Wer will nicht glücklich und zufrieden durchs Leben gehen? Aber was braucht man eigentlich, um glücklich zu sein?
Wer will nicht glücklich und zufrieden durchs Leben gehen? Aber was braucht man eigentlich, um glücklich zu sein?
Der World Happiness Report der Vereinten Nationen lässt keinen Zweifel: Herr und Frau Österreicher gehören – weltweit gesehen – zu den glücklichsten Menschen der Welt. Konkret liegen wir in diesem Jahr auf Platz 10 – vor uns unter anderem die Länder Skandinaviens oder auch Neuseeland und Kanada.
Aber was macht uns eigentlich zu glücklichen Menschen und können wir etwas tun, um (noch) glücklich(er) zu werden? Dieser Frage folgend, starten wir mit der heutigen Ausgabe in unsere Sommerserie: Auf der Suche nach dem Glück.
Ich mache mich also in diesem Sommer auf die Suche nach dem Glück. Und merke ganz schnell: Das ist gar nicht so einfach. Wo beginne ich zu suchen? Vielleicht einmal bei mir?
Mich, das ist einfach, macht der Sommer glücklich. Seit Anfang Juni steigt meine Laune kontinuierlich. Sie erinnern sich bestimmt: Anfang Juni war die erste Periode mit viel Sonnenschein und hohen Temperaturen. Plötzlich brauchte ich keine Weste mehr, habe Sandalen an den Füßen. Endlich konnte ich mit Familie und Freunden wieder bis spät abends draußen im Garten sitzen. Endlich hatte ich eine gute Ausrede Unmengen an Eis zu verdrücken – es war ja schließlich richtig heiß. Und ich überlegte sogar mir eine Saisonkarte im Schwimmbad zu gönnen, da ich wieder merkte, wie viel Spaß mir Schwimmen macht und wie gut es mir tut.
Nicht zuletzt ließ der Stress in der Schule für mein Kind endlich schlagartig nach und die Nachmittage mussten nicht mehr rund um Lernen und Hausübungen organisiert werden – was auch zu meinem Glück beigetragen hat. Man kann also ungelogen sagen: Der Sommer macht mich glücklich.
Und meine Recherchen zum Thema Glück zeigen schnell: ich bin da nicht die einzige. Dass uns der Sommer glücklich macht, ist übrigens – so sagt die Psychologie – angelerntes Verhalten. Schon als wir Kinder waren, war der Sommer die Zeit der Ferien, die Zeit der unbeschwerten Freiheit. Für alles, was Spaß macht, war im Sommer mehr Zeit und Platz – Urlaub, Ausflüge, langes Aufbleiben, viel Eis essen und und und.
Aber, wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Viele Menschen macht der Sommer gar nicht glücklich. Viele stöhnen in der Hitze, sie verbinden mit lauen Abenden hauptsächlich die lästigen Gelsen und mit den warmen Sonnenstrahlen das verhasste Einschmieren und warten im Grunde sehnsüchtig darauf, dass es endlich wieder kühler wird.
Und wenn man dann noch ein bisschen genauer überlegt, kommt man schnell zu dem Schluss, dass das mit den meisten Dingen so sein wird. Was den einen glücklich macht, macht den anderen unglücklich. Meinen Sohn etwa – einen der größten Rapid-Fans überhaupt – macht ein grün-weißer Sieg so richtig glücklich. Einen seiner besten Freunde – ein Austria Wien-Fan – ist davon natürlich nicht begeistert. Mein Mann liebt es alte Autos zu reparieren – und tut das auch sehr erfolgreich. Einem unserer Bekannten bringt diese Beschäftigung nicht zum Strahlen – er setzt sich lieber in die Natur und malt. Glück so wird einem also bei genauerem Überlegen rasch klar, ist eine ziemlich subjektive Sache. Und Glück lässt sich wohl nicht auf eine Formel bringen. Oder doch? Aufgeben will ich meine Suche nach dem Glück in jedem Fall noch nicht.
Was ist Glück frage ich deshalb Psychotherapeutin und Coach Brigitte Ettl. „Glück, ein Glücksmoment, das ist ein Moment in dem alles passt, in dem ich mich rundum wohlfühle, nichts darüber hinaus herbeisehne. Glück – das hat für mich immer den Nimbus der Vollkommenheit“, sagt Brigitte Ettl: „Glück hat aber auch eine größere schicksalshafte Komponente – da ist immer auch ein Teil Zufall, eine Portion Geschenk dabei, eine Dimension, die ich nicht beeinflussen kann.“ Glücksgefühle seien außerdem meist eher kurzlebig, flüchtig.
Grundsätzlich sei es aber wohl ohnehin so, dass die meisten Menschen die namentlich nach „dem Glück“ suchen, gar nicht das Glück meinen, sondern eigentlich Zufriedenheit“, wirft Brigitte Ettl ein. Sie suchen das Gefühl mit sich und der Welt im Einklang zu sein und ein zufriedener Mensch, der ist das. „Im Wort ,Zufriedenheit‘ steckt ja schon das große Wort ,Friede‘“, sagt Brigitte Ettl. Zufriedenheit, das bezeichnet einen Zustand der inneren und äußeren Stabilität. Ziele und Ressourcen stehen in einem harmonischen Verhältnis zueinander: ich habe die nötigen Fähigkeiten für meine Herausforderungen, ich habe ausreichend Zeit und ich habe die passenden Begleiterinnen und Begleiter. Zufriedenheit bleibt am Boden der Realität - hat dafür aber auch eine größere Nachhaltigkeit.“ So lässt es sich doch wunderbar durchs Leben gehen.
Und zur Zufriedenheit, so Brigitte Ettl, kann ich selber auch viel beitragen, kann es bis zu einem gewissen Grad lernen, zufriedener zu sein: Vor allem brauche es da zunächst einmal eine gute Kenntnis der eigenen Persönlichkeit. „Ich muss herausfinden, was mir wirklich wichtig ist. Was ich gut kann. Was mir gut tut. Was mir Freude macht. Es lohnt sich, immer wieder Antworten auf diese Fragen zu suchen“, ist Brigitte Ettl überzeugt.
Zufriedenheit brauche aber auch ein „Du“, also andere Menschen rund um mich herum. „Der große Philosoph Martin Buber hat formuliert: ,Der Mensch wird am Du zu Ich.‘“ Das bedeutet: Wir brauchen Menschen, die sich mit uns freuen, die mit uns lachen, die mit uns feiern. Freude - und damit auch Zufriedenheit - vermehrt sich durch Teilung. Wir brauchen Vorbilder – Menschen, die engagiert, zuversichtlich und trotzdem - meist - mit heiterer Gelassenheit durch’s Leben gehen. Wir brauchen Menschen, die uns einen Spiegel vorhalten, die uns helfen zu Erkenntnis und Entwicklung zu kommen, die uns unterstützen.
Und schließlich gehe es beim Thema Zufriedenheit tatsächlich auch um eine gesunde Portion Eigenlob, besonders für das Erreichen kleiner Ziele: das Vereinbaren eines lästigen Arzttermins, das Abarbeiten der Bügelwäsche, die Reklamation einer überhöhten Handwerkerrechnung. „Auch diese Schritte gehören gewürdigt und da dies oft niemand anderer sehen kann, müssen wir uns hier selber auf die Schulter klopfen.“
Was ich zur Zufriedenheit noch beitragen kann? „Ich kann mir realistische Ziele stecken, durch meine Einstellung, meinen Blick auf mein Leben bestimmen und gut mit meinen Ressourcen haushalten“, sagt Brigitte Ettl: „Im Grund geht es dabei auch - wie uns schon Ignatius von Loyola lehren wollte - um das Verkosten des Augenblicks, um das Wahrnehmen der kleinen, überraschenden Geschenke des Alltags: die ansteckende Fröhlichkeit der Verkäuferin in der Bäckerei, das warme Wasser, das gar nicht so selbstverständlich jeden Morgen aus der Dusche fließt, die Hilfsbereitschaft des Nachbarn, der ein Paket für uns entgegengenommen hat. Zufriedenheit, die kommt oft recht leise und unspektakulär in unsere Seele, sodass wir sie in den getakteten Abläufen des Alltags mitunter gar nicht wahrnehmen. Es braucht immer wieder ein Innehalten, ein Nachspüren um diese wohlige, aber unaufdringliche Emotion zu verkosten und zu genießen. Und immer wieder blitzen dabei dann wohl auch mitten in der Zufriedenheit diese kostbaren, flüchtigen nicht selbstverständlichen Glücksmomente auf.
Mit diesen Gedanken im Kopf, werde ich meine Suche nach dem Glück fortsetzen und sie um den Aspekt der Zufriedenheit erweitern. Ich werde Menschen nach ihrer Meinung zum Thema Glück und Zufriedenheit befragen und ich werde selbst versuchen, möglichst viel zu finden, was – mich und andere – glücklich und zufrieden machen kann. Zuhause erzähle ich meinem Mann und meinem Sohn von der geplanten Sommerserie. Mein Sohn grinst: „Das klingt gut, ich suche mit dir“, sagt er. Und ich habe schon meinen nächsten nicht selbstverständlichen Moment der Zufriedenheit, des Glücks. Wir machen uns also gemeinsam auf die Suche. Wie es uns dabei geht und was wir finden, davon werden wir im SONNTAG berichten.