Anbetung im Stephansdom.
Anbetung im Stephansdom.
Gott um seiner selbst willen anbeten.
Warum dürfen wir Menschen Gott anbeten?
Leichtfried: Am Ende des 1. Jh. n. Chr. wurden die Menschen gezwungen, den römischen Kaiser als Gott zu verehren und anzubeten. Diese Tatsache findet sich im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes wieder, verbunden mit der Frage: Wer in der Welt hat wirklich die Macht? Wem gebührt wirklich Anbetung? „Dem Lamm, das geschlachtet wurde!“ , sagen die Christen. Christus gilt sie, der sein Leben für uns hingegeben hat, der lebendig und vital ist und uns an seiner Lebendigkeit und Liebe Anteil geben möchte. Der Sohn Gottes hat das Leben mit uns Menschen geteilt. Ja, er hat alles hergegeben und ist den Verbrechertod gestorben. Er kennt unser Leben von ganz unten. Vor ihm, der sich so tief erniedrigt hat, beugen wir das Knie.
Anbetung hat wieder ihren Platz im Gefüge des kirchlichen Lebens gefunden.
Was ist das theologische Geheimnis der eucharistischen Anbetung?
Leichtfried: Geheimnis bedeutet im christlichen Sinn nichts Geheimes, Rätselhaftes oder Mysteriöses, sondern im Letzten das Geheimnis der so großen Liebe Gottes zu uns. Auch unter uns Menschen ist wahre, tiefe Liebe im Letzten eben nicht erklärbar, bringt etwa keine Vorteile mehr, sondern ist ein Geschenk. Bei der eucharistischen Anbetung staunen wir dankbar über die Liebe Gottes zu uns und versuchen, sie in unser konkretes Leben aufzunehmen.
Wie kann man einem Nicht-Katholiken das Thema Anbetung in vier bis fünf Sätzen erklären?
Leichtfried: Worauf schaue ich im Letzten, was habe ich besonders im Blick? Wovor und vor wem habe ich Ehrfurcht? Wie kommt Tiefe und Mitte in mein Leben? Wir Christen antworten auf diese Fragen mit dem Blick auf Christus, der aus Liebe sein Leben für uns gegeben hat und uns Leben in Fülle schenken will.
Anbetung – eine fromme Übung von zweifelhaftem Nutzen? Zu gering für das Gemeinwohl, meinte der aufgeklärte Kaiser Joseph II., der die beschaulichen Orden kurzerhand auflöste. Umso höher wird heute wieder ihr Wert veranschlagt. Ein Blick auf biblische und liturgische Texte hilft, verengte Perspektiven zu erkennen und Einseitigkeiten zu korrigieren: Anbetung als wahrhaftiger, ausdrücklicher Akt der Anerkennung Gottes durch sein Geschöpf – die Aufmerksamkeit für Gott in Ehrfurcht und Freiheit.
Anton LEICHTFRIED studierte in St. Pölten, Rom und Freiburg im Br. Theologie und war nach seiner Ordination 1991 mehrere Jahre in der Seelsorge sowie als Spiritual und Regens in der Priesterausbildung tätig. Der promovierte Dogmatiker wurde 2006 zum Weihbischof in der Diözese St. Pölten (Wahlspruch Verleihe ein hörendes Herz!) ernannt und ist Kuratoriumsvorsitzender der THEOLOGISCHEN KURSE.
Schwerpunkt Beten auf erzdioezese-wien.at