Mutter Teresa im Sterbehaus.
Mutter Teresa im Sterbehaus.
Ein Missionar muss ein Missionar der Liebe sein. Ein Missionar ist ein Gesandter. Gott sandte seinen Sohn. Heute sendet Gott uns.
(…) Jeder Einzelne von uns wird von Gott und seiner Kirche gesandt. Um was zu tun? Um seine Liebe unter den Menschen zu sein. Um den Menschen seine Liebe und Barmherzigkeit zu bringen. (…)
In Melbourne lasen die Schwestern einen Mann von der Straße auf. Er war Alkoholiker, hatte keinen Namen, keine Arbeit, nichts, ein echter Stadtstreicher also. Nach einer Woche ging er zur Schwester und sagte: „Jetzt geht‘s mir wieder gut und ich kehre nach Hause zurück. Ich werde niemals wieder Alkohol trinken. Mir ist klar geworden, dass Gott mich liebt.“ Er kehrte also zu seiner Frau, seinen Kindern und seiner Arbeit zurück.
Nach einem Monat war er wieder bei den Schwestern und zwar mit seinem ersten Gehalt. Er sagte: „Verwenden Sie dieses Geld, um anderen, die so sind wie ich es war, Gottes Liebe zu zeigen.“
Einmal trat ein Mann ins Nirmal Hridoy, das Heim für sterbende Mittellose in Kalkutta, ein. Er marschierte schnurstracks in die Station hinein. Ich war da. Nach einer Weile kam er wieder zurück und sagte zu mir: „Ich kam mit Hass erfülltem Herzen hierher. Ich hasste Gott und die Menschen. Ich kam leer, ohne Glauben, verbittert hierher. Dann sah ich, wie eine Schwester sich hingebungsvoll um einen Patienten kümmerte. Da wurde mir bewusst, dass Gott immer noch liebt. Ich gehe als neuer Mensch von hier weg. Ich glaube, dass es einen Gott gibt und dass er uns immer noch liebt.“
In Äthiopien sagte uns der apostolische Delegierte (…): „Ich danke euch im Namen des Heiligen Vaters, denn durch eure Anwesenheit sorgt ihr dafür, dass die ganze Kirche hier versammelt ist.“ Wir sorgen für die Präsenz der Kirche, indem wir die frohe Botschaft verkünden. Was ist diese frohe Botschaft? Sie ist die: dass durch jeden Einzelnen von uns Gott die Welt noch liebt. Du bist die frohe Botschaft Gottes; du bist Gottes Liebe in Taten umgesetzt. Durch dich liebt Gott die Welt noch immer. Jeder, der einmal mit uns in Kontakt kommt, muss sich dadurch verändern, muss ein besserer Mensch werden. Wir müssen Gottes Liebe ausstrahlen. (…)
Jesus identifizierte sich mit den Armen ab dem Moment, in welchem er seinen Vater verließ, bis zum Augenblick seiner Rückkehr und vor allem während seiner Passion und seines Todes am Kreuz. Er wurde zum Ärmsten der Armen – der Hungrige, Durstige, Nackte, Kranke, Fremde, Gefangene. Am Kreuz offenbarte Jesus das Ausmaß wahrer Liebe. Um wahr zu sein, muss Liebe schmerzen. (…) Betrachten wir das Kreuz, dann sehen wir, wie sehr uns Jesus damals liebte. (…) In der Nacht vor seinem Tod hinterließ uns Jesus sich selbst in der Eucharistie in der Gestalt von Brot und Wein. So ist er auch, allerdings auf ganz andere Art und Weise, in der traurigen Gestalt der Armen zugegen. Und er gab uns ein neues Gebot: „Liebt einander, so wie ich euch liebte.“ Um uns dieses Lieben zu erleichtern, sagte er: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, habt ihr mir getan.“ (…) Ich nenne dies das Evangelium auf fünf Fingern, in fünf Worten: You did it to me. (…) Auf deinen fünf Fingern hast du deine Liebe zu Jesus. Der heilige Johannes sagt uns: „Wenn einer sagt, ‚Ich liebe Gott’, aber seinen Bruder hasst, dann lügt er. Einer, der den Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann nicht den Gott lieben, den er nicht gesehen hat.“ Schau dir deine Finger oft an – und erinnere dich an diese Liebe.
Bei jeder heiligen Kommunion stillt Jesus meinen Hunger nach ihm und macht sich dann zum Hungrigen, um seinen Hunger nach meiner Liebe – nach Seelen – zu stillen. Wir dürfen die Armen und die Eucharistie niemals trennen. Die Armen und die Eucharistie sind eins. Die eine existiert ohne die anderen nicht. Wenn wir wirklich glauben, dass er, Jesus, tatsächlich in der Gestalt des Brotes anwesend ist und dass er, Jesus, tatsächlich in den Hungrigen, Nackten, Kranken, Einsamen, Ungeliebten, Obdachlosen, Hoffnungslosen ist – wird unsere Liebe mit diesem tiefen Glauben an Jesus, an das Brot des Lebens, das mit und für die Armen gegessen werden muss, immer enger verwoben. Pater Gavric sj erzählte mir folgende Geschichte: „Ein muslimischer Mulvi [islam. Rechtsgelehrter] stand neben mir und schaute zu, wie eine Ordensfrau einem Leprakranken liebevoll die Wunden verband. Sie sagte nichts, machte aber etwas.“ Der Mulvi wandte sich P. Gavric zu und sagte: „‚Jahrelang glaubte ich, Jesus sei ein Prophet, aber heute weiß ich, dass er Gott ist, weil er so viel Liebe in die Hände dieser Ordensfrau gelegt hat.’ Jene Ordensfrau weiß bis heute nicht, dass sie durch ihr Tun Jesus in das Leben dieses Mannes brachte. Heute wandelt Jesus durch die Welt in mir und dir und durch uns und tut Gutes.“ Unsere Berufung als Missionare ist so wunderschön und so großartig. Wie glücklich würden sich die Menschen schätzen, hätten sie die Chance, dem König dieser Welt persönlich zu dienen. Und da sind wir – wir können, alle Tage unseres Lebens, Christus, den König der Könige anfassen, lieben und dienen. Eine junge Aspirantin, nachdem sie drei Stunden lang einen Mann von der Straße gewaschen hatte, sagte mit einem strahlenden Lächeln: „Mutter, ich habe drei Stunden lang den Leib Christi berührt.“
Den Armen steht unsere vorrangige Aufmerksamkeit zu, ungeachtet ihrer moralischen oder persönlichen Umstände. Sie sind nach dem Abbild Gottes erschaffen, um seine Kinder zu sein. Dieses Abbild ist jedoch verschleiert und sogar vergewaltigt worden. Aus diesem Anlass ist Gott zu ihrem Verteidiger geworden und er liebt sie. (…) Jeder Mensch wird nach dem Abbild Gottes erschaffen und ist durch die Fleischwerdung Christi mit allen anderen Menschen verbunden. Als ich mit meiner Arbeit anfing, bemerkten einige, dass die Kirche nicht aus Müll besteht. Damit meinten sie die Armen, Kranken, Sterbenden, Behinderten, Obdachlosen usw. Inzwischen scheint jeder sich für jene einzusetzen, die früher als Müll betrachtet wurden. Ja, die Armen verdienen Respekt und Menschenwürde. Der Mensch kann sich seiner eigenen Würde nicht bewusst werden, bis er Liebe erfahren hat. Da fällt mir ein Mann ein, der im Nirmal Hridoy verstarb: „Wie ein Tier habe ich auf der Straße gelebt, aber ich werde wie ein Engel sterben, geliebt und umsorgt.“ (…) Das Ziel unserer Missionstätigkeit ist es, die Armen Jesus zu bringen und Jesus den Armen zu bringen. (…)
Um Jesus in der Gestalt der Armen zu sehen, müssen wir reinen Herzens sein, denn ein reines Herz kann Gott sehen. Diese Reinheit bedeutet, dass unser Herz von jeder Selbstsucht, von jeder Sünde befreit werden muss. Wenden wir unseren Blick von uns selbst, von den eigenen Interessen, Rechten, Privilegien und Ambitionen ab, so öffnet sich der Blick auf Jesus um uns herum. Unreinheit ist immer da, wenn wir stolz oder verbittert sind, uns unbarmherziger Gedanken, Worte oder Taten bedienen, wenn wir unversöhnlich, eifersüchtig oder von irdischem Reichtum blockiert sind. Die Zeitgenossen Jesu lehnten ihn ab, weil seine Armut ihren Reichtum bedrohte. Jesus wurde von seinem Vater den Armen gesandt, und um sie verstehen zu können, musste Jesus diese Armut mit Leib und Seele spüren und kennen lernen. Wollen wir wahre Boten der Liebe Gottes sein, müssen auch wir Armut erleben. Um den Armen die frohe Botschaft verkünden zu können, müssen wir wissen, was Armut ist. Gebet reinigt das Herz und ein reines Herz kann Gott sehen. (…)
Machen wir uns nichts vor – der Hunger ist nicht bloß nach einem Bissen Brot. Der Hunger der heutigen Zeit ist viel größer: Nach Liebe – also erwünscht, geliebt und umsorgt zu werden, jemand zu sein. Es gilt, jene zu ernähren, die nicht nur nach Essen, sondern auch nach dem Wort Gottes hungern; jenen zu trinken zu geben, die nicht nur nach Wasser, sondern nach Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit dürsten; den Obdachlosen ein Zuhause zu geben, nicht nur ein Haus aus Ziegeln, sondern auch ein Herz, das versteht, das hütet, das liebt. Es gilt, die Kranken und Sterbenden zu pflegen und nicht nur jene, die körperliches Leid erfahren, sondern auch jene, die geistig und seelisch leiden.
Massenaktionen sind meiner Meinung nach unangebracht. Uns ist das Individuum wichtig. Um eine Person lieben zu können, muss man ein enges Verhältnis zu ihr aufbauen. Wenn wir warten, bis wir eine gewisse Anzahl haben, werden wir uns in den Zahlen verlieren und werden niemals imstande sein, der Einzelperson die nötige Liebe und Achtung entgegenzubringen. Ich glaube an Person zu Person. Für mich ist jeder Mensch Christus, und da es nur einen Jesus gibt, gibt es in dem Augenblick nur eine einzige Person auf der Welt. (…) Der Becher Wasser, den du einem Kranken reichst, die Art, in welcher du einen Sterbenden hebst, die Art, in welcher du ein Baby fütterst, die Art, in welcher du ein unwissendes Kind unterrichtest, die Freude im Lächeln, das du den Deinigen zuhause gewährst – das alles ist Gottes Liebe in der Welt von heute. Ich will euch das einprägen: Durch dich und durch mich liebt Gott die Welt heute noch. Wir dürfen keine Angst haben, Gottes Liebe überall erstrahlen zu lassen. (…)
So wie wir Jesus in der Eucharistie und in seinen Armen vorfinden, sind wir berufen, anderen zu helfen, ihn dort zu finden. (…) Es sind Werke der Nächstenliebe, die die Seele aller missionarischen Tätigkeit erkennen lassen: die Liebe, die Triebfeder der Mission war und bleibt und zugleich das einzige Kriterium für die Entscheidung ist, was gemacht oder unterlassen, was verändert oder belassen wird. Sie ist das Prinzip, das jede Tätigkeit lenken muss, und der Zweck, den diese Tätigkeit erfüllen muss. Handeln wir aus Nächstenliebe oder werden wir durch Nächstenliebe inspiriert, ist nichts unschicklich und alles gut. (…)
Nächstenliebe fängt heute an. Heute leidet jemand, heute lebt jemand auf der Straße, heute hat jemand Hunger. Unsere Arbeit gilt heute. Gestern ist schon vorbei, morgen noch nicht da. Heute? Wir haben nur heute, um Jesus zu verkünden, zu lieben, zu dienen, zu ernähren, zu kleiden, ihm Obdach zu geben. Heute – wir dürfen nicht auf morgen warten. Vielleicht gibt es gar keinen Morgen. Wenn wir ihnen nicht zu essen geben, werden wir sie morgen nicht haben. (…)
Aus dem Englischen übersetzt von Neil Perkins (Missio.at).
"Das ist der Beginn des Gebetes: Zu wissen, dass Gott mich liebt, dass ich für größere Dinge geschaffen bin."
Mutter Teresa
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