„Vergessene" Märtyrer

Der Untertitel der Tagung erinnert an den Tod des hl. Josaphat, der vor 390 Jahren in Weißrußland das Martyrium erlitten hat.  „Der hl. Josaphat hat sich sehr eingesetzt für die Verbreitung der mit Rom unierten, also verbundenen Kirche. Er hat in orthodoxen Kreisen missioniert,was dort nicht gern gesehen wurde“, sagt der Wiener Ostkirchenexperte Univ.-Prof. Rudolf Prokschi im Gespräch mit dem „Sonntag“. Prokschi: „Man spürt, ausgehend von diesem Martyrium, wie wichtig und bedeutsam es wäre, dass die Kirchen zur Einheit finden, denn man muss ganz ehrlich sagen, dass dieses Martyrium nur deshalb passiert ist, weil es eben Spannungen gibt zwischen den Kirchen.“ Dabei ging es nicht um das Bekenntnis zu Jesus Christus, „das unsere Brüder und Schwestern in den östlichen Traditionen genauso verkünden“, unterstreicht der Ostkirchen-Fachmann.

„Verbotene" Kirche

Der hl. Josaphat sei „zur Symbolfigur“ geworden für die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche, weil diese Kirche im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg 1946 „durch die stalinistischen Zwangsmaßnahmen aufgelöst worden“ ist. Damals habe man mit einer „Synode“ die Union von Brest (1596 n. Chr.) gleichsam zurückgenommen. Dadurch wurden damals „Zigtausende Menschen in die Illegalität gedrängt, sie konnten nur im Untergrund oder in der Diaspora weiterexistieren und offiziell war mit dieser Synode die Existenz dieser Griechisch-Katholischen Kirche völlig ausradiert“, erläutert Prokschi: „Viele mussten in die Gefängnisse, viele wurden hingerichtet, viele haben Leid erfahren, durch ihre Überzeugung, ihre Bereitschaft, indem sie sagten: Unsere Kirche ist in Communio, in Gemeinschaft,  mit dem Bischof von Rom. Wir anerkennen das Oberhaupt der katholischen Kirche auch als unser Oberhaupt. Diese Erfahrung des Martyriums der Ostkirchen steht im Hintergrund der Tagung.“

„Wiedererstanden"

In der Ära Gorbatschow ist die 1946 verbotene Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche plötzlich aus dem Untergrund „aufgetaucht“. Prokschi: „Viele haben sich erinnert, dass sie eigentlich ihre Wurzeln in dieser mit Rom unierten Kirche haben.“ Es kam zu einem Aufbruch, der auch mit Problemen verbunden war, „weil damals – nach 1946 –  das Eigentum dieser mit Rom unierten Kirche der Orthodoxie übergeben worden war und Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts der Streit um die Kirchen losging".

Die Situation der Kirchen in der Ukraine ist nicht ganz spannungsfrei. Die Westukraine, sozusagen das Kernland der Griechisch-Katholischen Kirche, ist ein sehr religiöses Gebiet. Und aus diesem Gebiet hat „auch die Russisch-Orthodoxe Kirche viele Berufungen und dort auch blühende Gemeinden“. Prokschi: „Dadurch, dass hier die wiedererstandene und wiedererrichtete Griechisch-Katholische Kirche sozusagen der Haupt-Player geworden ist, ist die russische Orthdoxie in die Minderheit gedrängt und klagt immer wieder, dass dieses Gebiet für sie sozusagen verlorengegangen ist.“ Wenn man sich das Gebiet der russischen Orthodoxie anschaue, dann sei gerade die Ukraine ein wesentlicher Teil. Prokschi: „Weißrußland, Klein-Rußland – die Ukraine gilt als Klein-Rußland – und Groß-Rußland, die gehören gleichsam nach altem Denken zusammen, die sind schon im Zarenreich zusammengeführt worden ."

Werfel & Armenier

Thema der Tagung ist auch das Leid der Armenisch-Apostolischen Kirche, etwa durch den Völkermord 1915, „bei dem  an die  1,5 Millionen Armenier ihr Leben lassen mussten“. Auch das Leiden der  Russisch-Orthodoxen Kirche ist Tagungsthema. Nach der Oktoberrevolution bis zum Angriff von Hitler-Deutschland auf die Sowjetunion erlebte die Russisch-Orthodoxe Kirche „viel Brutalität und Verfolgung und Leid". Deshalb heißt es im Untertitel dieser Tagung: das Martyrium der Ostkirchen.

Langsam nehme man wahr, „dass die  Orthodoxen und Orientalisch-Orthodoxen Kirchen gemeinsam die zweitgrößte christliche Konfession in Österreich darstellen“. Im Hinblick auf die Armenier sei durch Franz Werfels Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ über den Völkermord an diesem Volk „ein gewisses Bewusstsein“ da. Insgesamt beklagt Prokschi im Hinblick auf die Ostkirchen „wenig gesichertes Wissen“ bei den Gläubigen hierzulande.