Diözesanpriester Andreas Schätzle, Programmdirektor von Radio Maria
Diözesanpriester Andreas Schätzle, Programmdirektor von Radio Maria
Die Berufung und Einswerdung mit Christus- das steht vor der individuellen Persönlichkeit als das Wesentliche eines Priesters als prägendes Vorbild.
Als Mitarbeiter der Berufungspastoral habe ich mich natürlich besonders über diese Serie im „Sonntag" gefreut. Es ist gar nicht leicht, eine Priestergestalt aus den vielen Priester-Begegnungen im Laufe meines Lebens „herauszupicken". Vielleicht geht es Ihnen, geschätzte Leser, da ganz ähnlich.
Das Wesentliche eines Priesters ist ja nicht zuerst seine Persönlichkeit, sondern dass er von Christus berufen und geweiht und in der Priesterweihe auf neue Weise eins mit Christus geworden ist (siehe Zweites Vatikanisches Konzil – LG 10) – und dieses Wesentliche habe ich eigentlich in allen meinen Priesterbegegnungen von Kindheit an gespürt. Trotzdem gibt es natürlich Persönlichkeiten und Eigenschaften, die einen auch ganz persönlich faszinieren. Der Priester bleibt sicher auch einer, an dem man sich in gewissem Sinne reiben darf.
Für mich war und ist der ehemalige Regens Clemens Abrahamowicz (jetzt Pfarrer in Baumgarten-St. Anna – Wien 14) ein solcher Priester, an dessen Person und Wirken ich wachsen durfte. Ein Freund hatte mich am Weihnachtsabend in die Pfarre St. Paul (PAHO, Wien 10) zur hl. Messe mitgenommen. Festlich zogen die Ministranten, alles echte Favoritner, in ihren langen, weißen Kutten ein. Der Priester Clemens hielt ein kleines Original-Bethlehem-Jesus-Baby, so wie man es dort noch heute in den Geschäften erstehen kann, ausdrucksstark und voller Innigkeit in die Höhe, sodass es jeder sehen konnte. Da war klar: Jetzt ist Weihnachten, jetzt kommt der Messias. Und mir war klar: Hier möchte ich lernen, bei diesem Priester möchte ich in die Schule gehen.
Ein halbes Jahr später durfte ich tatsächlich in St. Paul mein Praktikum als Seminarist beginnen und habe auch dort 1995 die Primiz gefeiert. Clemens war der Prediger, drehte sich vom Ambo zu mir um und zeigte – peinlich genug – mit dem Finger auf mich: „Es geht nicht um Andreas, sondern Christus steht heute im Zentrum!" Ein Lehrstück für alle und fürs ganze Leben.
Clemens, immer fröhlich, immer für die anderen da, solange seine Kräfte reichten (alle halben Jahre hatte er einen kleinen Breakdown), holte mich aus meiner „linken Ecke", d. h. aus der Defensive, und vermittelte mir, mich mehr und mehr auf die Gute-Hirten-Pastoral Jesu einzulassen.
Der Umgang mit ihm war immer herausfordernd, aber gerade deshalb wüsste ich keinen Priester, der mich mehr geprägt hätte als er. Ein Priester „mit einem Herz voll Leidenschaft für Gott und die Menschen" – die Vorraussetzung für eine priesterliche Berufung, wie es vor einigen Jahren Kardinal Christoph Schönborn bei der Priesterweihe betont hat. Auch unser Kardinal darf an dieser Stelle als Vorbild nicht fehlen.