Pfarrer Dr. Leopold Mathias (Wolkersdorf)
Pfarrer Dr. Leopold Mathias (Wolkersdorf)
Eine große Herausforderung: der innerkirchliche Umbruch nach dem Konzil 1968 riefen in dem heutigen Pfarrer Zweifel hervor. Die Berufung und prägende Erfahrungen waren jedoch stärker.
Ich bin aufgewachsen in einer Welt, die es heute so nicht mehr gibt: in Oberkreuzstetten, einem 300-Seelen-Dorf bei Großrußbach. Unsere Volksschule war einklassig, das heißt: die 30 Kinder des Dorfes wurden von der ersten bis zur achten Klasse von einem Lehrer unterrichtet. Die einzige Abwechslung in der Schulwoche gab es in der Religionsstunde: da hatten wir unseren Ortspfarrer, der die Religionsstunde mit dem Katechismus hielt. Wir Schüler lernten den Pfarrer dadurch genau kennen und natürlich er auch uns.
Es sollte so sein, dass mein Ortspfarrer auch des öfteren zu Besuch in unserer Familie war: auf eine Zigarette im Vorbeigehen (aus der dann mehrere wurden), zum Plaudern und zum Kartenspielen. Er war es, der mit meinen Eltern überlegte, ob sie mich nicht nach Hollabrunn zum Studium schicken sollten.
Als ich völlig unvorbereitet vom Rektor des Seminars bei der Aufnahmsprüfung gefragt wurde, was ich denn einmal werden möchte, musste ich tief nachdenken – und dann sagte ich ihm, ich will Priester werden. Im kleinen Seminar in Hollabrunn habe ich viel Schönes erlebt und machte erste geistliche Erfahrungen: das Silentium nach dem Abendgebet, die Visitatio zur Mittagszeit und die Adventstunden vor Weihnachten. Es gab fünf Priester im Hause, mit ihnen hatten wir natürlich regelmäßigen Kontakt.
Doch mit der Matura kam diese heile Welt auf einen großen Prüfstand: das 68er-Jahr und der innerkirchliche Umbruch nach dem Konzil ließ vieles an religiösen Formen und Lebensentwürfen zusammenbrechen. So erfrischend die Freiheit im Priesterseminar war, so sehr hat sie uns herausgefordert. Plötzlich gab es in mir das Gefühl, auf dem falschen Dampfer zu fahren und auf ein Auslaufmodell von Kirche zu setzen, denn viele Priester traten aus! In dieser Zeit waren für mich zwei Faktoren hilfreich: mein Regens, der mir in tiefem Verständnis und Wohlwollen so manche Angst nahm, und die Erfahrungen einer jungen, weltoffenen Kirche in Taizé. Hier erlebte ich nicht bloß akademische theologisch-rationale Ausbildung, sondern ich lauschte den Christus-Zeugnissen der Brüder von Taizé und vieler junger Christen aus den verschiedensten Ländern und Kirchen Europas.
Meine Verunsicherungen wurden somit nicht nur geheilt, ich meine, sie haben letztlich mein Ja zu Christus im Weihepriestertum sogar vertieft. Es war später auch spannend und schön, als Regens die Priesterseminaristen auf ihrem Weg des Ja-Wortes zum Priestertum zu begleiten.
Pfarrer Dr. Leopold Mathias