Trauer. Schmerz. Der Glaube befreit nicht davon. Doch die Klage erreicht ein göttliches Du. - Die Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein, bedeutet, dass auch die dunklen Empfindungen und Gedanken zu ihrem Recht kommen dürfen.
Trauer. Schmerz. Der Glaube befreit nicht davon. Doch die Klage erreicht ein göttliches Du. - Die Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein, bedeutet, dass auch die dunklen Empfindungen und Gedanken zu ihrem Recht kommen dürfen.
Was für ein Glück, wenn ich auch mal unglücklich sein darf, denn es gibt gute Gründe, traurig zu sein.
Bartimäus
überlege es dir gut
ob du wirklich sehen willst
viel schreckliches kennst du
bislang nur vom hörensagen
willst du wirklich
fremdes leiden mit ansehen
und der ungerechtigkeit
der welt
ins auge blicken
sehen will ich Herr
augenblicklich
dich anschauen
und mit dir im blick
fürchte ich nicht
alles zu sehen
Aus: Andreas Knapp, Heller als Licht. Biblische Gedichte
Mein Freund, der Staatsanwalt, ist ein Geschenk des Himmels. Sein Lächeln ersetzt mir den Whisky. Es ist ein fast unmerkliches Lächeln, das den Partner von vielem Getue erlöst, und es lässt ihn sein. Wie rar ist solches Lächeln! Nur wo einer selbst einmal geweint hat und sich selbst zugibt, dass er geweint hat, erblüht so ein gutes, in seinem Wissen sehr präzises … Lächeln.“
Dies notiert Stiller, der Protagonist des gleichnamigen Romans von Max Frisch, in seinen Haftaufzeichnungen. Als Jugendliche habe ich das Buch gelesen, und seitdem hat mich die Beschreibung nicht mehr losgelassen: ein Lächeln, dem man seine geweinten Tränen ansieht. Eine Heiterkeit, in der Lachen und Weinen, Singen und Klagen Platz haben. Diese Heiterkeit hat es schwer in einer Gesellschaft, der es um möglichst viel Spaß und Genuss geht.
Glück wird gleichgesetzt mit ununterbrochen „positiven“ Emotionen und angenehmen Erfahrungen. Und man meint, dies bewerkstelligen zu können. Doch das ist eine Märchenerzählung ersten Ranges! Vor allem aber übt die Annahme, dass Glück herstellbar sei, einen ungemeinen Druck aus. Denn wo es die Freiheit gibt, das eigene Glück zu suchen, da entsteht der Zwang, es gefälligst auch zu finden.
Die Erwartung, dass das Leben aus Spaß besteht, lässt daher alle, die sich unglücklich fühlen, gleich dreifach leiden: Erstens sind sie unglücklich. Zweitens müssen sie sich Vorwürfe anhören, dass sie sich nicht genügend für ihr Glück anstrengen. Und drittens tendieren viele dazu, sich selbstkritisch zu beäugen, denn: „Alle anderen sind glücklich, nur ich nicht! Was mache ich bloß falsch?“
Es klingt paradox, trifft aber zu: Viele wären glücklicher, wenn sie auch mal unglücklich sein dürften. Die Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein, bedeutet, dass auch die dunklen Empfindungen und Gedanken zu ihrem Recht kommen dürfen.
Es gibt gute Gründe, traurig zu sein! So zeigt ein realistischer Blick die Unausweichlichkeit des Leidens. Vieles, was unglücklich macht, bricht ungefragt herein: der Verlust des Arbeitsplatzes, ein schwerer Unfall, gesellschaftliche Konflikte …
Traurigsein kann aber auch damit zusammenhängen, dass wir eine Situation verfehlt haben. Etwa wenn jemand die Gelegenheit verpasst hat, einer anderen Person seine Liebe zu gestehen. Vor allem meldet sich Trauer zu Wort, wenn der Abschied von einem vertrauten Menschen ansteht: Wenn die Kinder das Haus verlassen. Wenn der Partner oder die Partnerin beruflich mehrere Monate ins Ausland reisen muss. In all diesen kleinen Abschieden klopft der ultimative Abschied an die Tür: der Tod.
Traurig sein zu können ist ein Zeichen seelischer Gesundheit und spricht für einen realistischen Blick auf die Wirklichkeit.
Befreit der Glaube von Trauer und Schmerz? – Nein! Im Gegenteil: Der Glaube an Gott macht vielfach sogar unglücklich. Gott selbst macht unglücklich!
Gott hat uns aufgefordert, groß vom Menschen zu denken. Er hat uns ermöglicht, uns als Töchter und Söhne Gottes zu glauben und zu achten. Doch je mehr wir Gott Glauben schenken und je größer wir vom Menschen denken, umso skandalöser wird, was Menschen einander antun. Und umso stärker verwundet das Schweigen Gottes. Es lehrt uns den Kreuzes-Schrei: „Wo bist du, Gott? Sei endlich Gott!“
Ein Erstes kann darin liegen, dass ich