Greshake: Als guter Hirte darf sich ein Priester nicht damit begnügen, ein paar willige Schafe liebevoll im Gatter zusammenzuhalten.
Greshake: Als guter Hirte darf sich ein Priester nicht damit begnügen, ein paar willige Schafe liebevoll im Gatter zusammenzuhalten.
Zur Priesterweihe am 14. Juni und im Umfeld von vorgetäuschten Eucharistiefeiern:
Dogmatik-Professor Gisbert Greshake über den Umstand, dass Christus die Kirche leitet und dass ER sendet.
Was macht das Priester-Sein heutzutage aus? Worauf kommt es an?
Greshake: Sehr zutreffend fragen Sie: Was macht das Priestersein heutzutage (!) aus? Denn tatsächlich gibt es bei aller bleibenden Gestalt des priesterlichen Amtes auch einen erheblichen Wandel. So haben sich z. B. in der volkskirchlichen Gestalt des Christentums, die dabei ist, zu Ende zu gehen, die kirchlichen Amtsträger allzu sehr den in der Gesellschaft üblichen Amtsvorstellungen angepasst. So kam es zur Auffassung: Wer in der Kirche das Amt hat, hat das „Sagen“, ist der (hochwürdige) „Herr“, steht „oben“, bestimmt das Ganze. Gegen dieses schon im Neuen Testament gerügte Verständnis schreibt schon Paulus: „Wir sind nicht Herren eures Glaubens, sondern Diener eurer Freude“, eine Vorstellung, die dann auch das II. Vatikanische Konzil aufgegriffen hat, wenn es das priesterliche Amt als „Dienstamt“ versteht.
Und worin besteht dieser „Dienst“ des Amtes?
Greshake: Dabei besteht der besondere Dienst des priesterlichen Amtes darin, gerade als sakramental begründetes Amt den anderen Gläubigen lebendig vor Augen zu halten, dass nur einer Herr der Kirche ist, dass nur einer die Kirche leitet, dass nur einer in ihr das Sagen hat, nämlich Jesus Christus selbst. Die Kirche soll gewissermaßen an den identitätsgebenden Knotenpunkten ihres Lebens, wo ein geweihter Amtsträger handelt, ganz konkret erfahren, dass Jesus Christus selbst ihr Herr ist: Hirte, Lehrer, Priester.
Denn nicht Menschen, mögen sie auch mit noch so großen Gaben des Geistes ausgestattet sein, „machen“ Kirche, bauen Gemeinde auf und leiten sie, sondern allein Christus, auf den das sakramentale Amt verweist, den es vergegenwärtigt und für den es steht. Dies aber ist nur möglich kraft besonderer Sendung und Weihe.
Was bedeutet diese Sendung durch Christus?
Greshake: Ganz konkret: Wenn an den Knotenpunkten kirchlichen Lebens (etwa bei der Eucharistiefeier) nicht ein Herr Huber oder Müller handelt, weil er besonders gut ist oder sich die Kompetenz dafür erworben, sondern weil er durch Weihe, d. h. durch sakramentale Sendung „legitimiert“ ist, so weist gerade die Weihe über das „Individuum“ des Amtsträgers hinaus auf den ihn Weihenden und Sendenden, nämlich auf Christus, hin. Im priesterlichen Amt wird also nicht eine menschliche Autorität an die Stelle Christi gesetzt, sondern ER selbst sakramental, d. h. im wirksamen Zeichen, das auf ihn verweist und in dem ER selbst sein Handeln unverbrüchlich zusagt, zur Geltung gebracht.
Damit ist natürlich die „priesterliche Amtsautorität“ radikal relativiert, d. h. von sich selbst weg verwiesen. Der Grundgestus des Amtes ist der Gestus von Johannes dem Täufer. Gefragt, wer er sei, antwortet er als erstes: Ich bin es nicht! Und er verweist auf den, der „es ist“. So hat der Priester Sakrament, zeichenhafter Hinweis für Christus zu sein. Das ist das, worauf es letztlich ankommt.
Warum wird – so der Soziologe Ebertz – der künftige Priester „eher ein Streetworker als ein Sitzungskatholik, eher ein Partisan als ein Schrebergärtner sein“?
Greshake: Eine grundsätzliche Antwort darauf ist im Prinzip schon gegeben: Wenn der Priester für Christus steht und ihn zur Darstellung bringen soll, dann hat er in erster Linie, wie Christus, der „gute Hirt“ zu sein, der den Verlorenen nachgeht und sich nicht damit begnügt, ein paar willige Schafe liebevoll im Gatter zusammenzuhalten. Eben dieses Amtsverständnis führt ja auch Papst Franziskus ganz konkret vor: Es gilt, an die „Ränder“ von Kirche und Gesellschaft zu gehen, dort die Schafe zu suchen und ihnen die Liebe Gottes nahezubringen. Was voraussetzt, dass die Schafe am Hirten den – wie der Papst wörtlich sagt – eigenen „Geruch“, den Stallgeruch, erkennen. Dass das Konsequenzen für den Lebensstil des Priesters haben wird, aber auch für eine künftige Kirchengestalt, dürfte auf der Hand liegen.