Vier Päpste: zwei heiliggesprochen, zwei am Petersplatz.
Vier Päpste: zwei heiliggesprochen, zwei am Petersplatz.
Kathpress-Korresopndent Johannes Schidelko berichtet von der Heiligsprechung mit einer Million Pilger am Petersplatz.
Die katholische Kirche hat zwei neue Heilige. Bei einer großen Messe mit 800.000 Gläubigen auf dem Petersplatz und Umgebung hat Papst Franziskus am Sonntag seine Vorgänger Johannes XXIII. (1958-63) und Johannes Paul II. (1978-2005) offiziell in das Verzeichnis der Heiligen eingetragen.
Zur Messe mit 150 Kardinälen, 1.000 Bischöfen und 5.000 Priestern verließ auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. sein vatikanisches Kloster und trat zum zweiten Mal seit seinem Rücktritt in die Öffentlichkeit. Er gehörte zu den sechs Konzelebranten der Festmesse, trat aber nicht an den Papstaltar, sondern begleitete die zweistündige Zeremonie von seinem Sessel neben den Kardinälen aus. Was nicht nur seinem Alter von 87 Jahren geschuldet war, sondern vielleicht auch dem Wunsch, mögliche Irritationen über zwei Päpste nebeneinander am Altar zu vermeiden.
Es war der besondere Wunsch von Papst Franziskus, seine beiden sehr unterschiedlichen Vorgänger bei einer Feier gemeinsam zur Ehre der Altäre zu erheben. Beide seien mutige Männer gewesen, die die Tragödien des 20. Jahrhunderts erlebt hätten, von ihnen aber nicht überwältigt worden seien, betonte er in seiner Predigt. Beide hätten sich in Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist bemüht, die Kirche "entsprechend ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und zu aktualisieren", umriss er die Gemeinsamkeiten. Und beiden hätten unauslöschlich zu Entwicklung de Völker und zum Frieden beigetragen.
Dabei würdigte er Johannes XXIII. als Papst des Konzils, der die Kirchenversammlung in Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist einberufen hatte. Den Polen Johannes Paul II. bezeichnete Franziskus als "Papst der Familie" - vielleicht etwas überraschend, weil andere Aspekte wie seine Missionstätigkeit durch die Reisen oder seine "politischen" Erfolge für Frieden und Freiheit ungenannt blieben. Der Wojtyla-Papst solle die Kirche bei den beiden nächsten Bischofssynoden zur Familienpastoral in besonderer Weise vom Himmel aus begleiten und unterstützen, sagte Franziskus.
Die Heiligsprechung der beiden Päpste war für die Kirche zweifellos das "Ereignis des Jahres". Die 1,2 Milliarden Mitglieder zählende Weltkirche hat zwei neue Heroen, deren Erhebung der Vatikan in einer würdigen und symbolkräftigen Zeremonie proklamierte. Mit einer Feier, bei der auch die beiden durch Wunder des heiligen Wojtyla-Papstes geheilten Personen mitwirkten.
Es war ein internationales Ereignis, bei dem die Weltkirche feierte. Auf dem Petersplatz und der umliegenden Zonen, wie auf den zahlreichen Riesenbildschirmen an Knotenpunkten der Stadt sah man Fahnen, Transparente und Spruchbänder aus aller Welt. Besonders dominierten die rot-weißen Banner aus Polen. Die Landsleute des neuen Heiligen hatten zum Teil strapaziöse Nachtreisen per Bus auf sich genommen, um bei der Feier im Vatikan mit dabei zu sein. Mehr als hundert politische Delegationen von Königen, Präsidenten, Regierungschefs und Ministern belegten zudem das Ansehen, das die beiden Kirchen-Heroen auch außerhalb des kirchlichen Bereichs genießen.
Die Stadt Rom, die ihrerseits eine Teilnehmerzahl von einer Millionen nannte, hat die Mammutveranstaltung mit Routine bewältigt. Immerhin konnte sie in den vergangenen Jahren mehrfach Erfahrungen im organisatorischen und sicherheitstechnischen Umgang mit Menschenmassen sammeln, etwa 2011 bei der Seligsprechung von Johannes Paul II., oder im vergangenen Jahr zum Pontifikatswechsel. Die Lenkung der Pilgerströme, die schrittweise Absperrung und Öffnung von Straßenzügen und Stadtvierteln, die Sicherung der Vips wie auch die medizinische Betreuung verliefen weitgehend reibungslos.
Fast ein Wunder war unterdessen, dass den Teilnehmern die prognostizierten Unwetter erspart blieben. Am Samstagabend fiel kurz etwas Regen, bei der Papstmesse am Sonntagvormittag gab es nur wenige Tropfen. Das Kirchenereignis wurde zu einer friedlichen Invasion und einem großen bunten Fest, das Papst Franziskus mit einer Fahrt im offenen Papamobil über den Petersplatz abschloss. Rom wurde wieder einmal zum Mittelpunkt des (katholischen) Erdkreises.
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Petersplatz
2. Sonntag in der Osterzeit (oder Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit), 27. April 2014
Im Mittelpunkt dieses Sonntags, der die Osteroktav beschließt und den der heilige Johannes Paul II. der Göttlichen Barmherzigkeit geweiht hat, stehendie glorreichen Wunden des auferstandenen Jesus.
Schon beim ersten Mal, als Jesus am Abend des Tages nach dem Sabbat, am Tag der Auferstehung, den Aposteln erschien, zeigte er ihnen seine Wunden. An jenem Abend war aber Thomas, wie wir gehört haben, nicht dabei. Und als die anderen ihm sagten, dass sie den Herrn gesehen hatten, antwortete er, er werde nicht glauben, bevor er jene Wunden nicht gesehen und berührt habe. Acht Tage darauf erschien Jesus erneut im Abendmahlssaal inmitten der Jünger, und auch Thomas war da. Jesus wandte sich an ihn und forderte ihn auf, seine Wunden zu berühren. Und da kniete dieser ehrliche Mann, der daran gewöhnt war, alles selbst zu überprüfen, vor Jesus nieder und sagte: »Mein Herr und mein Gott!« (Joh 20,28).
Die Wunden Jesu sind ein Ärgernis für den Glauben, aber sie sind auch einNachweis für den Glauben. Darum verschwinden die Wunden am Leib des auferstandenen Christus nicht; sie bleiben, denn diese Wunden sind das ständige Zeichen der Liebe Gottes zu uns, und sie sind unerlässlich für den Glauben an Gott. Nicht um zu glauben, dass Gott existiert, sondern um zu glauben, dass Gott Liebe, Barmherzigkeit und Treue ist. Der heilige Petrus nimmt die Worte des Propheten Jesaja auf und schreibt an die Christen: »Durch seine Wunden seid ihr geheilt« (1 Petr 2,24; vgl. Jes 53,5).
Der heilige Johannes XXIII. und der heilige Johannes Paul II. hatten den Mut, die Wundmale Jesu anzuschauen, seine verwundeten Hände und seine durchbohrte Seite zu berühren. Sie haben sich der Leiblichkeit Christi nicht geschämt, haben an ihm, an seinem Kreuz keinen Anstoß genommen; sie haben die Leiblichkeit des Mitmenschen nicht gescheut (vgl. Jes 58,7), denn in jedem leidenden Menschen sahen sie Jesus. Sie waren zwei mutige Männer, erfüllt vom Freimut des Heiligen Geistes, und haben der Kirche und der Welt Zeugnis gegeben von der Güte Gottes und von seiner Barmherzigkeit.
Sie waren Priester und Bischöfe und Päpste des 20. Jahrhunderts. Dessen Tragödien haben sie erfahren, sind davon aber nicht überwältigt worden. Stärker war in ihnen Gott; stärker war der Glaube an Jesus Christus, den Erlöser des Menschen und Herrn der Geschichte; stärker war in ihnen die Barmherzigkeit Gottes, die sich in diesen fünf Wunden offenbart; stärker war die mütterliche Liebe Marias.
In diesen beiden Männern, die in der Betrachtung der Wunden Christi lebten und Zeugen seiner Barmherzigkeit waren, wohnte »eine lebendige Hoffnung« vereint mit »unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude« (1 Petr 1,3.8) – die Hoffnung und die Freude, die der auferstandene Christus seinen Jüngern schenkt und die nichts und niemand ihnen nehmen kann. Die österliche Hoffnung und die österliche Freude, die den Schmelztiegel der Entäußerung und der inneren Leere, der Nähe zu den Sündern bis zum Letzten, bis zum Überdruss angesichts der Bitterkeit dieses Kelches durchschritten haben: Das sind die Hoffnung und die Freude, mit denen die beiden heiligen Päpste vom auferstandenen Herrn beschenkt wurden und die sie ihrerseits in Fülle an das Volk Gottes verschenkt haben, wofür sie ewigen Dank empfangen.
Diese Hoffnung und diese Freude bildeten das Klima, in dem die Urgemeinde der Gläubigen in Jerusalem lebte, von der uns die Apostelgeschichte berichtet, die wir in der zweiten Lesung gehört haben (vgl. 2,42-47). Es ist eine Gemeinde, in der das Wesentliche des Evangeliums gelebt wird, nämlich die Liebe und die Barmherzigkeit in Einfachheit und Brüderlichkeit.
Und das ist das Bild der Kirche, das dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorschwebte. Johannes XXIII. und Johannes Paul II. haben mit dem Heiligen Geist zusammengearbeitet, um die Kirche entsprechend ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und zu aktualisieren, entsprechend der Gestalt, die ihr im Laufe der Jahrhunderte die Heiligen verliehen haben. Vergessen wir nicht, dass es gerade die Heiligen sind, die die Kirche voranbringen und wachsen lassen. In der Einberufung des Konzils hat der heilige Johannes XXIII. eine feinfühlige Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist bewiesen, hat sich führen lassen und war für die Kirche ein Hirte, ein geführter Führer, geführt vom Heiligen Geist. Das war sein großer Dienst an der Kirche; darum denke ich gerne an ihn als den Papst der Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist.
In diesem Dienst am Volk Gottes ist der heilige Johannes Paul II. der Papst der Familie gewesen. So wollte er, wie er einmal sagte, in die Erinnerung eingehen: als Papst der Familie. Ich hebe das gerne hervor, da wir gerade einen Weg zur Synode über die Familie und mit den Familien beschreiten, den er vom Himmel her sicher begleitet und unterstützt.
Mögen diese beiden neuen heiligen Hirten des Gottesvolkes mit ihrer Fürsprache für die Kirche eintreten, damit sie in diesen zwei Jahren des Synodenweges fügsam sei gegenüber dem Heiligen Geist in ihrem pastoralen Dienst an der Familie. Mögen beide uns lehren, keinen Anstoß zu nehmen an den Wunden Christi und in das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit einzudringen, die immer hofft und immer verzeiht, weil sie immer liebt.