Kardinal John Henry Newman CO *21.2.1891 +11.8.1890 Heiligsprechung 13.10.2019
Kardinal John Henry Newman CO *21.2.1891 +11.8.1890 Heiligsprechung 13.10.2019
Am 9. Oktober feiert die Kirche den Gedenktag des Heiligen John Henry Newman. Am Sonntag, 13. Oktober 2019 nahm Papst Franziskus den früheren anglikanischen Geistlichen in das Verzeichnis der Heiligen auf.
Zu den überragenden Gestalten der Kirchengeschichte, deren Leben und Werk bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben, gehört zweifelsohne der am 21. Februar 1801 in London geborene John Henry Newman.
Im Jahre 1816 erlebte Newman eine erste „Bekehrung“, die einen tiefen Eindruck in ihm hinterließ:
„Als ich fünfzehn Jahre alt war, ging in meinem Denken eine große Änderung vor sich. Ich kam unter den Einfluss eines bestimmten Glaubensbekenntnisses und mein Geist nahm dogmatische Eindrücke in sich auf, die durch Gottes Güte nie mehr ausgelöscht und getrübt wurden“.
Vor allem der Glaube an die allerheiligste Dreifaltigkeit wurde für ihn zu einer lebendigen Wirklichkeit. Zeit seines Lebens hielt Newman daran fest, dass das Christentum auf einem bestimmten Glaubensbekenntnis beruht und somit auf einer verbindlich festgelegten Lehre, dem Dogma der Kirche.
Nach seinem Studium wurde Newman Fellow am Oriel College in Oxford und anglikanischer Geistlicher. Zunächst hing er der evangelikalen Richtung in der Church of England an und versuchte in diesem Sinne, das religiöse Leben der Universitätsstadt, das unter dem vorherrschenden Rationalismus der Zeit litt, zu heben.
Durch das Studium der Kirchenväter, d. h. der Theologen und Schriftsteller, auf deren heiligmäßiges Leben und deren rechtgläubige Lehren die Kirche sich seit dem 4. Jahrhundert als Zeugen des Glaubens berief, entdeckte Newman den Reichtum der katholischen Glaubensfülle.
Zusammen mit John Keble und anderen begründete Newman die „Oxfordbewegung“, die das katholische Erbe in der englischen Staatskirche wiederbeleben wollte. Durch umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit versuchten die Traktarianer (der Name leitet sich von ihrer Reihe Tracts for the Times ab), die anglikanische Via media zwischen den Abirrungen und Auswüchsen der römischen Kirche und dem Rationalismus und Glaubensabfall des Protestantismus aufzuweisen.
Newman war nicht nur ein hochangesehener Prediger, Universitätslehrer und Erzieher; in seinen Kirchenväterstudien trat er auch als einer der bedeutenden Theologen seiner Epoche hervor. Wachsender Widerstand gegen die Oxfordbewegung in der Church of England und innere Zweifel an der Richtigkeit der Lehre von der anglikanischen Via media bewirkten in Newman eine Krise, in deren Folge er seine Tätigkeit als Universitätsseelsorger und Dozent am Oriel College aufgab und sich in das Dorf Littlemore bei Oxford zurückzog.
Dort führte er mit Freunden ein klösterliches Leben und suchte Klarheit in den großen Fragen, die ihn bewegten. Konnte die anglikanische Kirche als Teil der katholischen Kirche verstanden werden? Konnte sie nach ihrem Bruch mit Rom im 16. Jahrhundert den Anspruch geltend machen, in Kontinuität mit der Kirche der Väterzeit zu stehen?
Newman erkannte, dass der bloße Rückgriff auf das Altertum nicht genügt, entscheidend ist vielmehr das Urteil der katholischen Kirche.
Schon in der frühen Kirche galt dieses Prinzip, wie der hl. Augustinus betonte: „Sonach urteilt ruhevoll der Erdkreis, gut könnten die nicht sein, die sich, in irgendeinem Winkel des Erdkreises, vom Erdkreis abtrennen“.
Diese Einsicht erschütterte Newman:
„Denn ein bloßer Ausspruch, die Worte des hl. Augustinus, trafen mich mit einer Wucht, wie ich sie nie zuvor empfunden hatte. Sie … glichen dem ‘Tolle, lege’ … des Kindes, das den hl. Augustinus bekehrte. ‘Securus judicat orbis terrarum.’ Diese großen Worte des alten Kirchenvaters lösten die Theorie der Via media vollständig in Staub auf“
Nach dramatischen Wochen und Monaten des inneren Ringens wurde Newman schließlich am 8. Oktober 1845 in Littlemore von dem (1963 seliggesprochenen) italienischen Passionistenpater Domenico Barberi in die katholische Kirche aufgenommen.
Für uns heute ist kaum nachvollziehbar, wie schwerwiegend dieser Schritt war. Newman war eine der bekanntesten Persönlichkeiten in der anglikanischen Staatskirche, Dozent in Oxford, Vorbild einer Generation von Studenten und Geistlichen und auf der Höhe seines Schaffens. Die katholische Kirche galt dem bürgerlichen Establishment des viktorianischen England als fremde, sektiererische Gruppe, deren Mitglieder aus den untersten Bevölkerungsschichten, vor allem den armen irischen Einwanderern, stammten. In einem allgemein liberal und fortschrittlich gesinnten Klima rief ein solcher Übertritt Befremden, wenn nicht Verachtung hervor. Ablehnend wurde Newmans Konversion auch in seiner Familie aufgenommen. Doch Newman ließ alles hinter sich, um dem „kindly light“ des Glaubens zu folgen.
Newman, der auch in seiner anglikanischen Zeit zölibatär gelebt hatte, zog es zum katholischen Priestertum und er entdeckte das Oratorium des hl. Philipp Neri. In dieser Gemeinschaft von Weltpriestern ohne Ordensgelübde sah er die ideale Lebensform für das Wirken der Gruppe von englischen Universitätsabsolventen, die mit ihm konvertiert waren. Seine Kongenialität mit dem hl. Philipp Neri ließ Newman zum Begründer des Oratoriums in England werden, wobei er die Regel des römischen Instituts aus dem 16. Jahrhundert behutsam modifizierte im Hinblick auf die englische Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts. Newmans Oratorium wurde 1848 in Birmingham kanonisch errichtet, wenig später kam es auch zur Gründung eines Hauses in London.
Die katholische Zeit Newmans war zunächst geprägt von großen Schwierigkeiten. Der Gruppe der neuen Konvertiten begegnete man nicht selten mit Misstrauen, Newmans Rechtgläubigkeit wurde angezweifelt, und besonders von Seiten extremer Ultramontaner wurde ihm vorgeworfen, er bestreite die volle Autorität des Papstes.
Hinzu kamen Enttäuschungen wie das abgebrochene Projekt einer katholischen Universität in Dublin, deren erster Rektor Newman war, und öffentliche Anfeindungen, als Newman in den sogenannten Achili-Prozess und die mit ihm verbundene antikatholische Kampagne verwickelt wurde. Auch in den Jahren schwerer persönlicher Krise strahlt jedoch Newmans Glaubensgewissheit:
„Von der Zeit an, dass ich katholisch wurde, habe ich natürlich keine Geschichte meiner religiösen Anschauungen mehr zu schreiben. Damit will ich nicht sagen, dass mein Geist müßig gewesen sei, oder dass ich aufgehört hätte, über theologische Fragen nachzudenken; sondern dass ich keine Änderungen mehr durchzumachen hatte und keinerlei Besorgnis mehr im Herzen trug. Ich habe in vollkommenem Frieden und ungestörter innerer Ruhe gelebt, ohne je von einem einzigen Zweifel heimgesucht zu werden. … es schien mir, als hätte ich nach stürmischer Fahrt den sicheren Hafen erreicht; und das Glück, das ich darüber empfand, hat bis heute ununterbrochen angehalten“
Dieses bewegende Bekenntnis stammt aus der Apologia pro Vita Sua aus dem Jahre 1864, Newmans Antwort auf die Angriffe des anglikanischen Geistlichen Charles Kingsley.
Durch die Apologia, einen wirklichen Klassiker der religiösen Literatur, gewann Newman allgemeine Anerkennung sowohl in der katholischen als auch in der anglikanischen Öffenlichkeit.
Von Newmans Schriften aus seiner katholischen Zeit seien hier nur zwei Werke erwähnt, erstens eine Darstellung der katholischen Marienlehre und –frömmigkeit, die an seinen ehemaligen Weggefährten in der Oxfordbewegung E. B. Pusey gerichtet war, und zweitens der Brief an den Herzog von Norfolk, in dem er die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit, kurz nachdem sie vom Ersten Vatikanischen Konzil feierlich zum Dogma erhoben worden war, verteidigte und erklärte.
Die Wertschätzung, die Newman in seinen letzten Lebensjahrzehnten widerfuhr, fand ihren besonderen Ausdruck in der Erhebung zum Kardinal durch Papst Leo XIII. im Jahre 1879. In der sog. „Bigliettorede“, die Newman in Rom zu diesem Anlass hielt, fasste er sein Lebenswerk zusammen:
„Über 30, 40, 50 Jahre lang hin habe ich mich unter vollem Einsatz meiner Kräfte dem Geist des Liberalismus in der Religion widersetzt. . . . Liberalismus in der Religion ist die Lehre, dass es in der Religion keine positive Wahrheit gibt, sondern dass ein Bekenntnis so gut ist wie das andere, und dies ist die Lehre, die Tag für Tag an Einfluss und Macht gewinnt. Sie ist unvereinbar mit irgendeiner Anerken-nung irgendeiner Religion als wahr. Sie lehrt, alles müsste toleriert werden, denn alles sei schließlich eine Sache der persönlichen Ansicht. Geoffenbarte Religion ist keine Wahrheit, sondern eine Sache des Gefühls und des Geschmacks, sie ist kein objektives Faktum, gehört in den Bereich des Wunderbaren. Jeder hat darüber hinaus das Recht, ihr die Aussagen zuzu-schreiben, die ihm gerade an ihr auffallen“
John Henry Newman starb hochbetagt am 11. August 1890 im Kreise der Oratorianer von Birmingham. Newman war ein leidenschaftlicher und kompromissloser Sucher nach der Wahrheit – der sich an die Wahrheit hielt, wenn er sie einmal gefunden hatte. Der Prozess für seine Seligsprechung ist weit fortgeschritten. Papst Johannes Paul II. stellte am 22. Januar 1991 den heroischen Tugendgrad fest und erklärte Newman zum „ehrwürdigen Diener Gottes“.. Am 3. Juli 2009 hat Papst Benedikt XVI. das für die Seligsprechung notwendige Wunder rekognosziert. Am 19.September 2010 wurde er in Birmingham seliggesprochen.
Schwerpunkt Heilige und Selige