Das Wunder des ersten Pfingsttages, an dem der Heilige Geist die Apostel befähigte, das Evangelium „in allen Sprachen“ zu verkünden, ist auch heute in der Wiener Kirche aktuell: In immer mehr Sprachen werden „die großen Taten Gottes“ (Apg 2,11) verkündet.
Für viele bleibt der Inhalt des Pfingstfestes schwer fassbar. Der Heilige Geist und seine Herabkunft auf die Jünger bleiben unanschaulich und schwer in unsere Alltagserfahrung übersetzbar. Schon die Apostel wussten ihre Erfahrung vor allem in Bildern zu beschreiben, etwa mit Metaphern wie „gewaltiges Brausen“ und „Feuerzungen“, die das Überwältigende und Unfassbare ihrer Erfahrung vermitteln wollen. Aber auch diejenigen, die nicht direkt dabei waren, waren von der Wirkung des Pfingstereignisses beeindruckt. Jeder konnte die Botschaft der Apostel in seiner Muttersprache verstehen, Gott hat sich an Pfingsten in allen Sprachen verständlich gemacht.
Ein afrikanischer Kirchenvater des 6. Jahrhunderts stellt in einer Pfingstpredigt die Frage: „Wenn du den Heiligen Geist empfangen hast, warum sprichst du dann nicht in vielen Sprachen?“ Er beantwortete seine eigene Frage, indem er erklärte, dass er dies eigentlich erst dann tue, wenn die Kirche das Evangelium weltweit in allen Sprachen verkünde. Bis heute spricht die Kirche in den Sprachen aller Völker. In unserer globalisierten und pluralistischen Gesellschaft, besonders in den Städten, ist dies mehr denn je der Fall.
Das bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Fremde Sprachen und Unbekanntes können Angst auslösen, Distanz schaffen. In der Liturgie am Vorabend des Pfingstfestes wird dies in der Erzählung vom Turmbau zu Babel und der darauf folgenden Verwirrung der Sprachen thematisiert. Die Komplexität der Mehrsprachigkeit wird hier zur Ursache von Spaltung und Unverständnis. Die Versöhnung der Unterschiede und das gegenseitige Verstehen ist das Werk des Heiligen Geistes. So erfährt es die Menge durch die begeisterten Jüngerinnen und Jünger.
Die Kirche in Wien erlebt in den letzten Jahrzehnten einen Aufschwung fremdsprachiger Gemeinden. In mehr als vierzig Sprachen wird Gottesdienst gefeiert und das Evangelium verkündet, auch in verschiedenen ostkirchlichen Riten. So viele Sprachen gab es wohl noch nie in der kulturell bunten Geschichte unserer Stadt. Auch unter den Priestern, Diakonen, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in unseren Pfarren und diözesanen Dienststellen sind verschiedene Muttersprachen Realität. Die verschiedenen Sprachen, Kulturen, liturgischen und theologischen Ausdrucksformen sind Ausdruck der Vielfalt in der Einheit und der Einheit in der Vielfalt.
Diese Erfahrung war auch die Inspiration für das diesjährige Pfingstvideo: Die Pfingsterzählung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 2, 1-11, wird von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Erzdiözese in 10 verschiedenen Sprachen gelesen. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dass die bunte Vielfalt unseres kirchlichen Lebens in Wien in Zukunft noch deutlicher ins Bild kommt.