Die „Gretchen-Frage“ seit der Industrialisierung: Wie kann die Kirche die Menschen in der Großstadt erreichen?
Prälat Karl Rudolf: |
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Homepage des Pastoralamts der Erzdiözese Wien
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Die „Gretchen-Frage“ seit der Industrialisierung: Wie kann die Kirche die Menschen in der Großstadt erreichen?
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Vor 50 Jahren starb Prälat Karl Rudolf (1886 bis 1964), der Begründer des Wiener Seelsorgeinstitutes (heute: Pastoralamt).
„Es gibt in der Seelsorge Stürmer und Dränger neben Zögernden und Zaudernden. Prälat Rudolf gehörte zu den Stürmern und Drängern in der Kirche“ – so würdigte Kardinal Franz König Prälat Karl Rudolf, als dessen sterbliche Hülle am 27. August 1964 in der Domherrengruft von St. Stephan zur letzten Ruhe gebettet wurde.
Gestorben ist Prälat Karl Rudolf am 21. August 1964, dem Gedenktag des hl. Papstes Pius X. Dessen Wahlspruch „Omnia instaurare in Christo – Alles in Christus erneuern“ kann als Motto für das Lebenswerk von Prälat Karl Rudolf gelten.
Karl Rudolf wurde am 22. November 1886 in Wien-Erdberg geboren. Seine Eltern stammten beide aus Böhmen. Wie viele Tausend andere waren sie in ihrer Jugend in die mächtig aufblühende Haupt- und Residenzstadt der Habsburgermonarchie gezogen, um sich hier eine Existenz aufzubauen.
Mit 16 Jahren trat Karl Rudolf in die Marianische Kongregation ein. In diese Zeit fällt wohl auch sein Entschluss, Priester zu werden. Von 1908 bis 1912 studierte Karl Rudolf als Alumne des Wiener Priesterseminars, das sich zu diesem Zeitpunkt noch im Curhaus am Stephansplatz befand, Theologie. Sein Lieblingsfach an der Fakultät war Pastoraltheologie, die von Professor Heinrich Swoboda vorgetragen wurde. Mit seinem wahrhaft bahnbrechenden Werk „Großstadt-Seelsorge. Eine pastoraltheologische Studie“ (1909) führte dieser am Beginn des 20. Jahrhunderts anschaulich vor Augen, mit welch großen Problemen eine zeitgemäße Seelsorge, besonders in den Großstädten, zu kämpfen hatte. Sein Lieblingsschüler war Karl Rudolf. Dieser sollte dann in seinem Lebenswerk eine zeitgemäße Antwort auf die neuen Herausforderungen für die Seelsorge geben. Der Wunsch Swobodas, Rudolf möge einst sein Nachfolger auf seinem Lehrstuhl werden, ging dagegen nicht in Erfüllung.
In das Jahr der Priesterweihe von Karl Rudolf (25. Juli 1912) fiel der XXIII. Internationale Eucharistische Kongress, der im September 1912 in Wien abgehalten wurde. Nur ein Jahr lang war Karl Rudolf nach dem Kongress als Kooperator in Bruck an der Leitha tätig. Im August 1913 kehrte er wieder in das Priesterseminar zurück. Als Studienpräfekt im Seminar sollte er, aufgrund seiner ausgezeichneten Studienerfolge und Begabungen für eine spätere akademische Laufbahn bestimmt, noch genug Zeit haben, das theologische Doktorat zu erwerben bzw. sich später zu habilitieren. Nach der Abfassung der Dissertation „Die Geheime Offenbarung des Johannes“ wurde er am 15. März 1918 tatsächlich zum Doktor der Theologie promoviert.
1919 wurde Karl Rudolf, der in einem Vortrag aus dieser Zeit die „Gebildetenseelsorge" als „Königsproblem" der Seelsorge bezeichnet hatte, zum ersten Akademikerseelsorger der Erzdiözese Wien ernannt. Seit 1913 hatte er auch schon das im Rahmen des Katholischen Volksbundes gegründete „Sekretariat für soziale Studentenarbeit" geleitet.So fasste er im Jahr 1919 die katholischen Mittelschüler im „Christlich Deutschen Studentenbund „Jung-Österreich" zusammen. Gemeinsam mit Michael Pfliegler gründete Karl Rudolf im Jahr 1921 den Bund „Neuland".
Weggefährten von Karl Rudolf haben an ihm immer seine schier unerschöpfliche Fülle an Ideen und Arbeitsfeldern gerühmt. Schon auf einem Kleruskurs, den der Katholische Volksbund 1919 abhielt, hielt Karl Rudolf das Referat „Die Methoden der modernen Seelsorge". Er stellte darin drei Thesen zu einer zeitgemäßen Seelsorge auf. Er verlangte mehr Spezialisierung in der Seelsorge, stärkere Intensivierung und – hier durchaus eigenständig – eine planmäßigere „Dirigierung in der Seelsorge".
Am 10. April 1931 genehmigte Kardinal Friedrich Gustav Piffl die Gründung des „Wiener Seelsorgeinstitutes" unter der Leitung von Karl Rudolf.
In der Gründungsurkunde heißt es: „Zur Gründung haben folgende Erwägungen geführt, die heute sicher Allgemeingut des gesamten Diözesanklerus sind:
1. Dass wir uns bewusst sind der Not, in der sich heute die Seelsorge befindet. Sie greift auf keinem Gebiete, auch vielfach auf dem Lande nicht mehr wirklich durch, sie ist kaum noch irgendwo, wie sie sein sollte, auf Eroberung eingestellt. Wir können und wollen nicht glauben, dass dies unabänderlich, zwangsläufig so sein soll. Für alle Zeiten ist Christus Heiland, die Kirche Heilsanstalt, auch die Menschen unserer Zeit dürsten nach dem Heil, brauchen Seelsorge...".
Nach außen sichtbare Lebenszeichen waren vor allem die „Weihnachtsseelsorgertagungen" (heute „Österreichische Pastoraltagungen"), die seit 1931 abgehalten wurden. Auf diesen wurden Themen wie „Die lebendige Pfarrgemeinde" oder „Der lebendige Christ. Liturgie und Seelsorge" behandelt.
Der gewaltsame Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 und der bald einsetzende Kirchenkampf verlangten eine völlige Neuorganisation der seelsorglichen Arbeit der Erzdiözese Wien. Am 19. August 1938, als die Bischöfe Österreichs von sich aus die Verhandlungen mit den Nationalsozialisten über einen „modus vivendi" zwischen Kirche und nationalsozialistischen Staat abgebrochen hatten, erließ Kardinal Innitzer an die Erzbischöfliche Ordinariatskanzlei folgendes Dekret: „Die gänzlich umgestalteten Verhältnisse zwingen mich, die bisherige Katholische Aktion in neuen Formen weiterzuführen und sie dadurch noch enger als bisher an meine Führung anzuschließen.
Es werden drei Ämter neu errichtet, die dem Ordinariate eingegliedert sind und vor ihrem Namen die Bezeichnung ,Erzbischöfliches Ordinariat’ führen: das Seelsorgeamt, das Amt für Organisation und Rechtswahrung, das Finanzamt.
Das erste besteht aus dem bisherigen Seelsorgeinstitut und den bisherigen Hauptstellen der Naturstände in der KA; das zweite hat die Verhandlungen für die katholische Arbeit zu führen; das dritte endlich wird um die finanzielle Grundlage dieser Arbeit besorgt sein müssen".
Im Frühjahr 1946 hat Karl Rudolf unter dem Titel „Aufbau im Widerstand. Ein Seelsorgebericht aus Österreich 1938 – 1945“ die Arbeit des von ihm geleiteten Wiener Seelsorgeamtes in der NS-Zeit in einem Buch von gut 450 Seiten dargestellt.
Noch 1959, in dem Papst Johannes XXIII. die Abhaltung eines Ökumenischen Konzils ankündigte, richtete Prälat Rudolf in der Zeitschrift „Der Seelsorger" eine eigene Rubrik „Dem Konzil entgegen" ein. Tatsächlich bestätigte das Konzil, dessen Abschluss Karl Rudolf nicht mehr erlebte, vieles von dem, was im Wiener Seelsorgeinstitut bzw. im Seelsorgeamt vorgedacht und diskutiert worden war.
So war etwas der „Ständige Diakonat", der durch das Konzil wieder eingeführt wurde, schon 1942 in den Pastoralkonferenzen von den Priestern der Erzdiözese Wien unter dem Thema „Das Diakonat der Laien in Geschichte und Gegenwart“ diskutiert worden; das Thema hatte Prälat Rudolf mit seinem Seelsorgeamt vorgeschlagen.
Mag. Dr. Johann Weißensteiner
Leiter des Diözesanarchivs
Durchwahl: +43 1 515 52-3297
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