Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus) © Christian Fischer/Wikimedia
Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus) © Christian Fischer/Wikimedia
In einer schnelllebigen Zeit nehmen sich Menschen immer weniger Zeit für sich selbst. Das Lieblingskraut von Kräuterpfarrer Benedikt, die Wegwarte, kann Ruhe und Gelassenheit bringen.
Sie nützt die schöne Stunden, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Wenn es dunkel ist, macht sie die Blüte zu. Sie muss nicht dauernd etwas leisten.
Die Wegwarte wächst im Hochsommer und ist ein Korbblütler. Typisch für die Familie der Korbblütler ist ihr körbchenförmiger Blütenstand.
Gartenbesitzern rät Kräuterpfarrer Benedikt unbedingt dazu, die Wegwarte anzubauen: „Erhältlich ist das Kraut im Fachhandel. Ich kann sie mir aber auch aus der Natur holen und im Garten einsetzen.“ Schon aufgrund ihres Vorkommens in der Natur ist die Wegwarte unkompliziert: Sie wächst vorwiegend an Weg- und Straßenrändern, kommt also mit wenig zurecht: „Zu Hause im Garten fühlt sie sich auf einem gewöhnlichen Boden wohl. Normalerweise kommt sie in sehr trockener Umgebung vor.“
Geschätzt wurde die Wegwarte im Lauf der Jahrhunderte für ihre vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Der frühneuzeitliche Arzt und Philosoph Paracelsus lobte die Wegwarte als schweißtreibendes Mittel, das vor Lepra schützt. Nachdem im 18. Jahrhundert viele Ärzte und Botaniker die Wegwarte als Leber- und Augenkraut hervorgehoben hatten, war es Pfarrer Kneipp, der sie im 19. Jahrhundert als reinigendes Mittel bei Magen-, Darm- und Lebererkrankungen empfohlen hat.
Die Wegwarte enthält verschiedene Bitterstoffe, die besonders für die Verdauung sehr wichtig sind, erklärt Herr Benedikt die Wirkung der Wegwarte: „Das Kraut enthält den wichtigen Stoff Eisen, der den Sauerstoff aus der Lunge in alle Bereiche des Körpers bringt.“ Ein Tee aus Blüten und Blättern der Wegwarte kann diesen Prozess unterstützen. Dass der Sauerstofftransport gut funktioniert, signalisiert der Körper auch durch die Haut: Ein Wegwartentee kann von innen heraus die Haut straffen und stärken.
Auf ein besonders altes Rezept mit der Wegwarte, auch Zichorie genannt, weist der Kräuterpfarrer außerdem hin: Aus einer zweijährigen Wegwartewurzel kann ein Zichorien-Kaffee gemacht werden. Die gesäuberten Wurzeln müssen gespalten und getrocknet werden. Gemeinsam mit getrockneten Apfelschalen werden die im Backrohr gerösteten Zichorienwurzeln in der Kaffeemühle gemahlen. Zusätzlich werden Trockenfeigen mit der Mohnmühle gemahlen.
Im Mischverhältnis zwei Teile Wurzeln und jeweils ein Teil Apfelschalen und Feigen wird alles durchgeknetet, zu einer Rolle geformt und im Backrohr nachgetrocknet. Stückweise oder als Pulver kann man die Mischung als verdauungsfördernden Kaffee-Ersatz verwenden.
Warum dem Kräuterpfarrer die Wegwarte außerdem sympathisch ist, hängt mit ihrem Wesen zusammen: Das Kraut hat tiefe, kräftige Wurzeln, ihre himmelblauen Blüten spiegeln quasi den Himmel wider. Wenn die Sonne aufgegangen ist, streckt sich die Wegwarte nach Osten, um möglichst viel Sonnenlicht aufzunehmen, gegen Abend schließt sie ihre Blüten, „hüllt sich in Bescheidenheit“, wie Felsinger erzählt. Sie sammelt neue Kräfte für den folgenden Tag.
All diese Charakteristika des Krauts entsprechen einem Lebensstil, den der Kräuterpfarrer gerade in der stressigen Zeit empfiehlt: Ein guter Rhythmus zwischen Aktivität und Passivität ist das Um und Auf, in Ruhezeiten kann der Mensch Kraft für neue Abenteuer tanken. Er muss nicht immer verfügbar sein, sollte sich auch manchmal zurücknehmen.
Die erhöhte Fähigkeit, das so genannte Multitasking zu beherrschen, wird eindeutig den Frauen zugesprochen. Gewiss halten viele damit einen Mythos am Leben, der so einfach nicht stimmt.
Denn jeder von uns weiß: Sowohl Männern als auch Frauen kann alles einmal zu viel werden, wenn der Arbeitsdruck quasi auf Turbo eingestellt ist. Das geht mir persönlich nicht anders. Alles unter einen (Kräuterpfarrer-) Hut zu bringen, ist auch mir nicht immer möglich. Termine für die Medien, Seelsorge, Klosterleben und die ganz normalen Sorgen des Alltags, die unvorhersehbar sind, mischen sich zu einem nervenaufreibenden Cocktail.
Eine Pause darin schafft das Gebet. In meinem Kloster werden die einzelnen Horen gesungen. Sie sorgen neben der seelischen Nahrung für einen rechten Rhythmus der Atmung, die uns allen leicht außer Acht kommt. Somit kann sich ebenso der Körper in eine gewisse Ausgewogenheit einpendeln, die das Wohlbefinden steigert.
Die hl. Hildegard von Bingen spricht in ihren Texten immer von der Grünkraft, die in der Schöpfung vorhanden ist. So ist die Natur eines der besten Refugien für mich, wenn es arbeitsmäßig dick daherkommt. Pausen sind ohnehin notwendig, denn keiner von uns ist eine Maschine. Eine Pflanze einfach nur betrachten, die laubvolle Krone eines Baumes bestaunen oder dem Rauschen einer Birke im Wind: das kann schon was.
Und nicht zuletzt hat mir der Herrgott seit frühen Kindheitstagen die Gnade geschenkt, eine Freude am Beobachten der Tiere, vor allem der Vögel, zu schenken. Verweile ich ein wenig am Fenster oder bei einem Spaziergang im Freien, so bietet sich genug Gelegenheit, im wahrsten Sinne des Wortes der Natur ihren Lauf zu lassen und dabei einfach zuzusehen. Das relativiert, denke ich, nicht nur bei mir, das allzu Menschliche und oftmals Verkopfte. Übrigens: Den Tipp gibt’s ohnehin schon in der Bibel, wo von den Lilien auf dem Feld und den Vögeln des Himmels die Rede ist.
Ja, in der unrechten Sorge ist mein und unser Stress eh oft hausgemacht. Also: Pausen einlegen, gut atmen, sich genau in der Natur umsehen und so die Hände Gottes entdecken, in die wir uns getrost fallen lassen können, wenn uns der Boden unter den Füßen zu schwinden scheint..
Weitere Tipps von Kräuterpfarrer Benedikt unter www.kraeuterpfarrer.at
Zur Person
Kräuterpfarrer Benedikt Felsinger ist Chorherr im Prämonstratenser-Stift Geras
im Waldviertel.
Die Wegwarte wendet sich der aufgehenden Sonne zu, sie richtet sich nach Osten aus – so wie der Mensch Christus entgegenblickt und ihn erwartet. Die Wegwarte lädt ein, das Motto des Österreich-Besuchs von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 „Auf Christus schauen“ im eigenen Leben wirksam zu machen, sagt Kräuterpfarrer Benedikt. Christus wird wiederkommen in Herrlichkeit.
Die Wegwarte erinnert daran, mit Jesus Christus im eigenen Leben zu rechnen. Ihn in unser Leben treten zu lassen und uns neu verwandeln zu lassen..
Verwandt mit der Wegwarte ist die Kornblume, die sich perfekt auch in einem kleinen Beet am Balkon ziehen lässt, erklärt Kräuterpfarrer Benedikt: „Auch wenn sie nicht so aufregend von ihrer Wirkung ist, lässt sie sich gut als Schmuckdroge für den Tee verwenden, das heißt sie bringt Farbe in den Tee.“
Am besten gedeiht die Kornblume auf einem durchlässigen und sandigen Lehmboden, das lässt sich auch am Balkon gut einrichten. Um sie dann als farbintensive Note im Tee zu verwenden, rät Herr Benedikt, die himmelblauen Blütenköpfe bald nach dem Aufblühen zu pflücken.
An einem luftigen und schattigen Ort können sie dann getrocknet werden. Bei direkter Sonneneinstrahlung oder zu viel Feuchtigkeit verlieren sie ihre blaue Farbe und auch ihre Wirkkraft.
Ein Tipp von Kräuterpfarrer Benedikt: Kornblumen-Tee wirkt sich günstig auf die Augen aus. Tränkt man einen in Leinen gehüllten Wattebausch mit warmem Kornblumen-Tee und legt die Kompresse im Augenbereich auf, wirkt der Kornblumen-Tee abschwellend und entrötend auf Augenlider.
Teil 1: Eine heilvolle Erbschaft - Wegerich
Teil 2: Ohne Stress durch den Alltag - Wegwarte
Teil 3: Schlafen leicht gemacht - Baldrian, Hopfen, Steinklee,
Teil 4: Der Migräne den Kampf angesagt: Kamille
Teil 5: Gemeinsam gegen Schädlinge: Steinklee, Kamille, Kresse, Lavendel, Schafgarbe
Teil 6: Frisch durch den Sommer: Zitronenmelisse,
Teil 7: Ohne Gifte neu durchstarten: Löwenzahn, Schnittlauch, Brennessel, Ringelblume
Teil 8: Der Favorit für's Herz: Weißdorn, Rose
Teil 9: Durchatmen und genießen: Thymian, Quendel
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