Franz Jägerstätter in Wehrmachtsuniform.
Franz Jägerstätter in Wehrmachtsuniform.
Franz Jägerstätter war ein Prophet mit Weitblick und Durchblick – und war ein gläubiger Mensch, dem Gott wirklich Mitte und Zentrum des Lebens war, schreibt Bischof Manfred Scheuer über den neuen Seligen.
Franz Jägerstätter war ein “wacher“ Mensch. Die biblische Wachsamkeit ist für ihn eine Grundhaltung. Er verweist dafür auf die Gleichnisse von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1-12) und auf das Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30). Wachsamkeit fordert er zum einen sich selbst gegenüber, damit das klare moralische Urteil nicht verloren geht, zum anderen aber auch und besonders gegenüber gesellschaftlichen und politischen Vorgängen. Wachsamkeit ist gekoppelt mit der Unterscheidungsgabe. Und Jägerstätter war eine prophetische Gestalt, weil er die Gabe der Unterscheidung der Geister hatte.
Bei der Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister geht es um ein Sensorium, Entwicklungen, die im Ansatz schon da sind, aber noch durch vielerlei überlagert werden, vorauszufühlen. Sie blickt hinter die Masken der Propaganda, hinter die Rhetorik der Verführung, sie schaut auf den Schwanz von Entwicklungen, z.B. was Versprechen von Arbeit und Brot, die Zusage von nationalem Selbstbewusstsein oder die Verheißungen großer Siege anlangt.
Bei der Unterscheidung der Geister geht es um ein Zu-Ende-Denken und Zu-Ende-Fühlen von Antrieben, Motiven, Kräften, Strömungen, Tendenzen und möglichen Entscheidungen im individuellen, aber auch im politischen Bereich. Was steht an der Wurzel, wie ist der Verlauf, und welche Konsequenzen kommen heraus? Entscheidend ist positiv die Frage, was auf Dauer zu mehr Trost, d. h. zu einem Zuwachs an Glaube, Hoffnung und Liebe führt. Nach seiner Verurteilung schreibt Jägerstätter: “Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, wie peinlich oft das Leben ist, wenn man so als halber Christ dahinlebt, es ist schon mehr ein Vegetieren als Leben.“ Es ist die positive Suche nach Glück, Sinn und Heil, die ihn im Glauben verwurzeln lässt. Dieses Glück bindet er an Jesus Christus: “So glücklich ist kein Glücklicher, als der, welcher Christus im Herzen trägt.“
Negatives Kriterium für die Unterscheidung ist die Destruktivität des Bösen, das vordergründig unter dem Schein des Guten und des Faszinierenden antritt. Unterscheidung der Geister ist so gesehen ein Frühwarnsystem, eine Stärkung des Immunsystems gegenüber tödlichen Viren. “Treiben wir nicht gerade in der jetzigen Zeit fast alle mehr oder weniger ein falsches Spiel? Wissen wir denn nicht, dass wir als gute und edle Früchte befunden werden müssen, um ins Himmelreich eingehen zu können? Es ist daher unmöglich, dass Falschheit zur Vollkommenheit führen kann“, so schreibt er in seinen Aufzeichnungen
Absolutes und letztes Kriterium für die Unterscheidung der Geister ist bei Jägerstätter der Wille Gottes: “Das Festhalten des Willens des Vaters ist für Jesus die oberste Norm.“ An Jesus liest er den Willen des Vaters ab: “Wenn uns der ‚Sinn Christi‘ abgeht, werden wir nie den Standpunkt wahrhaft religiöser Menschen verstehen.“ Franz Jägerstätter ist ein Prophet mit einem Weitblick und Durchblick, wie ihn damals die wenigsten seiner Zeitgenossen hatten, er ist Vorbild in der Treue zum Gewissensanspruch, Anwalt der Gewaltlosigkeit und des Friedens, Warner vor Ideologien, er ist ein gläubiger Mensch, dem Gott wirklich Mitte und Zentrum des Lebens war.
Sein prophetisches Zeugnis für die christliche Wahrheit beruhte auf einer klaren und weitsichtigen Analyse der Barbarei des menschen- und gottverachtenden Systems des Nationalsozialismus, seines Rassenwahns, seiner Ideologie des Krieges und der Staatsvergottung wie seines erklärten Vernichtungswillens gegenüber Christentum und Kirche. Jägerstätter hat objektiv Zeugnis für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit, insofern sie auf Gott bezogen sind, abgelegt. Jägerstätter war in seiner Diagnose nicht geblendet, sondern klarer und weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen.
“Wenn ich diese Worte auch mit gefesselten Händen schreibe, aber immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre.
Offensichtlich zeigt Gott manchmal seine Kraft, die er dem Menschen zu geben vermag, die ihn lieben und nicht das Irdische vorziehen.
Nicht Kerker, nicht Fesseln, auch nicht der Tod sind es imstande, einen von der Liebe Gottes zu trennen, ihm seinen Glauben und den freien Willen zu rauben.
Gottes Macht ist unbesiegbar.“
(sel. Franz Jägerstätter)
Am 9. August 1943 schrieb Franz Jägerstätter an seine Frau und seine Familie. Der Anfang des Briefs lautet:
“Gott zum Gruß Herzallerliebste Gattin. Und alle meine Lieben. … Heute früh um zirka halb 6 Uhr hieß es sofort anziehen das Auto wartet schon, und mit mehreren Todeskandidaten ging dann die Fahrt hierher nach Brandenburg, was mit uns geschehen wird, wussten wir nicht. Erst zu Mittag teilte man mir mit, dass das Urteil am 14. bestätigt wurde und heute um 4 Uhr nachmittags vollstreckt wird. Will euch nun kurz einige Worte des Abschiedes schreiben. Liebste Gattin und Mutter. Bedanke mich nochmals herzlich für alles, das Ihr in meinem Leben alles für mich getan, für all die Liebe und Opfer, die Ihr für mich gebracht habt, und bitte Euch nochmals, verzeiht mir alles, was ich Euch beleidigt und gekränkt habe, sowie Euch auch von mir alles verziehen ist ... Möge Gott mein Leben hinnehmen als Sühn-Opfer nicht bloß für meine Sünden, sondern auch für andere.“
Am selben Tag wurde Franz Jägerstätter enthauptet.