Fatima, ein Ort der bewegt.
Fatima, ein Ort der bewegt.
Zum Fatima-Jubiläum: Warum die gesunde katholische Marienverehrung in das Ganze der Lehre von Gott und der Kirche eingebettet sein muss.
Jedes Jahr pilgern hunderte Gläubige aus der Erzdiözese Wien nach Fatima (Portugal), um an diesem Ort Maria als Fürsprecherin anzurufen. Besonders im Jubiläumsjahr 2017 stellt sich dabei die Frage, wie weit Marienverehrung gehen darf. Der emeritierte Wiener Universitätsprofessor für Spirituelle Theologie, Josef Weismayer, veranschaulicht die Eckdaten der katholischen Marienfrömmigkeit.
Wie sieht eine gesunde katholische Marienfrömmigkeit aus?
Als Orientierung für die Marienverehrung heute muss die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils gelten. Eines der zentralen Lehrdokumente des Konzils, die Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, skizziert im umfangreichen 8. Kapitel das Verständnis der Gottesmutter Maria „im Geheimnis Christi und der Kirche“.
Was sind die wichtigsten Inhalte dieses angesprochenen 8. Kapitels?
Papst Paul VI. hat dazu in seinem Apostolischen Schreiben „Marialis cultus“ vom 2. Februar 1974 Stellung genommen. Leider ist dieses Dokument nicht sehr bekannt geworden. Vier Orientierungspunkte nennt der Papst für die rechte katholische Marienfrömmigkeit. Wichtig ist ihre biblische Ausrichtung, sie sollte den Grundsätzen der Liturgie entsprechen, sie soll weiters ökumenisch „rücksichtsvoll sein“, d. h. die getrennten Christen nicht durch Übertreibungen zu irrigen Auffassungen über die katholische Marienverehrung führen. Von besonderer Bedeutung scheint mir der vierte Gesichtspunkt, den Papst Paul VI. ausführt: Das Bild Marias soll mit den Lebensbedingungen der modernen Frau in Einklang stehen. Die Marienverehrung darf nicht ein Frauenbild transportieren, das einem vergangenen sozialen und kulturellen Rahmen entspricht. Die Jungfrau Maria ist vielmehr „das Beispiel einer vollkommenen Christusjüngerin, die tatkräftig am Aufbau der irdischen Gesellschaft mitarbeitet, die eine glaubwürdige Zeugin jener Liebe ist, die Christus in den Herzen der Menschen auferbaut“.
Emer. Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer, Institut für Systematische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien.
Warum gehört die Marienverehrung von Anfang an zum christlichen Glaubensgut?
Wir glauben an Gottes Zuwendung zu uns Menschen, die ihren Höhepunkt in der Menschwerdung des Sohnes Gottes in Jesus Christus gefunden hat. Dieses Menschwerden geschah in Maria und durch Maria. Sie ist nicht nur jene, die als Mutter Jesus geboren hat, sondern sie war auch im wahren Sinn seine Jüngerin. Deshalb ist christlicher Glaube in Jesus Christus nicht von Maria zu trennen.
Welche Bedeutung haben die anerkannten Marienerscheinungen, etwa in Fatima oder Lourdes?
Grundsätzlich gilt, Marienerscheinungen, Privat-offenbarungen gehören nicht zum Zentrum unseres Glaubens. Sie sind nicht Ergänzungen oder Vervollständigungen der Gottesoffenbarung in Jesus Christus. Jesus Christus ist das Wort des ewigen Vaters, in ihm ist uns alles gesagt, mehr hat er uns nicht zu sagen, wie der große Kirchenlehrer Johannes vom Kreuz zu dieser Frage betont. Und Karl Rahner hat erklärt, dass Erscheinungen, Privatoffenbarungen nicht ein „neuer Indikativ“ sind, d. h. eine neue Aussage, sondern ein „Imperativ“, d. h. ein Hinweis, wie wir als Christen in rechter Weise auf Gottes Zuwendung antworten sollen. In diesem Sinn wollen uns Marienerscheinungen tiefer ins Zentrum, in die Gemeinschaft mit Jesus Christus hineinführen.
Ist die Marienverehrung eine indirekte Antwort der Volksfrömmigkeit auf eine zu nüchterne Theologie?
Das trifft in einem gewissen Sinn zu, aber zwischen Volksfrömmigkeit und Theologie darf kein Gegensatz konstruiert werden. Die Marienfrömmigkeit hat eine emotionale Komponente, aber sie sollte immer im Lot bleiben, sich an jenen Markierungen orientieren, die Papst Paul VI. formuliert hat.
„Ich sehe dich in tausend Bildern“ heißt es bei Novalis. Trifft das auch auf die Marienverehrung zu?
Die Marienverehrung hatte im Lauf der Geschichte der christlichen Frömmigkeit verschiedene Formen mit unterschiedlicher Intensität gezeigt. So kann man von einem „marianischen Jahrhundert“ sprechen, beginnend von den Dreißiger-Jahren des 19. Jahrhunderts bis zu Pius XII. Aber keine dieser Formen darf verabsolutiert werden. Maria kommt z.B. in den Paulusbriefen nicht vor, wenn man von Gal 4,4 absieht. Auch in der Gemeinschaft der Christen kann und darf es verschiedene Stile und Formen der Intensität persönlicher Marienverehrung geben. Entscheidend ist das Bekenntnis zu Jesus Christus, „geboren von der Jungfrau Maria“, wie wir im Glaubensbekenntnis bekennen.