Christus, der wahre ”Kyrios“.
Christus, der wahre ”Kyrios“.
P. Bernhard Vosicky OCist über die Bedeutung des ”Kyrie“ in der Messfeier.
"Kaiser, erbarme Dich unser!" Mit diesen oder ähnlichen Worten wandten sich in der heidnischen Antike die Menschen hilfesuchend und händeringend an den Herrscher des Römischen Weltreichs. Sie schrien um Begnadigung und erhofften Rettung und Heil für Gefangene, Unterdrückte und ungerecht Verfolgte. Der Kyrios war der Kaiser, aber auch so manche heidnische Gottheit in der römischen Antike.
Mit den griechischen Worten "Kyrie eleison" huldigten die Menschen den heidnischen Göttern. Wenn der Kaiser, der auch als Gottheit verehrt wurde, in die Stadt einzog, schallten ihm schon diese Huldigungsrufe entgegen. Die Menschen hatten große Hoffnung, seine rettende und helfende Macht erleben und erfahren zu dürfen.
Da die frühen Christen Roms nicht mehr an die rettende Macht des heidnischen Kaisers oder nicht existierender Götter glauben konnten und wollten, haben sie die gewohnten und schon bewährten Huldigungsrufe einfach übernommen und auf Christus den König der Könige und Herrn der Herren übertragen.
Im Philipperhymnus des heiligen Paulus (2,6-11) ist der Titel "Kyrios" für Christus die Übersetzung des Titels "Adonai", der in der griechischen Bibelübersetzung (Septuaginta) als Umschreibung für den hebräischen Gottesnamen "JHWH" ("Jahweh") steht. Wenn also Jesus als Kyrios angerufen wird, dann heißt das: Jesus Christus ist unser Herr und unser Gott! Oder: Jesus ist Jahwe!
In der Ostkirche sind beim Gottesdienst mehrere Fürbitt-Litaneien (Ektenien) üblich, die der Diakon vorträgt. In Rom wurden diese um 500 vom Osten übernommen. Der Diakon nannte am Beginn des Gottesdienstes 18 konkrete Anliegen, die das Volk mit "Kyrie eleison" beantwortete.
Im 6. Jh. wurden diese Anrufungen verkürzt, zur Zeit Papst Gregors des Großen (590-604) fielen die Anliegen völlig aus, und es blieben nur die Kyrierufe, die dann noch durch die Rufe "Christe eleison" ergänzt wurden. Papst Gelasius wurde diese Litanei zugeschrieben (Deprecatio Gelasii).
Vom 7. Jh. bis zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils gab es die Neunzahl: 6 Mal "Kyrie eleison", und 3 Mal "Christe eleison". Im 8. Jh. wurde dies trinitarisch gedeutet: Gott Vater und Gott Heiliger Geist wurden als Kyrios angerufen und Christus in der Mitte. Es gibt auch Deutungen auf die neun Chöre der Engel, die den dreifaltigen Gott loben, preisen und anbeten (Dionysios Areopagita und Wilhelm Durandus).
Im Mittelalter wurden die weit- entfalteten Melodiebögen des Kyrie im Gregorianischen Choral durch "Tropen" (Textunterlegungen) oder "Leisen" (von eleison) erweitert, die anfangs Textunterlegungen waren, um sich die Melodien leichter zu merken. Es entstanden auch deutschsprachige Kirchenlieder.
Mit "Leisen"(Kyrie leis) bezeichnet man alte deutschsprachige Kirchenlieder, wie zum Beispiel das bekannte Adventslied "Maria, durch ein Dornwald ging, Kyrie eleison" (entstanden im hessischen Eichsfeld, 16. Jh.). Die Huldigungsrufe an den Herrn und König wurden im Laufe der Liturgiegeschichte immer mehr zu Bitten um Sündevergebung.
Das nach dem Zweiten Vatikanum erschienene neue Messbuch kennt wieder die Erweiterung des "Kyrie" durch Tropen, allerdings mit Buß- und nicht mit Huldigungscharakter (siehe Allgemeine Einführung ins Messbuch, Nr. 30, Form C).
Die anbetetenden und Christus als den König preisenden Anrufungen haben nunmehr nicht mehr Huldigungs-, sondern Bußcharakter. Im deutschen Messbuch ist aber hier eine Möglichkeit der freien Schöpfung geben. Die Kyrie-Rufe können dem jeweiligen Fest des Kirchenjahres und dessen Inhalt angepasst werden.
Die Geschichte Feier der Eucharistie und der Heiligen Messe