In den Impulsen erinnert Kardinal Schönborn an das "Jahr des Priesters". "Dem Priester wird auch heute hohe Achtung und Wertschätzung zuteil. Nennen Sie Beispiele von Priestern mit denen Sie für 'das Reich Gottes gearbeitet" haben'", lädt der Kardinal ein.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
liebe Schwestern und Brüder!
In diesen Tagen geht das "Internationale Jahr des Priesters" zu Ende. Tausende Priester aus allen Weltteilen treffen in Rom zusammen, um mit dem Papst gemeinsam dankbar ihre Berufung zu feiern. Auch aus der Erzdiözese Wien sind viele Priester mit Weihbischof Stephan Turnovszky dabei.
Die Wertschätzung des katholischen Priestertums hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert - sowohl innerkirchlich als auch in der öffentlichen Meinung. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, in dem so viele Selbstverständlichkeiten zerbrochen waren, gab es eine Zeitspanne, in der katholische Priester vor allem in der französisch- und englischsprachigen Literatur und im Film zu Heldengestalten wurden. Es war die Zeit, in der Sätze möglich waren wie "Wo ein Priester geht, zittert der Staub". So manches an dieser literarischen Präsentation - deren Urheber oft Menschen waren, die selbst erst auf langen Umwegen den Glauben entdeckt hatten - erscheint aus heutiger Perspektive übertrieben. 2010 - nach der Missbrauchskrise - sind wir oft am anderen Ende der Skala angekommen.
Die Hochblüte der literarischen Präsentation des katholischen Priestertums ging irgendwann in den späten sechziger Jahren zu Ende. Dazu hatte auch ein Perspektivenwechsel in der Kirche beigetragen: Das Zweite Vatikanische Konzil hat einerseits die gleiche Würde aller getauften und gefirmten Christen betont und die Kirche im schönen Bild des pilgernden Gottesvolkes aus Priestern und Laien dargestellt, andererseits aber auch die besondere Berufung des Priesters hervorgehoben. Dabei wurde sehr klar herausgearbeitet, dass der Priester kein "Funktionär" ist, kein bloßer "Beauftragter" des Volkes, sondern "in persona Christi" handelt. Er repräsentiert Christus vor allem in der Feier der Heiligen Messe. Er hat "an Christi statt" zu handeln, auch im Bereich der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Gemeindeleitung. Sicher niemals allein, als "Einzelkämpfer", sondern in Gemeinschaft mit anderen Christen. Zwischen Priestern und Laien darf es kein "Tauziehen" geben. Aber trotzdem ist es ein hoher Anspruch.
Wie lässt sich dieser Anspruch in die Lebenswirklichkeit des Alltags übersetzen? Es ist nicht einfach. Da ist die Erfahrung der scheinbaren Fruchtlosigkeit der getanen Arbeit, die Erfahrung der Einsamkeit, die Gefahr, den Mut zu verlieren. Interessant und aufschlussreich ist, dass es in den letzten Jahrzehnten wenig "Priester-Romane" oder "Priester-Filme" gibt, in denen sich dieses Ringen abbildet.
Trotzdem hat sich die Faszination des katholischen Priesters auch nach 1970 fortgesetzt. Uns gläubigen Menschen hat es nicht immer gefallen, wie in Werbespots "Geistliche" als Werbeträger für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen "benützt" wurden. Aber das Phänomen lässt sich auch positiv interpretieren, sagen Fachleute der Kommunikation: Die Werbung "verwendet" Geistliche, weil Priester offensichtlich einen hohen Vertrauensvorschuss genießen. Wenn die Gestalt des Priesters bei den Leuten nicht positiv "besetzt" wäre, würde man sich ihrer nicht bedienen, um Waren und Dienstleistungen an den Mann oder an die Frau zu bringen.
In jedem Fall ist zu sehen, dass die Gestalt des katholischen Priesters für die Moderne und Postmoderne eine Herausforderung darstellt, sie steht quer zu vielen von der Gesellschaft vertretenen Werten und Zielen.
Trotzdem: Auf der lokalen Ebene, im Lebensbereich der Pfarre, wird dem Priester auch heute überaus hohe Achtung und Wertschätzung zuteil. Ich weiß das aus vielen Erlebnissen bei Pfarrbesuchen und Visitationen aus eigener Erfahrung.
Und was bedeutet der Priester für Sie, für die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, die tagtäglich mit unseren Priestern zusammenarbeiten? Sicher gibt es manche auch nicht so positive Erfahrungen. Umso mehr lade ich Sie ein, Beispiele von Priestern zu benennen, denen Sie begegnet sind, die Sie beeindruckt haben, mit denen Sie für "das Reich Gottes gearbeitet" haben.
Ihr Kardinal Christoph Schönborn.