Oft verhalten wir uns wie die drei heiligen Affen von Benares: Wir sehen und hören und nichts und reden lieber nicht drüber.
Prof. Dr. iur. Rotraud A. Perner Univ. Prof. i.R. Visiting Professor der Donau Universität Krems |
Oft verhalten wir uns wie die drei heiligen Affen von Benares: Wir sehen und hören und nichts und reden lieber nicht drüber.
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Psychotherapeutin Rotraud A. Perner über die reuelose Gesellschaft. Und über das, was den Menschen gesund und was ihn krank macht.
Warum hat Reue eine reinigende Kraft? Wie geht Reue?
Perner: Reue reinigt die Seele von dem Gift der Lüge; diese besteht darin, Ursächlichkeiten, Schuld etc. nur bei anderen zu sehen oder gar zu suchen, eigene Anteile aber zu verleugnen. Damit meine ich aber nicht nur Anteile in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart wie Unsicherheit, Ausflüchten, Verteidigungzwang etc. Richtig wäre, sich wie auch anderen zuzugeben, dass einem etwas misslungen ist und dass man bereit ist, an der Bereinigung zu arbeiten. Leider reagieren viele Leute mit Triumphgefühlen und demonstrativer Unversöhnlichkeit, daher beginnt man sich zu schützen und oft auch zu verhärten und schadet so seiner Herzoffenheit und damit Gesundheit. Reue hingegen öffnet das Herz – und das tut weh, das Herz ist ja ein Muskel und Dehnung schafft ungeübten Muskelkater. Deswegen vermeiden dies viele.
Was heilt den Menschen, was macht ihn krank?
Perner: Wahrheit heilt. Lüge hingegen macht krank, weil dadurch die innere und die äußere Wahrheit auseinander fällt: man spürt körperlich, dass etwas nicht „stimmt“, aber wenn man nachfragt, bekommt man keine Antwort oder eine unglaubwürdige, meist aggressive, wird eingeschüchtert, erlebt Stresshormonausschüttungen und die stocken im Körper, wenn man seine innere Wahrheit nicht „aus-drücken“ darf. Manche tun das mit den Mitteln der Kunst – und wir alle könnten es mit den Mitteln des ehrlichen Gesprächs.
Oft verhalten wir uns wie die drei heiligen Affen von Benares: Wir sehen und hören nichts und lassen nichts verlauten... Haben wir noch ein Schuldbewusstsein?
Perner: Als Psychotherapeutin unterscheide ich zwischen Schuldgefühlen, die oft auf neuronalen Prägungen beruhen, und echter Schuld. Wir lernen schon in unserer Kindheit eher, auf Fehler folgt Strafe (statt Anleitung zur Schadensgutmachung) und damit Abstreiten anstatt Vertrauen, dass wir Hilfe zum Korrigieren bekommen. Als Juristin hingegen schaue ich mir Schuld genau an: Kein anderes verhalten erlernt? Unachtsam? Genervt? Fahrlässig? Grob fahrlässig? Absichtlich? Schuldhaftigkeit besitzt viele Facetten und Abstufungen. Aber wenn man ehrlich zu sich selbst ist, weiß man genau, weswegen man so und nicht anders gehandelt – dazu gehört auch: gesprochen – hat, beispielsweise aus Angst. aber wir verbergen oder verdrängen unsere Schuldeinsicht.
Ich sehe das als einerseits Folge unseres „Versicherungsdenken“ – „Macht nichts, die Versicherung kommt ohnedies dafür auf“ –, andererseits aus mangelnder Sprachkompetenz: unsere unbewussten Fluchtimpulse wandeln sich in Aggression und die verdoppelt die Angst, weil man weiß, dass man jetzt die Anstrengungen des Lügens auf sich lädt. Die drei Affen von Benares haben übrigens noch eine zweite Bedeutung: Nichts anschauen, nichts anhören, nichts aussprechen, was nicht „gut“ – ich meine: salutogen, gesundheitsfördernd – ist. Und: Es gibt noch einen vierten, verdrängten Affen, der mit seinen Händen den Unterleib bedeckt, was bedeutet: Nichts tun, was nicht gut ist.
Welche Chancen verbinden Sie mit dem katholischen Buß-Sakrament?
Perner: Als evangelische Christin maße ich mir keine Stellungnahme zu katholischen Sichtweisen an – ich merke halt nur sogar bei befreundeten katholischen Pfarrern eine Neigung zur Verdammung „störender“ Verhaltensweisen anderer und oft auch Selbstgerechtigkeit, und die schmerzt mich, weil sie mein Wohlwollen beschädigt. Als Protestantin sehe ich die Heilung in der Reue, in dem Erkennen der grundsätzlichen eigenen Sündhaftigkeit; Buße sehe ich zu oft nur als Verpflichtung zum Büßertum – und leider nicht als ein hilfreiches Ritual zu Verlangsamung und Vertiefung der Erkenntnis eigenen Fehlverhaltens.
Rotraud A. Perner Die reuelose Gesellschaft2013, Residenz |
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