„Der Kontakt zu Pflanzen, das Erleben des Jahreskreislaufes und die Gaben der Natur zu schätzen, hat sehr positive Wirkungen auf Menschen jeden Alters.“
„Der Kontakt zu Pflanzen, das Erleben des Jahreskreislaufes und die Gaben der Natur zu schätzen, hat sehr positive Wirkungen auf Menschen jeden Alters.“
Wer dort wohnt, wo es viele Parks, viel Wald und viele Grünflächen gibt, ist zufriedener und glücklicher als Bewohner weniger grüner Gegenden. Das haben Forscher in Großbritannien vor einigen Jahren herausgefunden. Mich wundert das überhaupt nicht.
Ich gehöre definitiv zu den Menschen, die Natur glücklich und zufrieden macht. Aber warum ist das überhaupt so? Warum sind wir so zufrieden, wenn wir in der Natur und mit der Natur leben und nicht gegen sie? Und warum tun wir es dann nicht mit mehr Konsequenz?
Ein Gespräch mit Kräuterpädagogin Ines Scheiblhofer über die Frage: Warum uns Natur gut tut und warum uns allen mehr Bezug zu Wiesen und Gärten gut täte?
Einer unserer Lieblingsaufenthaltsorte im Sommer ist unser Garten. Kaum irgendwo sonst kann ich so herrlich die Seele baumeln lassen und kaum irgendwo sonst spielt Tobias so gerne Federball, Volleyball oder Fußball oder schaukelt stundenlang in der Reifenschaukel, die mein Mann aus einem alten Traktorreifen für ihn gebaut hat, als unser Bub knapp zwei Jahre alt gewesen ist.
Unser Garten ist ein wunderschönes Fleckchen Natur mit uralten Bäumen, die hier wohl stehen, seit das Haus gebaut wurde, dazu viele Büsche und Sträucher mit bunten Blüten vom Frühling bis in den Herbst. Und mit wunderschönen Grasflächen, auf denen – je nach Jahreszeit – Schneeglöckchen, Primeln, Maiglöckchen, Gänseblümchen, Löwenzahn, Klee, Glockenblumen, Akeleien und meine über alles geliebten Margeriten wachsen.
Mein Vater pflegt den Garten mit viel Liebe und Einsatz, aber auch mit viel Wissen um den Lebensraum Garten und die Nützlichkeit, die die Pflanzenvielfalt mit sich bringt. Entsprechend sorgfältig und blumenschonend wird bei uns gemäht und entsprechend sorgfältig werden auch alle Neupflanzungen abgewogen.
Die Fauna bei uns im Garten dankt es ihm: Bienen und Hummeln schwirren hier durch die Luft, außerdem Schmetterlinge und Fliegen aller Art. Man findet Raupen und Käfer in allen Größen, dazu Regenwürmer, Schnecken und Spinnen. Seit vielen Jahren nistet in einem der großen Nadelbäume ein Specht. Auch Amseln, Kohlmeisen, Spatzen und Schwalben fühlen sich bei uns offensichtlich wohl. Und immer wieder zeigt sich – zur großen Freude von Tobias – auch ein Feuersalamander.
Unser Garten ist Lebensraum im wahrsten Sinn. Im Garten habe ich im Laufe meines Lebens die Natur kennengelernt und im Garten bin ich mir auch bewusst geworden, dass ich hier Mitverantwortung trage. Dass also auch ich etwas dazu beitragen sollte, wenn ich möchte, dass der Lebensraum Garten für alle „funktioniert“. Und ich habe hautnah erfahren, dass es nicht egal ist, wie man mit der Natur umgeht.
Schöpfungsverantwortung im Kleinen, wenn Sie so wollen. Schöpfungsverantwortung, die mir manchmal einiges abverlangt, aber mich im Grunde einfach wirklich glücklich und zufrieden macht.
Und gerade, wenn ich mir das so überlege, dann ist sie da wieder: die Frage, warum das eigentlich so ist?
Warum es uns glücklich und zufrieden macht, mit der Natur zu leben und nicht gegen sie zu arbeiten?
Ich stelle diese Frage Ines Scheiblhofer, ihres Zeichens Kräuterführerin, Kräuterpädagogin und Heilkräutercoach, die seit vielen Jahren Kräuterwissen an Interessierte weitergibt.
Kräuter sind ihre Leidenschaft – das hört man aus jedem ihrer Sätze. Die Liebe zu Kräutern hat sie von ihren Großeltern mitbekommen, erzählt sie mir: „Meine Großeltern hatten einen Bergbauernhof in Kärnten. Daher war ich schon als kleines Mädchen viel im Wald und auf den Wiesen unterwegs, wo sich meine Liebe zu den Pflanzen und ihrer Verwendungsweise entwickelte.
Als dann meine Kinder geboren wurden, beschäftigte ich mich viel mit alten Hausmitteln und fand so zurück zu den Kräutern.“ Nach und nach hat sie begonnen, verschiedene Ausbildungen zu absolvieren – sie wurde Kräuterführerin, Kräuterheilcoach und schließlich auch Kräuterpädagogin.
„Parallel dazu habe ich begonnen, auf einem Biobauernhof mit Kräutern zu arbeiten und Kräuterkurse und -wanderungen für Kinder und Erwachsene anzubieten.“
Und was macht eine Kräuterpädagogin eigentlich genau – will ich wissen?
„KräuterpädagogInnen geben Wissen über Wild- und Kulturkräuter an verschiedenste Zielgruppen weiter, vom Kindergarten- bis zum Seniorenalter“, erklärt mir Ines Scheiblhofer. Sowohl die kulinarische Verwendung, das Wissen um althergebrachte Volksmedizin, wie auch die Vermittlung eines sensiblen Umgangs mit den Schätzen der Natur seien dabei wichtige Aspekte. Auch in ihrer Ausbildung zur Sozialpädagogin widmete sie im vergangenen Jahr ihre Diplomarbeit „Verbunden mit der Erde“ diesem Thema.
„Der Kontakt zu Pflanzen, das Erleben des Jahreskreislaufes und die Gaben der Natur zu schätzen, hat sehr positive Wirkungen auf Menschen jeden Alters.“
Ein ganz besonderes Anliegen ist es ihr dabei, dieses Kräuterwissen an Kinder weiter zu geben, sagt Ines Scheiblhofer: „Während der Zeit, in der ich immer tiefer in die Welt der Kräuter eingetaucht bin, wurde mir bewusst, dass viele junge Menschen kaum noch – oder gar keinen – Bezug mehr zu den Wildkräutern auf Wiesen und in Gärten haben.
Da ich die Einstellung habe, dass man nur das schützt, was man kennen und lieben gelernt hat, entwickelte sich daraus der Wunsch, die Begeisterung der Kinder an der Vielfältigkeit der Pflanzenwelt zu wecken.“ Je vielschichtiger man jungen Menschen die Pflanzenwelt vermittelt, desto nachhaltiger wirkt es auf sie, sagt Ines Scheiblhofer überzeugt: „Und dieses Wissen ist in weiterer Folge auch ein Wissen, dass sich ihnen auf Lebzeiten einprägt. Ich hoffe auch, dass es ihre Einstellung zum Umweltschutz positiv beeinflusst.“
Aber wo kann man denn jetzt eigentlich Kräuter sammeln – erst recht, wenn man wie ich – mitten in der Stadt wohnt? „Grundsätzlich ist es wichtig, abseits von Straßen, landwirtschaftlichen Flächen, Naturschutzgebieten und stark frequentierten Hunde-Spazierwegen zu sammeln“, sagt Ines Scheiblhofer: „Wien beispielsweise ist eine sehr grüne Stadt, in der es ein vielfältiges Angebot an Wildkräutern und Wildobst gibt.“
Die Steinhofgründe oder der Lainzer Tiergarten seien dabei sogar hundefreie Gebiete. „Aber auch auf abgeschiedeneren Plätzen der Donauinsel oder Donaustadt sammle ich immer wieder.“ Wichtig sei es in jedem Fall, so rücksichtsvoll zu ernten, dass stets genug stehen gelassen wird, damit sich die jeweilige Pflanze wieder weiter vermehren kann.
Und worauf muss ich aufpassen – schließlich gibt es ja auch giftige Pflanzen? Als Wildkräuter-Neuling sei darauf zu achten, sich vorerst nicht zu überfordern und nicht bereits im ersten Jahr jedes einzelne Wildkraut erkennen zu wollen. „Man kann anfangs einige, wenige, eindeutig erkennbare Pflanzen auswählen und diese sowohl kulinarisch, als auch mit althergebrachten Geschichten und volksmedizinischen Rezepten näher kennen lernen.
Anbieten würden sich da zum Beispiel: Lindenblüten, Brennnessel, Vogelmiere oder Gundelrebe“, sagt Ines Scheiblhofer.
Speziell die weißen Doldenblütler – zu ihnen gehören etwa der gefleckte Schierling – sind ein Betätigungsfeld für fortgeschrittenere Kräutersammler, da sie eine große Familie darstellen und sich auch einige giftige Vertreter darunter befinden.
Die Wildkräuter-Sammelzeit zieht sich über das ganze Jahr vom zeitigen Frühjahr bis in den Spätherbst. Im Spätherbst sind dann die Wurzeln, Wildobst und -beeren, wie Schlehen, Hagebutten und Sanddorn zu sammeln, die sich durchaus auch in den Hecken von Wiens grünen Inseln befinden.
Sinnvoll ist es bestimmt immer, sich an Experten zu wenden und von ihnen zu lernen. Ines Scheiblhofer etwa gibt Kurse und Workshops, die fundiert in die Welt der Kräuter einführen – auch schon für Kindergarten- und Schulkinder.
Nähere Informationen
zu den Kursen, Workshops und Vorträgen von Ines Scheiblhofer unter www.kraeuterwerk.at.
Ines Scheiblhofer hat zum Thema Kräuterwissen auch ein Buch geschrieben –
Verlag Servus.
ISBN: 978-3710401978
Teil 1: Warum ist es für uns Menschen so wichtig, glücklich zu sein und wie kann man das Glück finden?
Teil 2: Jeder Tag ein Abenteuer
Teil 3: Gesegnete Mahlzeit
Teil 4: Immer in Bewegung bleiben
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at