Zu Weihnachten ergeht die Verkündigung des Neugeborenen zunächst an das Gottesvolk: an einfache Menschen wie die Hirten, aber auch an den politischen Machthaber Herodes und die religiösen Autoritäten des auserwählten Volkes.
Zu Weihnachten ergeht die Verkündigung des Neugeborenen zunächst an das Gottesvolk: an einfache Menschen wie die Hirten, aber auch an den politischen Machthaber Herodes und die religiösen Autoritäten des auserwählten Volkes.
Wann begann man Weihnachten zu feiern? Was feiern wir an diesem Fest? Wie entwickelte sich Weihnachten? Theologin Ingrid Fischer erklärt.
Die Feier von Weihnachten entstand im 4. Jahrhundert in der Westkirche als Geburtsfest Jesu, das – so zwei gängige Hypothesen – entweder für den 25. Dezember berechnet wurde oder das römische Fest der unbesiegten Sonne (sol invictus) zur Wintersonnwende christlich neu gedeutet hat. Wie auch immer: Die Sonnenverehrung lag in der Spätantike voll im Trend.
Zur gleichen Zeit feierte man im Osten des römischen Reiches ein anderes Geburtsfest Jesu, nämlich Erscheinung des Herrn (Epiphanie) am 6. Jänner. Beide Feste verbreiteten sich nahezu in der gesamten Christenheit, schärften ihr jeweiliges Profil und werden bis heute gefeiert.
Inhaltlich verblieb die Geburtsthematik beim Weihnachtsfest, während das Erscheinungsfest weitere Motive an sich gezogen hat: den Besuch der Weisen aus dem Osten, die Taufe Jesu im Jordan und das erste Zeichen Jesu bei der Hochzeit zu Kana. Ebenso wie die weihnachtliche Jungfrauengeburt offenbaren diese drei Begebenheiten, dass Jesus von Anfang an „Sohn Gottes“ ist.
Adressaten der Frohen Botschaft sind alle: Israel und „die Vielen“. Zu Weihnachten ergeht die Verkündigung des Neugeborenen zunächst an das Gottesvolk: an einfache Menschen wie die Hirten, aber auch an den politischen Machthaber Herodes und die religiösen Autoritäten des auserwählten Volkes.
Zu Epiphanie hingegen leuchtet „ein helles Licht […] bis an alle Enden der Erde. Viele Völker werden aus der Ferne zu dir kommen und die Bewohner aller Enden der Erde zu deinem heiligen Namen. In ihren Händen werden sie ihre Gaben für den König des Himmels tragen.“ (Tob 13,11) Auch diese Fremden, darunter „Sterndeuter aus dem Osten“ (Mt 2,1), suchen und finden den Messias. Sie sind Repräsentanten jener „Völker“, aus denen später die Kirche „aus den Heiden“ gesammelt wird, der wohl die meisten von uns angehören.
Dennoch: Mehr als 300 Jahre lang kennt die Kirche kein Geburtsfest Jesu. Und auch nur zwei der vier Evangelien erzählen von seiner Geburt und Kindheit; alle vier hingegen verkünden das Erlösungswerk Gottes in der Auferweckung/Auferstehung des Gekreuzigten „für uns“.
Die Botschaft von Weihnachten versteht sich also von Ostern her: „Christus ist für uns gestorben, wurde begraben und auferweckt gemäß der Schrift.“ (vgl. 1 Kor 15,3-5) Christi Abstieg in das „Reich des Todes“ (ad inferos) ist der Tiefpunkt seiner Entäußerung in die Gottferne und wird zum Wendepunkt für die aus dem Tod erretteten Menschen: Ihm, dem Auferweckten, der „den Menschen gleich“ geworden war (Phil 2,7), sollen sie nun ähnlich werden. Denn „dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus dein göttliches Leben.“ So formuliert die dritte Präfation von Weihnachten das österliche Festgeheimnis von Weihnachten.
Viele Gläubige praktizieren indes eine Art „Weihnachts-Christentum“ (M. Morgenroth), in dem sich die Akzente doppelt – vom Kreuz zu Krippe und von Gott zum Menschen hin – verschoben haben: zum einen treten hier menschliche Existentiale wie Scheitern, Sünde und Tod hinter der Menschwerdung deutlich zurück; zum anderen geht es weniger um die Menschwerdung Gottes als um die Menschwerdung des Menschen.
Diese Auffassung mag zu kurz greifen, doch könnte sie in Zeiten bedrohter Humanität ein nicht zu verachtender Ansatz und guter Anfang sein. Zumal auch Agnostiker und manch erklärter Atheist das integrative und versöhnlich-friedenstiftende Potential des Weihnachtsfestes hoch veranschlagen: Sie sehen mit der unbedingten Forderung eines vorausgesetzten Glaubens „nicht nur nichts gewonnen, sondern viel verloren“. Also: „Wenigstens Weihnachten sollen uns die Christen lassen!“ – ? In gewisser Weise, gerne.
Über die Autorin:
Mag. DDr. Ingrid FISCHER hat in Wien zunächst Psychologie und Humanbiologie studiert (Promotion 1984) sowie nach mehrjähriger Kinderbetreuungszeit das Theologiestudium (Liturgiewissenschaft) in Wien (Promotion sub auspiciis praesidentis 2012) abgeschlossen. Seit 2002 ist sie Wissenschaftliche Assistentin der THEOLOGISCHEN KURSE mit Schwerpunkt Liturgik und Kirchengeschichte. Ihr primäres Anliegen ist die für einen mündigen Glauben und eine ansprechende Feierkultur elementare theologische Erschließung liturgischer Ausdrucksformen in der Geschichte und Gegenwart.
Interessante Artikel: