„Glauben bedeutet: Manchmal auch stolpernd meinen Weg weitergehen in der Hoffnung, dass Gott mich begleitet, selbst wenn ich ihn nicht immer spüre.“
„Glauben bedeutet: Manchmal auch stolpernd meinen Weg weitergehen in der Hoffnung, dass Gott mich begleitet, selbst wenn ich ihn nicht immer spüre.“
In der Trockenheit der Wüste erinnert sich Jesus an die Zusage, die er im erfrischenden Wasser des Jordan so hautnah erlebt hatte.
Ohne das Wort
wird jedes Brot hart wie Stein
Am Unausgesprochenen
beißt du dir die Zähne aus
Das über das Brot gesprochene Wort aber verwandelt alles
Allmachtsphantasien beherrschen dich
und schrauben dich hoch
bis in den Größenwahn
Du scheinst absolute Spitze
Wirklich aber bist du nur
in deinen Grenzen
Es gibt keine Liebesbeweise
und Gnade ist nicht nachprüfbar
in Experimenten mit dem freien Fall
Wirst du jedoch schon mitten im Absturz
wie von unsichtbarer Hand
noch einmal aufgefangen
dann glaube an das Wunder der Liebe
Aus: Andreas Knapp,
Weiter als der Horizont, Echter-Verlag, S. 39
Der Weg durch die Wüste bringt Durststrecken mit sich. Die unabsehbar lange Wanderung lässt Langeweile aufkommen. Da ich mich durch Äußeres kaum ablenken kann, verfalle ich auf innere Auswege: Ich träume vom Glück, das mich anderswo erwartet.
Ich flüchte mich in Phantasien. Eine alte Strategie: Wenn wir uns klein und ohnmächtig fühlen, dann locken uns die Allmachtsphantasien und wir malen uns aus, wie Erfolge und Leistungen uns groß machen.
Die zentrale Versuchung des Menschen besteht darin, dass er nicht er selbst sein will. In der biblischen Erzählung von Adam und Eva wird den beiden die Verlockung, sie würden sein wie Gott, zur Falle. Ihre Gier reizt sie zum Griff nach einer Frucht, die ihnen nicht zusteht.
Sie wollen das menschliche Maß überschreiten. Die Urversuchung des Menschen heißt: Maßlosigkeit.
Auch Jesus hat sich in der Wüste dieser Versuchung stellen müssen. In der Taufe am Jordan hatte er die beglückende Erfahrung gemacht, der von Gott geliebte Sohn zu sein. Doch kaum war diese Stimme verklungen, wird Jesus in die Wüste geführt, wo ihn ganz andere Einflüsterungen bedrängen.
Die erste Versuchung lautet: Wenn Gott mich vielleicht doch nicht liebt, dann muss ich für mich selbst sorgen. Die teuflische Stimme ruft Jesus in Erinnerung, dass er über große Fähigkeiten verfügt: „Du kannst Steine in Brot verwandeln!“ (vgl. Lk 4,3).
Du brauchst Gott gar nicht, sondern du kannst autonom leben, von deinen eigenen Gaben und Fähigkeiten. Du bist ein reiner Selbstversorger!
Jesus wehrt diese Versuchung ab, indem er an den menschlichen Hunger nach Liebe erinnert. Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, das er sich selber leisten kann, sondern er lebt vom Wort, vom Zuspruch, von einer Liebeserklärung.
Das entscheidende Wort wird uns von Gott geschenkt, der jeden Menschen segnet, das heißt, ihm sein Wohlwollen verspricht.
In der zweiten Versuchung führt der Teufel Jesus auf einen hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche dieser Erde. Er will sie ihm geben, wenn er dafür auf die Knie fällt und ihn anbetet.
Seinen Selbstwert würde Jesus dann nicht mehr in sich finden, sondern von etwas Äußerem her erhalten, etwa von der Macht über die ganze Welt. Letztlich heißt dies: Ich bin selbst gar nichts wert und knie daher vor anderem nieder.
Die einzige Anbetung aber, die wirklich frei macht, ist die Anbetung Gottes. Denn das Schöpfungswort Gottes lautet: „Sei, der du bist!“ Gott anbeten heißt, den Schöpfer als meinen wahren Ursprung anerkennen.
Aus dieser Anbetung folgt, dass ich mich selbst annehmen kann als Geschenk aus Gottes Hand. Ich brauche weder Titel noch Prestige noch Einfluss auf andere Menschen, um jemand zu sein, sondern ich bin Gottes geliebtes Kind.
In vorbildlicher Weise baut Jesus auf Gott als seinen inneren Halt, dem er ganz und gar vertraut.
Die dritte Versuchung besteht darin, von Gott einen Liebesbeweis zu fordern. Der Versucher führt Jesus auf die Zinne des Tempels und fordert ihn auf: „Stürz dich hier hinunter! Wenn Gott dich liebt, wird er dich schon auffangen“ (vgl. Lk 4,9–12).
Hier lauert die Versuchung, sich der Zuneigung Gottes zu versichern. Denn wer weiß: Vielleicht meint es Gott am Ende doch nicht gut mit mir? Solches Misstrauen mündet in Erpressung: „Wenn du das und jenes nicht tust, dann liebst du mich nicht mehr!“
Dagegen stellt Liebe, die diesen Namen verdient, weder Forderungen noch Bedingungen. Natürlich kennt jeder Mensch das bange Fragen, ob die Liebe des andern echt und von Dauer ist. Und doch: Einer Liebe kann man nur glauben. Dieser Glaube ist und bleibt ein Geschenk.
Ich kann es nicht machen – und dennoch etwas dafür tun, um dieses Geschenk zu erhalten und zu bewahren. Indem ich mir etwa die geglückten Augenblicke wieder in Erinnerung rufe, in denen ich diese Liebe ganz ursprünglich gespürt habe.
Jesus erinnert sich in der Trockenheit der Wüste an die Zusage, die er im erfrischenden Wasser des Jordan so hautnah erlebt hatte: Die Taufe hatte ihn als ein Geschenk überströmt, ohne Vorleistung und Bedingung.
In der Kraft dieser Erinnerung widersteht er der Versuchung, sich vom Tempel zu stürzen. Er hält die Unsicherheit aus, die der Glaube an Gott mit sich bringt.
Glauben bedeutet: Manchmal auch stolpernd meinen Weg weitergehen in der Hoffnung, dass Gott mich begleitet, selbst wenn ich ihn nicht immer spüre. Um am Ende sagen zu können: Ich habe der Liebe geglaubt! (vgl. 1 Joh 4,16).
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