Dr. Eduard Nagel (Deutsches Liturgisches Institut Trier): Langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift "Gottesdienst".
Dr. Eduard Nagel (Deutsches Liturgisches Institut Trier): Langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift "Gottesdienst".
Die Liturgie der Kirche hat Eduard Nagel ein Leben lang persönlich und beruflich geprägt. Er sprach am 11. Oktober beim "Fachtag Liturgie" in Klosterneuburg über "Liturgie und Leben - Lebenswelten und Gemeinden".
SONNTAG: Welche Bedeutung hat die Liturgie, die gottesdienstliche Versammlung der Gemeinde, für Ihr Leben?
Eduard Nagel: Sie ist praktisch die Grundlage meines Lebens von Kindheit an. Ich war Ministrant und bin dadurch mit der Liturgie in Berührung gekommen. Ich habe später Liturgiewissenschaft studiert, war Assistent in Innsbruck und bin dann ans Liturgische Institut in Trier gekommen. Mein ganzes berufliches Leben ist von der Liturgie bestimmt, aber auch das private.
Ist die Liturgie in unseren Gemeinden, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, wirklich der "Höhepunkt", dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die "Quelle", aus der all ihre Kraft strömt?
Jein. Einerseits ganz sicher, denn wo kommen Menschen mit der Kirche in Berührung, wenn nicht auch in der Liturgie? Sie ist der Ort, wo die Kirchennahen mit der Kirche in Berührung kommen, aber auch andere Menschen, bei einer Beerdigung oder Taufe beispielsweise. Insofern ist die Liturgie sicher der Höhepunkt. Gefühlt ist sie es nicht immer. Natürlich kann die Liturgie sehr unterschiedlich gefeiert werden.
Welchen Beitrag kann die Liturgie zur Erneuerung der Kirche leisten?
Die Liturgie könnte das Fundament sein, von dem her die Kirche erneuert wird. Denn worum geht es? Es geht darum, dass das, was Jesus getan hat, für die Menschen heute gegenwärtig wird. Das ist die erste Aufgabe der Kirche. Und das geschieht weitgehend in der Liturgie. Da begegnen die Menschen dem Wort Gottes, da kommen sie zum Beten. Für mich wäre es ein wunderbarer Ansatz der Seelsorge, der Pastoral, wenn sie von der Liturgie ausginge.
Sind dann unsere Gottesdienste, wie der Pastoraltheologe Zulehner hofft, "gottvoll und erlebnisstark"?
Die einen mehr, die anderen weniger. Vom Wesen her sind selbstverständlich alle gottvoll, denn das sakramentale Handeln, das ist vorhanden. Aber es hängt auch sehr stark davon ab, wie Liturgie gestaltet, gefeiert wird. Ob etwa diejenigen, die eine tragende Rolle haben, von ihrer Aufgabe überzeugt sind, ob sie etwas zu vermitteln haben, ob das Herz bei ihnen selber brennt und ob sie dementsprechend auch etwas weitergeben können.
Ist auch für Sie Gottesdienst so etwas wie Heimat?
Ja. Eindeutig. Der Gottesdienst ist meine stärkste Heimat.
Wie könnte eine liturgische Spiritualität aussehen?
Sie ist eine Spiritualität, die davon lebt, dass wir Gott gegenüberstehen, im Gebet, dass Gott uns "anschaut", dass wir ihn "anschauen". Das ist das persönliche Gebet. In der Liturgie wird das zum gemeinschaftlichen Gebet, wir stehen als Gemeinschaft vor Gott. Hier begegnet er uns in seinem Wort, im sakramentalen Handeln der Kirche, in Brot und Wein.
Warum ist die Kunst des Feierns die beste Bedingung für die tätige Teilnahme aller Mitfeiernden?
Die tätige Teilnahme hängt zu einem ganz bedeutenden Teil auch von dem ab, der die Feier leitet. Wenn er überzeugt ist von dem, was er tut, und wenn er das, was er tut, so tut, dass man spürt, dass er mit seinem Herzen dabei ist, dann haben es die Mitfeiernden leicht, dem zu folgen, und mit ihrem Herzen dabei zu sein.
Wir haben in Mitteleuropa so etwas wie eine eucharistische "Monokultur" Brauchen wir wieder mehr "einfache Gottesdienste" (wie Laudes und Vesper, Andachten...)?
Ja, mit Sicherheit. Es ist ein Verlust, den wir hier haben. Früher hatten wir sehr viele Andachten, die in dieser Form heute nicht mehr gehen, weil sie eine andere Spiritualität voraussetzen. Die Menschen müssen heute auch ganz einfache Formen haben, vom Beten und vom Hören auf Gottes Wort. Also meditative Gottesdienste, mit viel Stille, vielleicht mit einem einzigen Bibelwort, mit einem Gebet, das wiederholt wird, mit einem Lied, an dem sich die Gedanken und Herzen festmachen können.
Wie sieht es mit der Ehrfurcht oder Scheu vor dem Heiligen aus?
Es scheint sehr viel Ehrfurcht verlorengegangen zu sein. Was damit zusammenhängt, dass auch in anderen Bereichen die Ehrfurcht in der Gesellschaft sehr stark nachgelassen hat. Es ist eine entscheidende Frage, wie Menschen da herangeführt werden. Und das ist auch eine Frage der Praxis. Wenn in einer Kirche von vornherein klar ist: Hier wird geschwiegen, hier ist man still!, dann entsteht sofort eine Atmosphäre, in der man auch zur Ruhe kommen kann. Es hängt davon ab, ob wir die Ehrfurcht selber leben, etwa beim Betreten einer Kirche, mit einem Kreuzzeichen, mit einer Kniebeuge.
Der gemeinsame "Fachtag Liturgie" der drei Vikariate der Erzdiözese Wien am 11. Oktober in Klosterneuburg fand aus Anlass einer Reihe von Gedenktagen statt: Der 11. Oktober ist der liturgische Gedenktag des hl. Papstes Johannes XXIII., der an diesem Tag im Jahr 1962 das II. Vatikanische Konzil eröffnet hatte. In der vorangegangenen "Liturgischen Bewegung" hatte der Klosterneuburger Chorherr Pius Parsch (1884-1954) mit der "Volksliturgischen Bewegung" eine für die gesamte Weltkirche tragende Rolle inne.
Fachtag "LITURGIE und LEBEN"Vikariate der Erzdiözese Wien luden zum gemeinsamen Fachtag in das Stift Klosterneuburg ein. Inkl. Vortrag und Thesen als pdf. |
Beim "Fachtag Liturgie" erzählten die drei Bischofsvikare von ihrer Beziehung zur Liturgie.
"Die Uhrzeit spielt kein Rolle" und "der Gottes-dienst am Sonntag ist keine Arbeit", sagte Weihbischof Stephan Turnovszky (Nord-Vikariat). Während seiner Zeit als Ministrant wurde er auch Mitarbeiter der Pfarre. Als Priester schätzte er den Liturgiekreis. Dieser hebe die Qualität der Liturgie und sei eine Fortbildungsveranstaltung für Interessierte. "Mehr Menschen sehen einfach mehr", sagte Turnovszky.
Das Stundengebet der Kirche ist Wiens Bischofsvikar Dariusz Schutzki "sehr wichtig". Liturgie müsse "zum Leben führen". Er schätzt eine "ästhetische, gut gestaltete Liturgie, die das Handeln Gottes sichtbar macht". Sie sei ein "Geschenk Gottes, das wir verwalten dürfen".
Mit 13 Jahren wurde Bischofsvikar Rupert Stadler (Süd-Vikariat) Ministrant. Er schätzt die Gottesdienstkultur, die er jetzt in den Pfarren erleben darf. Liturgie war für ihn "immer stärkend für den eigenen Glaubensweg". Sie müsse so gefeiert werden, dass der Inhalt "auch für alle erfahrbar wird".