2. v. li) und Monika Kripp (re) sind PROMENZ-Unterstützerinnen.
Angela (li), Günther (Mitte) und Bea (2. v. re) haben die Diagnose Demenz bekommen. In der Selbsthilfegruppe PROMENZ finden sie Lebensfreude. Reingard Lange (2. v. li) und Monika Kripp (re) sind PROMENZ-Unterstützerinnen.
Bea, Angela und Günther haben eines gemeinsam: die Diagnose Demenz. Vieles ändert sich dadurch, aber nicht alles zum Schlechten. Denn wenn der Kopf nicht mehr ganz mitspielt, lebt man oft gelassener und fröhlicher.
Bea war Ende 50 und arbeitete als Ärztin mit Suchtkranken. Es fiel ihr alles immer schwerer und mit dem Computer kam sie gar nicht mehr zurecht. Oft brach sie in Tränen aus. Schließlich wurde sie zur Untersuchung geschickt, „leichte Demenz“ lautete das Ergebnis.
„Wenn man mit 58 so eine Diagnose bekommt, ist man sehr Alzheimer-verdächtig. Aber noch erkenne ich meinen Lebensgefährten und meine beiden Töchter“, sagt Bea jetzt, mit 71 Jahren.
Alle zwei Wochen trifft sie sich mit Menschen, die eine ähnliche Diagnose bekommen haben und wie sie noch weitgehend selbständig sind, in Österreichs einziger Selbsthilfegruppe PROMENZ
Heute ist wieder ein Treffen und eine fröhliche, bunte Gruppe sitzt um einen Tisch, alle tragen Namensschildchen. Vor Bea liegen zwei aufgeschlagene Notizbücher, in die sie eifrig mit Bleistift schreibt: „Das sind meine Tricks“, sagt sie, „ich schreib‘ immer alles mit, meine Wohnung erstickt in Zetteln und Heften.“
Ihr gegenüber hat Angela Platz genommen. Ihre Vergesslichkeit machte ihr am Anfang schwer zu schaffen: „Ich war sehr böse auf mich und habe mir selber Druck gemacht.“
Als sie merkte, dass sie sich auf ihren Kopf nicht mehr ganz verlassen konnte, entdeckte sie ihr Bauchgefühl: „Dieses Bauchgefühl erlaubt mir ein ganz anderes, entspanntes, freudigeres Leben und soweit man in einer Demenz glücklich sein kann, würde ich sagen, ich bin heute glücklich. Dieses Glück habe ich früher mit dem Kopf gesucht, aber nicht gefunden.“
Angelas Mutter war auch an Demenz erkrankt. „Sie hat nie etwas gesagt. Ich glaube, sie hat ihre ganze Kraft verwendet, um es nicht zu zeigen. Das ist das Schlimme, wenn keiner spricht.“
Angela hat sich bewusst für den anderen Weg entschieden und ihre Familie und Freunde informiert. „Ich mache sehr, sehr gute Erfahrungen damit, es ist um vieles leichter.“
Günther geht ebenfalls offen mit seiner Erkrankung um. Seine Partnerin (sie möchte ihren Namen nicht nennen) stellt immer wieder fest, dass sich die Gesellschaft überhaupt nicht in die Situation vergesslicher Menschen einfühlen kann: „Günther hat vor Kurzem im Kino eine Jacke vertauscht. Es war äußerst kompliziert zu erklären, wie es passieren kann, dass man eine blaue mit einer schwarzen Jacke verwechselt. Da wünsche ich mir einfach mehr Verständnis, mehr Präsenz von diesem Thema und mehr Unterstützung.“
Günther ist Anfang 50. Vor etwa fünf Jahren machte sich die Demenz bei ihm bemerkbar, bald konnte er nicht mehr arbeiten und musste seine Firma verkaufen.
Er geht sehr gern ins Kino – am liebsten in alte Filme, „damit man sich wieder erinnert“ – und mehrmals in der Woche wandert er. Letzte Woche ist er durch den Neuschnee am Kahlenberg gestapft. „Wunderschön“, sagt er und seine Augen leuchten. Er hat Berge in vielen Ländern erklommen und erinnert sich daran bis heute sehr gut und gerne. Einmal noch will er eine große Reise machen, in ein paar Tagen geht es los. „Ich freu‘ mich, dass ich das nochmal machen kann. Später muss man vielleicht kleinere Brötchen backen.“
Während Günther der großen Unternehmung unbekümmert entgegensieht, macht sich seine Partnerin enorme Sorgen. Die Vorbereitungen, vom Visum bis zum Bergführer, von der Ausrüstung bis zum Packen, muss sie alleine bewältigen und dabei immer für Günther mitdenken. „Menschen mit Demenz können einem ganz viel geben, weil sie vieles anders empfinden, viel mehr im Moment leben und mit vielem lässiger umgehen können.
Aber es ist unglaublich anstrengend, diesen Alltag mitzutragen. Denn bei allem, was ich tue, muss ich mit zwei Köpfen denken.“
„Ich finde es ganz wichtig, dass man akzeptiert und lernt, dass bei dieser Erkrankung die Angehörigen mehr leiden als die Betroffenen“, sagt Bea und legt den Bleistift auf ihre Notizbücher. „Ich war ganz betroffen, als ich gemerkt habe, wie belastend man für andere ist, wenn man diese Art von Erkrankung hat. Ich halte es für ganz wichtig, das in die Gesellschaft zu tragen.
Es sind die Angehörigen, die Unterstützung brauchen, weil uns geht’s eh ganz gut.“ Sie lacht. „Jeder hat Stärken und Schwächen“, sagt Bea, „und die darf man auch haben.
Wichtig ist, dass man mit seinem Leben zufrieden ist – und zwar man selbst, nicht die Eltern, Kinder oder der Ehepartner. Ich möchte mit meinem Leben zufrieden sein. Das ist nicht leicht, weil ich hab‘ auch viel Blödsinn gemacht.
Als Ärztin habe ich gemerkt, die, die mit ihrem Leben zufrieden waren, sind lächelnd in die andere Welt hinübergegangen – wo immer die ist.“
PROMENZ ist ein Zusammenschluss von Menschen mit Vergesslichkeit und UnterstützerInnen. Die Gruppe trifft sich alle zwei Wochen zum Erfahrungsaustausch und zu Unternehmungen.
Wann? jeden zweiten Dienstag, 15-17 Uhr
Nächster Termin: 20. März
Wo? Kardinal König Haus, Kardinal König Platz 3, 1130 Wien (bis auf Weiteres)
Vor Ihrem ersten Besuch kontaktieren Sie:
Monika Kripp: 0664/421 61 71 oder
Reingard Lange: 0664/430 31 51
Ab Ende April wird es weitere PROMENZ-Treffen in Klosterneuburg geben.
Info: promenz.at
PROMENZ sucht einen Gruppenraum und UnterstützerInnen, die zu den Treffen begleiten, Fahrtendienste übernehmen und für diese ehrenamtliche Initiative spenden.
Empfänger: PROMENZ
IBAN: AT08 2011 1837 3687 3800
BIC: GIBAATWWXXX
Vergesslich, aber lebensfroh.
Die Sendung von Monika Fischer hören Sie am Samstag, 10. März 2018, von 19 - 20 Uhr.
DaCapo am Mittwoch, 14. März, von 19 - 20 Uhr.
Nachhören auf www.radioklassik.at als podcast unter Passionswege.
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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