Das Grab des Hl. Koloman in der Benediktinerabtei Melk.
Das Grab des Hl. Koloman in der Benediktinerabtei Melk.
Koloman, vermutlich ein irischer Pilger, von Mitchristen aus Angst erhängt und schließlich als Märtyrer zum Landespatron erhoben, stellt uns noch heute infrage.
1012 wird in Stockerau ein Mann aufgegriffen, der sich aufgrund seiner offensichtlich fremden Herkunft und Muttersprache nicht erklären kann und so schnell in den Verdacht gerät, ein „potentieller Gefährder“ zu sein. Es wird ihm der sprichwörtliche „kurze Prozess“ gemacht: Koloman wird an einem Baum erhängt und sein Leichnam zur Abschreckung über ein Jahr hängengelassen. Als sein Leichnam allerdings völlig intakt bleibt und sich erste Heilungswunder bei der Berührung mit dem Toten ereignen, wird aus dem gefährlichen Fremden schnell ein weitum verehrter Heiliger.
Im Nachhinein weiß man es besser: Koloman, wie man ihn nun nennt, muss wohl ein irischer Pilger auf dem Weg ins Heilige Land gewesen sein. Sein Tod war somit ein Martyrium und Märtyrer brauchen eine angemessene Grabstätte. Der Babenbergerherzog Heinrich lässt Kolomans Leichnam in seiner Residenz in Melk, wo sich heute das berühmte Benediktinerkloster befindet, bestatten und ruft ihn zum Landespatron aus. Obwohl die angestrebte Heiligsprechung durch den Papst nie erreicht wird, bleibt er unbestrittener Patron des damaligen Österreichs bis ins 17. Jahrhundert. Ab dann löst ihn der Hl. Leopold in dieser Rolle ab und die Verehrung Kolomans, die sich bis dahin in vielen Kirchen- und Ortspatrozinien im ganzen Land ausgedrückt hat, nimmt schrittweise ab.
An der Stelle seines Martyriums werden schon früh eine Kirche und später ein Franziskanerkloster errichtet. Heute befindet sich an dieser Stelle das Kloster St. Koloman der Steyler Missionssschwestern. Fremdheit und Sprachbarriere hat Koloman zum „Märtyrer von Christenhand“ gemacht. Sein jährlicher liturgischer Gedenktag, der in der Erzdiözese Wien und besonders festlich im Stift Melk gefeiert wird, kann Anlass sein, uns mit unserer eigenen Fremdenangst kritisch auseinanderzusetzen. Jeder Unbekannte ist zunächst ein Mensch wie ich und potentiell sogar ein Heiliger.