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01.07.2019 · Glaube · Beichte

Lustgewinn – möglichst schnell

In der Wollust ist mir vollkommen wurscht, wie der andere ist: Hauptsache, ich habe die Gefühle, die ich haben will.  Es geht nicht darum, so und so viele sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben, mit wieviel unterschiedlichen Personen auch immer, sondern es geht um die Fähigkeit, jemanden anderen zu „erkennen“, so wie das Alte Testament es versteht, nämlich zu spüren, wie jemand ist. Wir sollten einander fördern.

Wollust oder Unkeuschheit bedeutet, den Menschen als ein Ding zu betrachten. Es geht dabei vor allem um sexuelle Lustgefühle. Eine ganzheitliche Sicht des geliebten Menschen beinhaltet hingegen den Blick auf Körper, Seele und Geist.

Die Wollust (lateinisch luxuria) ist eine sinnliche, sexuelle Begierde und Lust, die bei sexueller Aktivität, der Befriedigung oder bei sexuellen Phantasien erlebt wird. Wollust ist nicht nur körperliches Verlangen, sondern setzt auch erotische Phantasien frei. Diese ziehen starke Triebkräfte und Verlockungen nach sich.


Das Gegenstück ist die Keuschheit.

 


 

 

Es ist ein Wort, das im allgemeinen Sprachgebrauch kaum noch verwendet wird: „Wollust“. Laut dem Duden-Herkunftswörterbuch setzt sich das mittelhochdeutsche Wort „Wollust“ aus den Wörtern „Wohl“ und „Lust“ zusammen.

 

Die Verwendung des Wortes im erotischen Sinn meint „Freude, Wohlgefallen, Genuss“. „Wohl“ bedeutet eigentlich „erwünscht, nach Wunsch“. „Lust“ steht für „Verlangen, geschlechtliche Begierde“ bzw. für „angenehme Empfindung, Freude, Vergnügen“. Rotraud Perner, Juristin, Psychotherapeutin/Psychoanalytikerin, evangelische Theologin und Hochschulpfarrerin im Ehrenamt, erläutert im Gespräch mit dem SONNTAG die Dimensionen der Wollust bzw. Unkeuschheit als eine der sieben Wurzelsünden.

 

Was verstehen Sie als Therapeutin und als evangelische Theologin unter Wollust?


Rotraud Perner: Ich verstehe darunter vor allem, Menschen für den eigenen Lustgewinn zu missbrauchen.

 

Das kann konkret der sexuelle Lustgewinn sein, also Menschen zu verdinglichen und nicht in eine Beziehung hineinzugehen. Immer dann, wo mir der andere wurscht ist, immer dort, wo ich den oder die andere Person benütze wie einen Automaten, oder wie einen Sklaven oder eine Sklavin, um mich selbst in Größenphantasien, in Lustgefühlen zu suhlen, das alles gehört für mich in den Bereich der Wollust.

 

Heute wird das ja progagiert: Nur keine Zeit in eine Beziehung investieren, weil das zahlt sich alles nicht aus, denn wir haben ja nur Lebensabschnittspartner. Was früher einen Lebensabschnitt von zehn Jahren bedeutete, dauert heute oft nur mehr eine halbe Woche.

 

Landläufig könnte man Unkeuschheit/Wollust als ungeregelte Lust an den Freuden des Fleisches umschreiben. Was ist daran richtig, was falsch?


Die sogenannten Freuden des Fleisches sind eigentlich keine Freuden, sondern ein Versuch, Unlustgefühle loszuwerden. Eine Freude des Fleisches wäre es, wenn ich mich in die Wiese lege und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lasse. Da freut sich das Fleisch, bis ich einen Sonnenbrand bekomme.

 

Ganzheit bedeutet es immer, Körper, Seele und Geist in Einheit zu erleben. Das muss man auch üben. Wenn man unter Fleisch ein bestimmtes Organ des Körpers versteht, dann ist es nicht der ganze Körper.

 

Die Mitte des Körpers ist das Herz. Deswegen zeigen Jesus oder Maria auf den Bildern auf das Herz. Sie zeigen nicht auf die Stirn und nicht auf den Unterleib.

 

Es geht darum, die Dinge, die man tut, in Liebe zu tun. „Fleisch“ meint vereinfacht gesagt rein körperliche Lustempfindungen. Es geht aber immer um mehr. Um die Herzens- und Beziehungskomponente, um das Begeistern an jemandem oder an etwas anderem: Ich kann ja auch einen Duft genießen oder einen Geschmack. Ich brauche den Körper als Aufnahme- oder Verarbeitungsinstrument. Ich brauche den Geist, um in diese Dankbarkeit hineinzukommen, ich brauche meine Emotionen, um zu spüren, dass mich etwas begeistert, ich brauche das ganze Erleben und auch Zeit.

 

Wenn ich einen Menschen wirklich verstehen will, muss ich ihn einatmen, da brauche ich Zeit. Gerade wenn man seine Erkenntnisse nur aus Film und Fernsehen bezieht, so ist das alles meist viel zu schnell.


Sie haben jetzt das Thema Geschwindigkeit angesprochen: Wie beurteilen Sie den Beinahe-Zwang zum permanenten und  schnellen Lustgewinn?


Für viele Leute zerstört die Reizüberflutung mit einer überpräsenten Sexualität das Geheimnis der Sexualität. Es bleibt die Freude auf der Strecke, etwas zu entdecken, weil man dann mehr erlebt hat. Alles soll so schnell gehen.

 

Dann kommt vor allem dazu, dass diese Übersexualisierung oft auch mit einer kommerziellen Dienstleistung verbunden ist, und wenn es nur die Packerl-Suppe ist. Wo alle strahlen und die Hausfrau, die die Packerl-Suppe serviert, natürlich jung und schön und sexy ist. Es ist nicht die Oma, der man ansieht, dass sie schon ein reiches Leben gelebt und viele Kinder geboren hat.

 

Es werden also viele irreale Inhalte verpackt, dort, wo wir Sehnsucht nach bestimmten Gefühlen haben. Und es wird versprochen: Wenn du diese Dienstleistung annimmst oder die Produkte kaufst, dann wirst du glücklich sein.

 

Glücklich wie ein satter Säugling in den Armen seiner Mutter. Das ist für viele ein erstrebenswertes Gefühl, sofern sie hier eine Erinnerung haben. Und nach dem sie selbst nicht auf die Idee kommen, zu spüren, wann ein anderer bedürftig ist, und auch nur die eigene Bedürftigkeit spüren, versuchen sie es zu organisieren, indem sie es einfordern.

 

In Ihrem Buch „Die reuelose Gesellschaft“ schreiben Sie von den „Lügen“ dieser Wurzelsünden, die umgangssprachlich auch Todsünden genannt werden. Was ist für Sie die Lüge der Wollust?


Ich benütze schon noch das Wort „Todsünde“, weil Wollust die Seele tötet. Weil diese Todsünde wegführt von der Menschlichkeit, in Beziehung zu anderen zu treten. Die Lüge bei der Wollust besteht darin, dass einem vorgegaukelt wird, dass, wenn man fleißig Geschlechtsverkehr hat – oder Ersatzhandlungen tätigt, dass man dann „Liebe macht“.

 

Es geht nicht darum, so und so viele sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben, mit wieviel unterschiedlichen Personen auch immer, sondern es geht um die Fähigkeit, jemanden anderen zu „erkennen“, so wie das Alte Testament es versteht, nämlich zu spüren, wie jemand ist.

 

In der Wollust ist mir vollkommen wurscht, wie der andere ist: Hauptsache, ich habe die Gefühle, die ich haben will. Diese Vorbilder kann man kaufen, Sexvideos oder Porno-Filme oder allerlei Spielzeug oder Geräte. Wer dies so konsumiert, der verzichtet darauf, in Beziehung zu treten und das körperlich-seelisch-geistige Gefühl der Einheit mit einem anderen Menschen zu erfahren. Wenn man diese Einheit erlebt, so sind dies Sternstunden.


Nun ist das Gegenstück der Unkeuschheit oder Wollust die Keuschheit. Was fangen Sie mit diesem Begriff an?


Keuschheit umfasst für mich das Spüren der eigenen Sehnsucht oder auch Begehrlichkeit und gleichzeitig das Spüren der Scheu oder des fragenden Wissens, ob das auch wirklich gut ist für mich. Es geht um die Balance dieser zwei Gegensatzpaare. Und zu warten, wie sich eine Beziehung entwickelt.

 

Also nicht: Weil ich mir das so sehr wünsche, daher will ich es gleich haben oder: Wenn du mich liebst, dann tust du, was ich will, sondern umgekehrt: zuzuwarten, zu spüren, was jetzt an gleicher Wellenlänge vorhanden ist.

 

Und wenn man nicht auf gleicher Wellenlänge ist, dann ist der Zeitpunkt nicht da, um sich zu binden. Also Werbung des Partners zu akzeptieren, aber sie nicht zu erfüllen, wenn man spürt, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Das lernt man nicht beim Film- und Fernsehen. Da erlebt man eher fast sportliche Aktivitäten, und sehr viel Gewalt, wo oft einer vom anderen dominiert wird. Das ist nicht förderlich. Wir sollten hingegen einander fördern.

 

Expertin

Rotraud Perner

ist Psychoanalytikerin, Psychotherapeutin und evangelische Theologin

 

erstellt von: Der SONNTAG / Stefan Kronthaler
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Weitere Informationen:

Matthias Beck über die

Wurzelsünde Wollust

 

Ob Wollust, Unzucht oder Unkeuschheit. Ich will daran zuerst erinnern, dass Sexualität an sich etwas Gutes ist, aber es ist nicht gut, wenn ich mir überall meine verschiedenen Partner aussuche und alles Maß und alle Grenzen überschreite. Das tut mir nicht gut, und das tut dem anderen nicht gut.

 

Es gibt eine ganz tolle Erzählung im Neuen Testament: die Frau am Jakobsbrunnen. Jesus sagt zu ihr: Ich habe Durst, kannst du mir ein bisschen von dem Schöpfwasser geben aus dem Brunnen? Die Frau sagt: Ja, ich gebe dir was zu trinken und dann verwickelt Jesus sie in ein Gespräch.

 

Und dann sagt er: Hol doch deinen Mann her, dann können wir zu dritt ein bisschen plaudern. Und dann sagt sie: Ich habe keinen Mann. Und dann sagt Jesus zu Recht: Ja, du hast keinen Mann, weil der jetzige Mann ist nicht dein Mann und du hast schon fünf andere Männer vorher gehabt.

 

Da würde der Moralist sofort zuschnappen und sagen: Ist ja unglaublich, die Frau hat schon sechs Männer gehabt, eine Sünderin. Und Jesus redet mit ihr. Aber die Moral interessiert Jesus dabei nicht. Es interessiert ihn der Durst. Das war der Beginn. Er selber hat Durst.

 

Er fragt die Frau: Wonach suchst du denn? Sie antwortet darauf nicht direkt, aber man kann es so interpretieren: Sie sucht nach Liebe, nach Anerkennung, nach gelingender Beziehung. Und da sagt Jesus am Ende: All diesen Durst wirst du nicht gestillt finden, außer du bist an mich angebunden.

 

Also du kannst noch zehn Männer haben, das wäre jetzt meine Interpretation, aber das, was du eigentlich suchst, wirst du dort nicht finden. Das findest du in der Anbindung an mich. Da wäre so ein wichtiger Verknüpfungspunkt für Wollust, das man sagt, der eigentliche Durst, der dahintersteckt, den findet man nur in der Anbindung an Gott. Und in der Loslösung von Gott versucht man sich innerweltlich zu erfüllen und das gelingt eben nicht.

 

 

Experte


Ao. Univ.-Prof. Dr. Dr. Matthias Beck
lehrt Theologische Ethik mit Schwerpunkt Medizinethik an der Uni Wien.


 

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Ein Heiliger, der die Hand reicht – auch anderen Konfessionen und Religionen, wird er doch in der Ostkirche ebenso verehrt wie im Westen.

Papst mahnt: Synodaler Weg braucht mehr innerdeutschen Dialog

Papst Leo XIV. sieht den Reformprozess der deutschen Kirche noch nicht am Ziel. Beim Rückflug aus dem Libanon mahnte er mehr innerdeutschen Dialog an – und warnte vor Machtgefällen, die Stimmen vieler Gläubiger zum Verstummen bringen könnten. Vielfalt in der Synodalität sei kein Bruch, sondern Stärke.

Grünwidl: Kirche und Medien teilen Verantwortung für Wahrheit

Kirche und Medien tragen gemeinsam Verantwortung für Wahrheit, betonte der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl bei der Adventbegegnung mit ORF-Mitarbeitern.

Bürgermeister Ludwig: Bibelerzählung von Sturm am See „Anleitung für Politiker“

Herausforderungen mit kühlem Kopf zu meistern und die Nerven nicht wegzuschmeißen, könne man von der Bibel lernen, so der Wiener Bürgermeister bei der „Nacht der Stille“ im Stephansdom.

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