Hl. Edith Stein (Theresia Benedicta a Cruce): "Es ist ein weiter Weg bis zu einem Leben an Gottes Hand und aus Gottes Hand."
Hl. Edith Stein (Theresia Benedicta a Cruce): "Es ist ein weiter Weg bis zu einem Leben an Gottes Hand und aus Gottes Hand."
Von der Atheistin zur Heiligen - Von Elke Deimel
Edith Stein (1891-1942) gilt als eine der bedeutendsten Frauen des 20. Jahrhunderts: Jüdin, Atheistin, Philosophin, Christin, Karmelitin, Märtyrerin. Als Jüngste einer jüdischen Familie wusste sie, "dass es wichtiger sei, gut zu sein als klug". Hochbegabt und sensibel bezeichnet sie sich mit 14 Jahren als Atheistin. Ihr Lebensmotto: "Der Menschheit dienen". Mit ihrer Taufe am 1. Jänner 1922 nimmt ihr Leben eine neue Wendung.
Vielseitig interessiert und engagiert hatte sie zuvor beim Phänomenologen Edmund Husserl studiert und promoviert. Während ihrer Doktorarbeit gerät sie in eine tiefe Krise. Suizidgedanken quälen sie. Ermutigung erfährt sie von Adolf Reinach, einem konvertierten Phänomenologen, der 1917 in Flandern fiel. In der Begegnung mit dessen gläubiger Witwe spürt sie: "Mein Unglaube brach zusammen, und Christus strahlte mir auf im Geheimnis des Kreuzes."
Derweil zerbrechen ihre Lebenspläne: Als Frau hat sie keine Aussicht auf Habilitation; ihre Liebe zu zwei Philosophen wird nicht erwidert. 1921 liest Edith die Autobiografie der Reformerin des Karmel, Teresa von Avila, und ist nach der Lektüre sicher: "Das ist die Wahrheit!" Die Beschäftigung mit der Karmelitin habe ihrem "langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht".
Auch Teresas Beschreibung des inneren Betens fasziniert sie: "Beten ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt." Am 1. Januar 1922 wird Edith Stein getauft.
Nun ist das Ziel ihrer Sehnsucht der Karmel. Doch mit Rücksicht auf ihre jüdische Mutter, die ihre Konversion zutiefst schockiert, schiebt sie den Herzenswunsch auf. Von 1922 bis 1933 übt sie zunächst eine Lehrtätigkeit in Speyer und Münster aus und hält Vorträge im In- und Ausland, meist zu Themen der Mädchen- und Frauenbildung, die ihr am Herzen liegt.
Die Liebe zu Jesus prägt von nun an ihr Leben. In diesen Jahren wird sie für viele Menschen zu einer Ratgeberin auf dem Glaubensweg, weil sie selbst das lebt, was sie anderen rät. Sie schreibt: "Es ist ein weiter Weg bis zu einem Leben an Gottes Hand und aus Gottes Hand." Das sagt eine hochbegabte Frau, deren Lebenspläne oft durchkreuzt wurden.
Was hat ihr geholfen zu diesem tiefen Gottvertrauen? In einem Brief gibt sie den Rat: "Es kommt nur darauf an, dass man zunächst einmal einen stillen Winkel hat, in dem man mit Gott so verkehren kann, als ob es sonst überhaupt nichts gäbe, und das täglich." Stein vermag die eigene Lebensgeschichte im Licht des Glaubens zu deuten: "Was nicht in meinem Plan lag, das hat in Gottes Plan gelegen. ... Es erfüllt mich immer wieder mit Dankbarkeit, wenn ich an die wunderbaren und geheimnisvollen Fügungen Gottes in unserem Leben denke."
Als vielbeschäftigte, berufstätige Frau lebt sie den Glauben vor allem aus der täglichen Eucharistiefeier. Das Glück dieser Christusbeziehung behält sie nicht nur für sich: "Ich glaube: Je tiefer jemand in Gott hineingezogen wird, desto mehr muss er auch aus sich herausgehen, das heißt in die Welt hinein, um das göttliche Leben in sie hineinzutragen." Das hat Stein nicht nur mit Worten, sondern ebenso in ihrer Sorge für Bedürftige bewiesen.
1933 darf sie als jüdische Wissenschaftlerin nicht mehr arbeiten. Nach langem Warten tritt sie in den Kölner Karmel ein und nimmt den Namen ihrer geliebten Teresa an. Beim Eintritt sagt sie: "Nicht die menschliche Tätigkeit kann uns retten, sondern das Leiden Christi. Daran Anteil zu haben ist mein Verlangen." Im Karmel schreibt Stein ihr Hauptwerk "Endliches und ewiges Sein". Über die Existenzphilosophie hinaus sucht sie nach einem "in sich begründeten Sein, nach Einem, der das 'Geworfene' wirft".
1942 wird ihr Leben endgültig durchkreuzt: Sie und ihre Schwester werden deportiert und am 9. August in Auschwitz vergast. Die Mystikerin glaubte fest daran, dass sich nach dem Tod "einzelne verlorene Töne, die ... der Wind von einer in weiter Ferne erklingenden Symphonie zuträgt", zu einem "vollendeten Sinnzusammenhang" fügen.