Im Fasten öffnet sich der Mensch der Wirklichkeit, besonders auch der eigenen Wahrheit.
Im Fasten öffnet sich der Mensch der Wirklichkeit, besonders auch der eigenen Wahrheit.
Am Aschermittwoch beginnt die vierzigtägige Fastenzeit. Aber warum und wie gestalten Christen heute diese Zeit der "Buße und Umkehr"? Drei Zugänge dazu, tauglich auch die Krisenzeit gut zu leben.
Schon 50 Tage vor dem heutigen Aschermittwoch hat sich eine Gruppe von Freunden auf den Weg gemacht: Fasten, Beten, konkrete Nächstenliebe, sind die drei Säulen des Programmes „Exodus 90“, das sich am Auszug Israels aus der Sklaverei in Ägypten orientiert.
Helmut Reiter, er geht diesen Weg heuer bereits zum zweiten Mal, betont, das Entscheidende sei der Weg zu größerer Freiheit, zu einer lebendigeren Gottesbeziehung. Das Programm ist ein anspruchsvoller Mix aus Gebet, asketischen Übungen und regelmäßigem Austausch untereinander. Besonders wichtig: der möglichst tägliche Austausch mit einem Freund aus der Gruppe.
Um durchzuhalten sei es allerdings wichtig, noch vor Beginn ein klares Ziel zu definieren: "Wozu und für wen will ich diese Wochen gehen?" Jeder der Teilnehmer hat sein eigenes Thema: mehr Struktur im eigenen Leben, mehr Zeit für Frau und Kinder, eine größere Unabhängigkeit von sozialen Medien, größere Gelassenheit, eine größere Freiheit von Genussmitteln.
Auch die Belastungen der Coronazeit seien dabei kein Hindernis. Reiter betrachtet das Programm im Gegenteil als hilfreich, gerade Krisenzeiten mit größerer Gelassenheit und Zuversicht zu bestehen. Natürlich kennt auch er Durststrecken, aber da komme der Aspekt der Gemeinschaft ins Spiel: “Wenn Du siehst, alle kämpfen wie Du, dann wird es deutlich leichter, allen Widerständen zum Trotz weiterzumachen.“
Der Wiener Psychotherapeut Dr. Dominik Batthiány sieht Fasten ähnlich sportlich wie Reiter und seine Freunde. Er spricht vom Training des „Verzichtsmuskels“. Fasten sei die Fähigkeit auf Abstand zu gehen und mit sich und seiner Umwelt Frieden zu machen. Friede, so der Psychotherapeut ist ohne Verzicht nicht zu haben.
Nur wer auf kurzfristige Befriedigung verzichten kann, kann auch die einfachen aber wesentlichen Dinge, die sein Leben ausmachen, genießen. Dabei ist Fasten nicht notwendigerweise bloße Einschränkungen in der Ernährung. Jede Art von bewusstem Verzicht auf schnelle Ablenkung und Bedürfnisbefriedigung eröffnet den Weg zu einer größeren Freiheit. Hilfreiche Arten des Fastens gerade in Coronazeit können Übungen sein wie
Fasten, Verzicht, Askese ist aus der Sicht des Therapeuten ein Weg, sich dem Leben vertrauensvoll zu überlassen und es „zu umarmen“. Im Fasten öffnet sich der Mensch der Wirklichkeit, besonders auch der eigenen Wahrheit, so Batthiány. Dabei falle einerseits Ballast ab, andererseits kommen auch Ängste und Belastungen hoch, die bearbeitet werden wollen. Daher kann es wichtig werden, Begleitung zu suchen.Fasten, bedeutet, so gesehen, bestimmte Lebensbereiche genauer in den Blick zu nehmen und Herausforderungen anzunehmen mit dem Ziel, Autonomie und Freiheit zu gewinnen.
Aus der geistlichen Tradition des christlichen Mönchtums schöpft Priorin Ancilla Betting von der Zisterzienserinnenabtei Marienkron im Burgenland. Sie zitiert den Hl. Benedikt von Nursia, der die Fastenzeit als eine Zeit der Sehnsucht und der Freude bezeichnet. Das Ziel heißt Ostern und Auferstehung. Folgerichtig meint Benedikt, solle das ganze Leben der Mönche und Nonnen eine Fastenzeit sein.
„In uns allen allen steckt ein Verlangen, ein Sehnen, das von all dem irdischen Glück nicht abgedeckt wird“ sagt Sr. Ancilla und fügt hinzu: „Vielleicht sind wir einfach gesättigt oder vollgepfropft und das spüren wir. Die Sehnsucht nach einem anderen Leben wird dadurch geweckt.“ Fasten könne so helfen, „der tiefsten Sehnsucht in mir zu folgen, die etwas ahnt von der ursprünglichen Harmonie zwischen Leib und Seele.“ Und gefragt, wie sie als Nonne nach den vielen Jahren im Kloster die Fastenzeit erlebe, meint sie: „Für mich persönlich ist die Fastenzeit im Kloster immer eine Zeit, auf die ich mich freue, nicht nur, weil es Frühling wird. Für mich ist es eine Zeit erhöhter Konzentration auf Wesentliches und des Neuanfangs im geistlichen Bemühen. Es ist eine Zeit, in der die Sehnsucht wachsen kann.“
Aber ist es denn in der Krisenzeit zumutbar, zu fasten? Sollte man da wirklich noch mehr Verzicht auf sich nehmen? Darauf die Priorin: „Ich soll gar nicht fasten, ich möchte es, weil es mir hilft auch die Pandemie gut zu leben. Bin ich bei mir und in mir, kann ich auch gut in dieser Zeit leben. Fasten kann in dieser Zeit ja auch sein, bewusst in der Bibel zu lesen und entschieden dran zu bleiben. Oder ich sehe diese Zeit als Wüstenzeit, in der es aber auch immer mal wieder Oasen gibt.“