Letztes Glück und Glückseligkeit jedweden geistbegabten Wesens ist: Gott zu erkennen. - Thomas von Aquin (Summa contra Gentiles III,25)
Letztes Glück und Glückseligkeit jedweden geistbegabten Wesens ist: Gott zu erkennen. - Thomas von Aquin (Summa contra Gentiles III,25)
Heute vor 750 Jahren starb Thomas von Aquin, ein neugieriger und gläubiger Bettelmönch, der katholisches Denken und Leben nachhaltig geprägt hat.
Thomas von Aquin, der die katholische Theologie über Jahrhunderte geprägt hat, wird heute zwar nicht mehr uneingeschränkt als "Doctor Communis " (allgemeiner Lehrer) wahrgenommen. Sein nachhaltiger Einfluß auf die westliche Philosophie und Theologie ist jedoch nach wie vor common sense. Heute vor 750 Jahren ist er in der Zisterzienserabtei Fossanova südöstlich von Rom gestorben.
Geboren um das Jahr 1225 als Sohn einer seit Generationen in Süditalien ansässigen normannischen Familie aus dem Umkreis Friedrichs II., war Thomas von Aquin für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen. Doch schon früh zeigte er ein außergewöhnliches Interesse an der Wissenschaft und vor allem an Neuem. Aristoteles war gerade wiederentdeckt worden. Die Diskussion um dieses "neue Denken" erregte die Gemüter, vor allem innerhalb der Theologie. Die Familie gab Thomas in die Obhut der renommierten Benediktinerabtei Montecassino. Doch dort wurde es ihm bald zu muffig und zu eng. Die Zeit der monastischen Erneuerungsbewegungen (Cluny, Citeaux...) war längst vorbei. Für den jungen Intellektuellen war das kein Ort, um seine Neugier zu befriedigen. Er ging an die Universität von Neapel, die damals als einzige nicht unter der Kontrolle der Kirche stand. Dort lernte er Aristoteles, aber auch den jungen, dynamischen Predigerorden der Dominikaner kennen. Beide Entdeckungen waren für seinen weiteren Lebensweg entscheidend. Gegen den massiven Widerstand seiner Familie trat er in den attraktiven Bettelorden ein.
Später sollte er als angesehener Theologe entscheidend zur Verteidigung und Etablierung der "Bettelorden" beitragen, die durch ihre Mobilität und unkonventionelle Seelsorge die Kirche, vor allem aber die großen Universitäten des Hochmittelalters prägten - sehr zum Verdruss des "alteingesessenen" Klerus.
Sein Aufenthalt in Paris und Köln, wo er mit bedeutenden Denkern wie Albertus Magnus zusammentraf und sich weiter intensiv mit Aristoteles auseinandersetzte, war im Rückblick ein Wendepunkt in der europäischen Geistesgeschichte. Unter Anleitung von Albertus Magnus und anderen Gelehrten wagte Thomas das große und von der Obrigkeit beargwöhnte Unterfangen, aristotelisches Denken mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in Einklang zu bringen.
Das umfangreiche, aber unvollendete Werk des Thomas von Aquin, von dem die bedeutende "Summa theologiae" wohl das bekannteste ist, entstand nicht in ruhiger Umgebung. Thomas war, wie es die Gewohnheit der Dominikaner war, viel unterwegs, und zwar ausschließlich zu Fuß. Sein Weg führte ihn von Neapel nach Paris, von Paris nach Köln und zurück, von Paris nach Toulouse und nach Rom und von dort zurück nach Neapel. Ohne die Hilfe seiner Mitbrüder, denen er seine Werke diktierte - manchmal mehrere gleichzeitig - wäre sein monumentales Werk nicht zustande gekommen.
Thomas zeichnet sich in seinen Schriften durch einen klaren und durchdachten Stil aus, der bis heute bewundert wird. Sein Denken ist geprägt von der Unterscheidung zwischen Wissen und Glauben, wobei er betont, dass die Wirklichkeit objektiv und wahr ist, während die göttliche Offenbarung nur durch den Glauben erfasst werden kann. Diese methodische Unterscheidung hinderte ihn aber nicht daran, z.B. die Existenz Gottes mit rationalen Mitteln plausibel zu machen - er spricht übrigens von "Wegen" und nicht von "Beweisen". Mit seiner Methode, unterschiedliche Positionen präzise zu formulieren und logisch stringent zu beantworten, prägte er eine ganze Tradition der scholastischen Philosophie. Viele "gegnerische" Ansichten werden erst durch Thomas' exakte Darstellung verständlich.
Sein Einfluss erstreckte sich über Jahrhunderte, von seiner Heiligsprechung 1322 bis zur offiziellen Anerkennung seiner Lehre als maßgebliche Summe des katholischen Glaubens und Denkens. Seine Heiligsprechung war nicht zuletzt die erste kirchliche Kanonisierung eines theologischen Gesamtwerkes. Leben und Denken des Thomas sind untrennbar miteinander verbunden.
Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil galt er als der eigentliche Garant und die letzte Autorität in Fragen der katholischen Theologie. Thomas selbst wäre damit nicht einverstanden gewesen. "Autoritätsbeweise", also Argumentationen, die sich nur auf allgemein anerkannte Denker berufen, lehnte er prinzipiell ab. Anfang Dezember 1273 hörte Thomas plötzlich auf zu schreiben. "Alles, was ich geschrieben habe, erscheint mir wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe", ist als Begründung überliefert. Hatte er ein mystisches Erlebnis oder war es Erschöpfung? Jedenfalls verließen ihn auf dem Weg von Neapel zum Konzil von Lyon, wohin ihn der Papst berufen hatte, die Kräfte. Thomas starb ausgerechnet unter Mönchen, also in jenem Milieu, das er als junger Mann bewusst verlassen hatte, im Alter von 49 Jahren.
Trotz der Herausforderungen der Aufklärung und der modernen Wissenschaften ist das Erbe des Thomas von Aquin lebendig geblieben: Katholische Denker und Theologen treten wie er in einen offenen Dialog mit dem zeitgenössischen Denken und machen es wie Thomas für den Glauben fruchtbar. Notfalls auch gegen den Widerstand konservativer Engstirnigkeit.
Als Meister des präzisen Denkens und Sprechens wird Thomas von Aquin beispielsweise von dem deutschen Philosophen Andreas Speer gerühmt. Thomas' Motto "Formuliere präzise, habe Mut zum Denken" ist zeitlos aktuell. Klare Argumentation prägte den Diskussionsstil seiner Zeit. Der Dominikaner war bekannt für seine prägnanten und exakten Darstellungen. Speer vergleicht seine Art zu argumentieren sogar mit heutigen Kurzformaten wie TikTok-Videos. Thomas sei auch für die heutige Debattenkultur relevant, da er zur Disziplin im Denken aufrief und betonte, wie wichtig es sei, fundiert zu argumentieren und die Positionen anderer zu verstehen.
Er war ein Pionier im Dialog mit muslimischen und jüdischen Denkern seiner Zeit und sei auch für die heutige Debatte über künstliche Intelligenz (KI) relevant, da er bereits Fragen der menschlichen Intelligenz und ihrer Grenzen diskutierte. Die Suche nach der Wahrheit war für Thomas von Aquin von zentraler Bedeutung, weshalb er Fake News äußerst kritisch gegenüberstand. Die Verbreitung falscher Meinungen sah er als Widerspruch zur menschlichen Vernunft und damit als eines der schwersten Vergehen an.
Speer weist auch darauf hin, dass die negativen Ansichten über die Frau und andere aus heutiger Sicht unhaltbare Thesen des Thomas eine Folge des damaligen philosophischen und wissenschaftlichen Standes waren. Es sei wichtig, den Kontext der Zeit zu berücksichtigen und nicht überheblich über Denker der Vergangenheit zu urteilen.