Leo Maasburg (links) war mit Mutter Teresa auf zahlreichen ihrer Auslandsreisen als Übersetzer und geistlicher Begleiter unterwegs.
Leo Maasburg (links) war mit Mutter Teresa auf zahlreichen ihrer Auslandsreisen als Übersetzer und geistlicher Begleiter unterwegs.
Am 4. September 2016 wurde Mutter Teresa von Papst Franziskus in Rom heiliggesprochen. Der ehemalige Missio-Nationaldirektor Leo Maasburg begleitete die „Mutter der Armen“ auf zahlreichen ihrer Reisen. Im SONNTAG-Interview erinnert er an ihr Wesen und Wirken.
DER SONNTAG: Was bedeutet die Heiligsprechung von Mutter Teresa für Sie persönlich und für die Weltkirche?
LEO MAASBURG: Für mich ist es ein einmaliges Erlebnis. Für die Weltkirche gewinnt es durch Papst Franziskus eine besondere Bedeutung. Weil Papst Franziskus ähnlich ist wie Mutter Teresa. Er ist ein Jesuit, Mutter Teresa ist in ihrem Leben von Jesuiten begleitet worden. Die Gedanken, die Mutter Teresa selber verwirklicht hat, durch ihr Leben, durch ihr Beispiel in der ganzen Welt, die tauchen nun bei Papst Franziskus wieder auf.
Es sind Gedanken, die zurückgehen auf den Heiligen Ignatius und heute in der Luft liegen. In einer Gesellschaft, die mehr und mehr verroht, ist die Zärtlichkeit ein ganz wichtiges Zeugniselement. Papst Franziskus hat nach seiner Wahl schon von der Loggia des Petersdoms aus gesagt, die Kirche muss die Liebe Gottes wieder mit Zärtlichkeit verkünden. Mutter Teresa hat dieses Wort immer verwendet, in dem sie gesagt hat, es gibt keine größere Macht in der Welt als die Macht der Zärtlichkeit.
Wie haben Sie diese Macht der Zärtlichkeit bei Mutter Teresa erlebt?
LEO MAASBURG: Mutter Teresa war ein Mensch, der vollkommen unaggressiv war. Sie war keineswegs ein Goody-Goody, hatte eine feurige südländische Natur, aber eine eiserne Selbstbeherrschung, und selbst die cholerischen Elemente in ihrem Wesen hatte sie vollkommen in der Hand. Jedem Menschen, dem sie begegnete, war sie eine bergende Natur. Man hat sich bei ihr zu Hause gefühlt. Sie hat den Menschen umarmt, nicht nur physisch, sondern spirituell, sie hat ihn wirklich geliebt. Sie ist auf jeden, auch wenn es nur ein Augenblick war, vollkommen eingegangen.
Viele haben den Eindruck gehabt, die ist mir eine Freundin, eine ganz enge Freundin. Man ist zu ihr gekommen, und dann gab es zuerst einmal ein Glas Wasser oder eine Kleinigkeit zu essen. Sie war sofort ganz mütterlich umsorgend für diese Person, die jetzt bei ihr war, egal ob ein Präsident oder ein Bettler von nebenan. Sie machte keinen Unterschied. Bis ins hohe Alter hat sie ihr Letztes gegeben. Das war ihr Ausdruck von Zärtlichkeit.
Wie sind Sie mit Mutter Teresa in Kontakt gekommen?
LEO MAASBURG: Ich war Mitarbeiter des tschechoslowakischen Exilbischofs Paul Hnilica in Rom. Er war von Papst Paul VI. beauftragt, Mutter Teresa zu unterstützen. Der Bischof sprach kein Englisch. Daher benötigte man bei einer Begegnung einen Übersetzer. Danach hat sie gefragt: „Pater, haben Sie ein Auto?“ Ich bejahte. Sie fragte: „Wäre es Ihnen möglich, Schwestern zum Flughafen zu bringen?“ Dann kam ich zurück und habe gleich den nächsten Auftrag erhalten.
Es heißt, Mutter Teresa war vom Charakter her kein einfacher Mensch?
LEO MAASBURG: Nein, keineswegs. Sie hat oft so richtig herausgeschossen und gleich wieder zurückgenommen. Sie hat zwei Sachen verbunden in sich: die Zärtlichkeit den Menschen gegenüber und gleichzeitig das Feuer, die Sachen weiterzubringen. Sie wurde „benevolent dictator“ genannt – ein wohlwollender Diktator.
Mutter Teresa hat sich mit zahlreichen politischen Leadern getroffen. Wie hat sie da agiert?
LEO MAASBURG: Sie hat jedes Gespräch mit Gebet vorbereitet. Dann ist sie zu den Besprechungen gegangen und hat dort klar die Position der Kirche vertreten, mit sehr viel Klugheit.
Ein Beispiel: Bei einem Gespräch mit Daniel Ortega, damals Kopf der Regierungsjunta in Nicaragua, hat sie entwaffnend nach einer politischen Brandrede Ortegas gefragt, ob er Kinder hat und wie viele: Er sagte: „Sieben.“ Dann hat sie in ihre Tasche gegriffen und hat eine wundertätige Medaille nach der anderen herausgenommen, geküsst und ihm gegeben, für jedes Kind eine. Dann fragte sie: „Haben Sie auch eine Frau?“ Er bejahte. Sie gab noch eine Medaille für die Frau heraus und dann noch eine und sagte: „Die ist für Sie und die müssen Sie bloß hier um den Hals tragen.“
Einen Tag später bekam sie die Genehmigung, die Schwestern nach Managua zu bringen. Kommentiert hat sie das mit: „Works of love are works of peace“ – Werke der Liebe sind Werke des Friedens.“
Mutter Teresa gilt als Beispiel für gelebte Barmherzigkeit?
LEO MAASBURG: Das Erstaunliche war: Jedes einzelne Werk der Barmherzigkeit hat sie in einer ganz ungewöhnlichen Weise gelebt.
Nehmen wir „die Toten begraben“. Mutter Teresa hat die Toten begraben. In ihrem Sterbehaus in Kalkutta hat sie Hindus und Muslime, wenn sie gestorben sind, genau in ihrem Ritus begraben lassen und dafür auch bezahlt.
„Die Nackten bekleiden“: Sie sagte: „Nackt ist nicht nur ein Mensch ohne Kleider, sondern ein Mensch, dem die Würde geraubt worden ist, sei es von anderen oder durch die eigene Sündigkeit.
Diese Menschen müssen wir auffangen. Diese Menschen müssen wir hinführen, entweder zu einer guten Beichte oder zum Allerheiligsten. Wir müssen sie zu Gott hinführen und er wird sie bekleiden.“ Sie hat also die Barmherzigkeiten oft sehr tiefgründig verstanden.
Was kann man als Erbe Mutter Teresas bezeichnen?
LEO MAASBURG: Über 5.000 Schwestern, Brüder und Patres. Sie hat fünf Kongregationen und mehrere Bewegungen gegründet, die weiterwirken. Es gibt über 760 Niederlassungen in der ganzen Welt. Diese hat sie nie Niederlassungen genannt, sondern „We have given a tabernacle to Jesus“ (Wir haben Jesus einen Tabernakel gegeben).
Für Mutter Teresa war immer die Eucharistie das Zentrum. Um die Eucharistie herum hat sich das andere entwickelt.
Deswegen musste auch jeder Bischof, der Mutter Teresa eingeladen hat, und auch heute noch, der die Missionarinnen der Nächstenliebe einlädt, immer die Genehmigung geben, dass die Eucharistie aufbewahrt wird in der Kapelle der Schwestern, dass die Schwestern betteln dürfen und dass sie einen Priester zur Verfügung haben, der für sie mindestens einmal wöchentlich die Heilige Messe liest und Beichte hört.
Mutter Teresa von Kalkutta starb am 5. September 1997 im Alter von 87 Jahren in Indien. Die mit dem Namen Agnes Gonxha Bojaxhiu im heute mazedonischen Skopje geborene Ordensgründerin und Friedensnobelpreisträgerin wurde durch ihren Einsatz für Arme, Obdachlose, Kranke und Sterbende weltweit bekannt. Papst Johannes Paul II. sprach sie am 19. Oktober 2003 in Rom selig, Papst Franziskus am 4. September 2016 als ein Höhepunkt im "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit" heilig. Ihr kirchlicher Gedenktag ist der 5. September.
Missio-Päpstliche Missionswerke:
www.missio.at
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1010 Wien, Austria
Tel.: (+43) 1 / 513 77 22
Fax: (+43) 1 / 513 77 37
e-mail: missio@missio.at
Missionarinnen der Nächstenliebe:
Ordensgemeinschaft
Mutter Teresa-Informationen auf erzdiözese-wien.at
Mutter Teresa - Ökum. Heiligenlexikon:
Mutter Teresa - das Leben des Engels der Armen
Mutter Teresa - Buchtipp: Mutter Teresa - Die wunderbaren Geschichten
Ein Buch über diese außergewöhnliche Frau vom langjährigen Reisebegleiter: Msgr. Leo Maasburg.
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