Das Charisma, "aus dem Herzen zu sprechen", habe der jetzige Papst Franziskus mit Johannes XXIII. gemeinsam, so Autor Hubert Gaisbauer.
Das Charisma, "aus dem Herzen zu sprechen", habe der jetzige Papst Franziskus mit Johannes XXIII. gemeinsam, so Autor Hubert Gaisbauer.
Zweites Buch des Religionsjournalisten Gaisbauer über Konzilspapst Johannes XXIII.: "Ein Heiliger kann jeder werden", erschienen bei Tyrolia.
Ob ein Papst "konservativ" oder "progressiv" ist, ist zweit- oder gar "drittrangig" dafür, ob das Evangelium Resonanz in den Herzen der Menschen findet. Das hat der Religionsjournalist Hubert Gaisbauer betont, der kürzlich sein zweites Buch über den Konzilsinitiator Johannes XXIII. vorlegte.
Der Roncalli-Papst, der am 27. April 2014 zusammen mit Johannes Paul II. heiliggesprochen wird, sei zweifellos ein konservativ denkender Mensch und dennoch geschätzt, verehrt und geliebt weit über Kirchenkreise hinaus gewesen. Gaisbauer äußerte über den Papst aus einfachsten Verhältnissen die Überzeugung, "dass fortschrittlich oder konservativ absolut keine Kategorien sind, die man anwenden kann, um zu sagen, wie sich Kirche der Welt und den Menschen gegenüber verhalten soll".
Laut Gaisbauer teilt der jetzige Papst Franziskus mit Johannes XXIII. das Charisma, "aus dem Herzen zu sprechen". Andere Päpste hätten mehr "aus dem Kopf gesprochen", auch das solle seinen Platz haben, wenngleich für den Publizisten seine Priorität klar sei: In seinem eigenen Lebensweg sei ihm Johannes XXIII. und dessen gelassener, von Gottvertrauen getragene Auseinandersetzung mit dem Altern und Sterben zum verehrten Vorbild geworden, wie Gaisbauer erzählte.
Giuseppe Roncalli sei als junger Priesteranwärter draufgekommen, dass es zu unterscheiden gelte zwischen der Substanz und der - nachrangigen - Erscheinungsform. Als noch vom 19. Jahrhundert geprägter Mensch habe er - anders als jetzt Papst Franziskus - auf das mit seinem Papstamt verbundene "Brimborium" nicht verzichtet, wie Gaisbauer hinwies: Er trug bei Festanlässen die Tiara (Papstkrone), verwendete den Majestätsplural "Wir" in seinen Ansprachen, feierte die täglich zu haltende Messe wenn nötig auch alleine und ließ sich in der eigenen Familie mit "Zio (Onkel) Monsignore" ansprechen - allesamt Aspekte, die heute alles andere als "modern" erscheinen.
Bleibend aktuell war - so Gaisbauer - allerdings die am Ende seines Lebens geäußerte Überzeugung: "Nicht das Evangelium ändert sich, wir sind es vielmehr, die sich ändern" und sich unter Einbeziehung der Zeichen der Zeit immer wieder fragen müssen, was die Frohbotschaft jetzt im je eigenen Leben bedeutet. "Aggiornamento" habe für Johannes XXIII. letztlich bedeutet, dass der Glaube "kein Museumsstück, sondern ein lebendiger Baum" ist.
Prägend für die so gar nicht starre Haltung des Sprosses einer Bauernfamilie aus Norditalien war laut Gaisbauer die geistige Enge des kirchlichen Antimodernismus unter Pius X. (1903-1914), die Roncalli an der Seite seines Bischofs von Bergamo, Giacomo Radini Tedeschi, "erlitten" habe. Gleichsam mit "Stasi-Methoden" sei einmal eine Postkarte eines fortschrittlich denkenden früheren Studienkollegen abgefangen worden. Roncalli selbst sei deswegen "des Modernismus verdächtig" geworden, wie eine Aktennotiz des Heiligen Offiziums im Vatikan zeigt. Seine Lehre daraus: Die Kirche muss sich auch mit Irrenden dialogisch auseinandersetzen, nicht autoritär. Und es gelte menschenfreundlich umzugehen auch mit jenen Menschen, die "nicht auf Linie" sind.
Gaisbauer zeichnet in seinem 272 Seiten umfassenden Buch ein Bild von Johannes XXIII. abseits von "Klischees" wie umstürzender "Reformpapst" oder gutmütig-harmloser "Papa buono". Im Vorwort schreibt er: "Das Leben von Johannes XXIII. kann als heiligmäßig empfunden werden, weil es nicht nur 'eingetaucht' war in den Heiligen Geist, sondern auch in die Nöte und Schwächen seines Charakters..." Als Beispiele dafür nennt der Autor die anfänglich besserwisserische Attitüde gegenüber seiner Familie, seine von ihm selbst bekrittelte Geschwätzigkeit, eine gewisse "Wehleidigkeit" und eine Leibesfülle, die auf Freude am Essen zurückging. Auch Glaubenszweifel seien Roncalli nicht fremd gewesen, wie eine Bemerkung des damaligen Patriarchen von Venedig gegenüber seinem Sekretär Loris Capovilla zeige: Nach dem Tod einer seiner Schwestern habe der spätere Papst düster gemeint: "Weh uns, wenn das alles nur eine Illusion ist."
Roncallis geistliches Tagebuch, das er als 14-Jähriger begonnen habe, ist für Gaisbauer ein überaus beeindruckendes Lebenszeugnis des "Wachsens im Glauben und aus dem Glauben". Roncalli habe sich aus - so erscheine es heute - oft "gotterbärmlicher Enge", ja Verklemmtheit, im Lauf der Jahre befreit und sei von selbstquälerischer Disziplinierung hin zu Gelassenheit und vertrauensvoller Ergebenheit in den Willen Gottes gelangt. Das habe auch eine atheistische Philosophin jüdischer Herkunft wie Hannah Arendt erkannt, die es in einem Nachruf auf Johannes XXIII. auf den Punkt brachte: "Sein Glaube war: Dein Wille geschehe."
Freilich ist sich Hubert Gaisbauer bewusst, dass auch der sympathischste Papst alleine keinen nachhaltigen Aufschwung des Christentums bewirken kann: Nicht umsonst schärfe der heute so beliebte Papst Franziskus die Notwendigkeit einer missionarischen Kirche ein, die die verstärkte Mitverantwortung der Laien brauche. Das Wohl und Wehe der Kirche werde sich auch nicht an den "heißen Eisen" Zölibat oder Frauenpriestertum entscheiden, ist Gaisbauer überzeugt; man müsse die Größe haben zu erkennen, dass es Wichtigeres gibt. Sich ständig nur daran zu reiben dürfe nicht als Vorwand herhalten, "dass man nichts zu tun braucht", so der Journalist.
Hubert Gaisbauer
"Ein Heiliger kann jeder werden. Lebendig glauben mit Johannes XXIII."
Verlag: Tyrolia
ISBN 978-3-7022-3326-6
Preisinfo: 19,95 Euro
Das Buch in der Dombuchhandlung online erstehen.
Hubert Gaisbauer
"Ruhig und froh lebe ich weiter - Älter werden mit Johannes XXIII."
Verlag: Tyrolia
ISBN 978-3-7022-3326-6
Preisinfo: 22,50 Euro
Das Buch online in der Dombuchhandlung erstehen.