Gregor Jansen, Pfarre Breitenfeld (Wien VIII.)
Gregor Jansen, Pfarre Breitenfeld (Wien VIII.)
”Du wirst einmal Priester“, die Worte eines großen Vorbildes: Gregor Jansen schildert seine persönlichen Errinerungen an den Menschen, der ihn in seiner Berufung am meisten geprägt hat.
Einer der (vielen) Priester, die mich nachhaltig beeindruckt haben, war der Religionslehrer im Gymnasium meiner Heimatstadt Bad Honnef/Rhein.
Als er das erste Mal meine Klasse betrat, begrüßte er uns mit: ”Mein Name ist Fratz, man nennt mich Leo“. Manchen war er ein wenig unheimlich, was sicher durch den Eindruck seines mächtigen weißen Barts verstärkt wurde – oder auch durch ”Fridolin“, seinen Gehstock, den er manchmal, wenn er wütend aufbrauste (denn auch das kam vor), mit Wucht aufs Lehrerpult krachen ließ. Einmal etwas zu stark, so dass ”Fridolin“ zerbrach und seither eine Metall-Manschette über der Bruchstelle trug … So rasch er manchmal zornig wurde, so schnell kam aber auch sein verschmitztes Lachen wieder. Sein Humor war trocken und schlagfertig – ein typischer Rheinländer.
Und er war ein Lehrer, der sich bei den Schülern für seine Fehler entschuldigen konnte. Als echtes Original wurde er von Schülern und Kollegen mitunter belächelt, aber er besaß eine natürliche Autorität, die stets respektiert wurde.
Leo Fratz war ein selbstloser und ein herzensgütiger Mensch. Aus eigenen Mitteln erwarb er eine große Wiese im Westerwald, die er in jahrelangem Einsatz zu einem wunderbaren Zeltlagerplatz ausbaute, der noch heute stark frequentiert wird. Ministranten- und pfarrliche Jugendgruppen konnten dort unentgeltlich ihre Lager durchführen. Viele Jugendliche und Studenten förderte er großzügig in finanzieller und geistlicher Weise.
Dazu war er ein hochintelligenter Mensch und Theologe. Er sprach viele Sprachen, darunter fließend Arabisch, und Generationen von Kölner Priesterseminaristen lernten bei ihm Hebräisch. Oft und gern war er im Heiligen Land. Einmal trafen wir uns dort in Tabgha am See Gennesaret, wohin er sich immer zu Exerzitien und Studien zurückzog. Als Pastoraltheologe war er Autor einer Reihe von Büchern, u. a. der kommentierten Neuausgabe einiger Schriften Johann Baptist Hirschers.
Pfarrer Fratz war von ganzem Herzen Priester. Und das hieß für ihn, ganz selbstverständlich und unspektakulär für andere da zu sein. Für ihn war das ganze Leben priesterlicher Dienst. Und zwar bis zum Ende: In seinen letzten Lebensjahren litt er an der Alzheimer’schen Krankheit, er bekam mit, wie er geistig abbaute und ihm vieles nicht mehr möglich war, und das erfüllte ihn mit verzweifelt-ohnmächtiger Wut. An einem ersten Schultag nach den Sommerferien wollte er wie gewohnt seinen Dienst antreten, aber der Direktor musste ihm mitteilen, dass er aus Gründen der Krankheit nicht mehr unterrichten dürfe. Vor Aufregung, aber sicher auch in dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, brach Leo Fratz direkt vor dem Schultor tot zusammen.
Er war der erste, der mir – ich war damals gerade 12 oder 13 Jahre alt – auf den Kopf zugesagt hat: ”Du wirst einmal Priester“. Für mich bleibt er ein Vorbild an Geradlinigkeit, zuverlässigem und treuem Dienst, an Großzügigkeit und selbstlosem Einsatz für andere. Und auch darin, zu den eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten zu stehen.
Gregor Jansen