Der Engel und die Frauen beim leeren Grab (Russisch-Orthodoxe Kathedrale Wien).
Der Engel und die Frauen beim leeren Grab (Russisch-Orthodoxe Kathedrale Wien).
Seit fast zweitausend Jahren prägt der Glaube an die Auferstehung Jesu das Christentum. Ebensolange wird dieser Oster-Glaube auch angezweifelt. Für den Bochumer Neutestamentler Thomas Söding ist das leere Grab die größte Überraschung der Welt. Und er unterstreicht, warum die biblischen Frauen beim Grab wichtig sind.
Was Ostern für einen Neutestamentler bedeutet, will ich von Thomas Söding wissen. „Ich freue mich auf Ostern“, sagt der Bochumer Bibelwissenschaftler zum SONNTAG: „Aber ich brauche alles: den Aschermittwoch mit dem ,Gedenke Mensch, du bist Staub und kehrst zum Staub der Erde zurück’, die Fastenzeit, den Palmsonntag mit dem Spannungsbogen vom: ,Hosanna’ bis zum: ,Kreuzige ihn’, den Gründonnerstag mit der Fußwaschung, den Karfreitag mit der Passionsgeschichte und der Kreuzverehrung – und dann die Feier der Osternacht. Und dann geht es ja weiter mit den Osterevangelien.“ Söding weiters: „Wenn dann noch Kirche und Familie zusammenkommen können: Ich lebe davon...“
„Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“, schreibt Paulus im Ersten Korintherbrief (15. Kapitel, Verse 13-14). Wie geht ein Theologe mit dieser gewaltigen Aussage Tag für Tag um?
Dankbar, dass Paulus so auf den Punkt formulieren konnte. Und nachdenklich, ob es gelingt, die unbändige Freude zu spüren und zu vermitteln, die Ostern verbreitet. Paulus spricht ja nicht von einem Zauberkunststück, dass Gott irgendwann einmal vorgeführt hat. Er spricht davon, dass sich die Welt von Grund auf verändert. Die Auferweckung Jesu verändert alles: und zwar zum Guten.
Was ist der theologische Kern des Osterglaubens?
Die Liebe ist stärker als der Tod. Jesus hat so gelebt, dass er nicht nur mit seinen Worten und Taten, sondern mit seiner ganzen Person die Nähe Gottes zu den Menschen vermittelt hat. Mit seinem Tod am Kreuz schien diese wunderbare Botschaft aus zu sein, eine schöne Seifenblase, die geplatzt ist. Aber es kommt anders: Gott ist ein Gott des Lebens. Jesus hat sein menschliches Gesicht gezeigt. Das hat Ewigkeitswert.
Hätte der Osterglaube in Jerusalem bestehen können, wenn es ein Grab mit dem Leichnam Jesu gegeben hätte?
Keinen Moment – wenn es die leibhaftigen Erscheinungen des Auferstandenen sind, die den Osterglauben begründet haben. Viele, die das leere Grab ins Reich der Legende verbannen, sind deshalb insofern konsequent, als sie vermuten, das Grab sei unbekannt geblieben und Jesus vielleicht nur verscharrt worden., Aber dann muss man tief ins Fleisch der Passionsgeschichte schneiden. Die Evangelien stehen an der Seite der Frauen aus Galiläa.
Setzt dieser Osterglaube damit das leere Grab voraus?
Der Osterglaube setzt den lebendigen Gott voraus. Das leere Grab ist kein Beweis, kann es gar nicht sein: Kann man etwa Gott beweisen? Aber das leere Grab ist im Neuen Testament ein Indiz. Man kann sich viele Erklärungen denken: Irrtum, Leichendiebstal, Umbettung. All diese Theorien werden im Neuen Testament diskutiert.
Aber glaubwürdig ist nur die unglaublichste Erklärung, die auf die Frauen zurückgeht: Das Grab war leer, weil Jesus von den Toten auferstanden ist. Hätte man das erfinden wollen, hätte man alles machen dürfen, nur nicht ausgerechnet Frauen, die in der Antike, leider Gottes, nichts galten, in die entscheidende Position bringen.
Welche Rolle spielt die in allen Evangelien berichtete Auffindung des leeren Grabes Jesu am Ostermorgen?
Es ist die größte Überraschung der Welt. Die Frauen, die sich – eine ganz konventionelle Rolle – auf den Weg machen, um das Grab zu besuchen oder gar noch den Leichnam nachträglich zu salben, erleben, was ihre Welt sprengt und eine Schnittstelle zwischen Himmel und Erde anzeigt.
Das leere Grab setzt das volle Grab voraus. Das ist der eigentliche Skandal: dass der Messias wirklich gestorben ist. Der Blick darf aber nicht am Grab kleben. Im Lukasevangelium wird die Gefahr thematisiert: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Die Ostergeschichte geht weiter, bis heute.
Welche „Aufgaben“ haben dabei die Frauen, die das leere Grab vorfinden, wo doch ihr Zeugnis im jüdischen Kontext wenig bis nichts galt? Warum erwähnen die Evangelisten trotzdem die Frauen Jahrzehnte nach der Auferstehung in ihren Evangelien?
Am überzeugendsten ist die Erklärung: Weil es so war. Selbstverständnis werden nicht O-Töne protokolliert. Der Glaube formt das Erzählen, aber nicht der Phantasie, sondern der Erinnerung folgend. Lukas erzählt, dass die Apostel den Frauen anfangs keinen Glauben geschenkt haben. Das Thema ist bis heute nicht durch. Der tiefe Grund ist die Auferstehungsbotschaft selbst, die alle menschlichen Erklärungen in Frage stellt.
Der Osterglaube ist schon bei den Aposteln von Zweifel begleitet. Wie finden heute Zweifler Zugang zu diesem Grundgeheimnis des Christentums?
Ohne den Zweifel gibt es keinen Glauben, ohne den Glauben keinen Zweifel. Mir ist jeder Fundamentalismus fremd, der so tut, als ob es keine Fragen geben dürfe und die Osterbotschaft wasserdicht bewiesen werden könnte oder vollkommen absurd sei. Wäre das so, würde Gott auf ein menschliches Maß reduziert oder Menschen würden sich eine Definitionsmacht über Gott zuschreiben. Die Osterbotschaft besagt das Gegenteil. Sie hält Räume der Freiheit offen – bis über den Tod hinaus.
Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wohin man ihn gelegt hat.
▶ Matthäusevangelium 28,1-3.5-6:
Nach dem Sabbat, beim Anbruch des ersten Tages der Woche, kamen Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Aussehen war wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee... Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch den Ort an, wo er lag!
Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht.
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Ein wichtiges Zeichen für alle
Was der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) sagt...
1. Das leere Grab
Nr. 640: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,5-6).
Das erste Element, auf das wir im Rahmen der Osterereignisse stoßen, ist das leere Grab. Es ist an und für sich kein direkter Beweis. Dass der Leichnam Jesu nicht mehr im Grab lag, ließe sich auch anders erklären [Vgl. Joh 20,13; Mt 28,11-15].
Trotzdem war das leere Grab für alle ein entscheidend wichtiges Zeichen, und seine Entdeckung durch die Jünger der erste Schritt zu der Einsicht, dass Christus tatsächlich auferstanden ist, wie das zuerst bei den heiligen Frauen [Vgl. Lk 24,3.22-23] und sodann bei Petrus [Vgl. Lk 24,12] der Fall war.
Der „Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 20,2) sagt, er habe, als er in das leere Grab eingetreten sei und „die Leinenbinden liegen“ gesehen habe (Joh 20,6), „gesehen und geglaubt“ (Joh 20,8).
Das setzt voraus, dass er am Zustand des leeren Grabes festgestellt hat [Vgl. Joh 20,5-7], dass das Fehlen des Leichnams Jesu nicht auf die Tat von Menschen zurückzuführen sei und dass Jesus nicht einfach, wie Lazarus [Vgl. Joh 11,44], in ein irdisches Leben zurückgekehrt war.
2. Niemand war Augenzeuge
Nr. 647: „O wahrhaft selige Nacht“, jubelt das „Exsultet“ der Ostervigil, „dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand von den Toten“.
In der Tat war niemand Augenzeuge des Ereignisses der Auferstehung selbst, und kein Evangelist schildert sie. Niemand konnte sagen, wie sie äußerlich vor sich ging. Noch weniger aber konnte ihr inneres Wesen, der Übergang in ein anderes Leben, durch die Sinne wahrgenommen werden.
Obwohl sie ein Ereignis war, das sich durch das Zeichen des leeren Grabes und durch die Wirklichkeit der Begegnungen der Apostel mit dem auferweckten Christus feststellen ließ, bleibt die Auferstehung in dem, worin sie über die Geschichte hinausgeht, im Herzen des Glaubensmysteriums.