Besonders beim Brotbacken, aber eigentlich bei allem, das wir mit den Händen machen, schaffen wir eine Verbindung zu unserer Seele. So gesehen sind wir alle „Handwerker“.
Besonders beim Brotbacken, aber eigentlich bei allem, das wir mit den Händen machen, schaffen wir eine Verbindung zu unserer Seele. So gesehen sind wir alle „Handwerker“.
Wie schon in den vergangenen beiden Wochen nehmen wir die Faschingszeit zum Anlass, uns dem Genuss und unseren Sinnen zu widmen. Heute: mit unseren Händen. Wie ich mich dabei – im wahrsten Sinne des Wortes – an den Glauben herantaste und ihm auch weiterhin genussvoll folge.
Hand aufs Herz – wer erinnert sich nicht an das aufregende Gefühl, als Kind mit bloßen Händen hingebungsvoll in der Erde gebuddelt zu haben? Oder zumindest in der Sandkiste? Ich mache das heute, drei Jahrzehnte später, leider viel zu selten. Am ehesten verspüre ich diesen Reiz, wenn ich einen Brotteig kräftig durchknete. Das erinnert mich an einen Zustand der Unbekümmertheit. Es fühlt sich lebendig an.
In den letzten Wochen habe ich festgestellt, dass unsere Sinne Tore zu unserer Seele und unseren Herzen sein können. Ich glaube, das trifft auch auf unsere Hände zu. Wie also kann ich Genuss über meine Hände spüren? Wie Freude durch das Tasten erleben?
Karin Koller, Leiterin der Klinischen Seelsorge bei den Barmherzigen Schwestern, beantwortet mir diese Frage folgendermaßen: „Ich bin eine Handwerkerin. Wenn ich einen schönen Stoff berühre oder ein Wollknäuel in die Hand nehme und die Weichheit spüre, dann ist das für mich Genuss. Oder das Eintauchen in ein warmes Wasser im Winter und in ein kühles Nass im Sommer. Wenn ich über ein Stück Holz streiche und es fühlt sich an wie Samt – oder wenn ich einen Kammzug zum Spinnen das erste Mal in den Händen halte, das löst bei mir eine große Freude aus. Oder wenn ich meine Hand in die Hand des Partners lege und seine Wärme spüre.“
Für mich ist es die Erde, für jemand anders unbehandeltes Holz, eine Orange, ein Reißnagel. Oft fehlt nur die Aufmerksamkeit, die ich auf das lenke, was mir unter die Finger kommt. Und zwar nicht erst, wenn ich mich beim Zwiebelschneiden am Finger verletze.
Harald Fiedler von Dialog im Dunkeln empfiehlt mir, einen Tag lang sämtliche
Handgriffe mit Handschuhen zu verrichten. Oder eine Tätigkeit blind auszuprobieren. Wenn ich meinen Handgriffen Aufmerksamkeit schenke, kann ich mehr von mir selbst weitergeben. Ich kann schöpferisch sein. Ob ich male, schreibe, töpfere, musiziere, koche, hämmere – alles zielt darauf ab, zu gestalten.
Die schönsten Geschenke sind doch meist jene, die mit der Hand gemacht wurden. Vielleicht genau weil in jedem der Handgriffe ein Stück von mir selbst, ein Stück Liebe mit hinein fließt?
Dabei kann schon ein winziger Handgriff schöpferisch sein. Zum Stift greifen und einen schönen Gedanken aufschreiben. Die Erdäpfel fürs gemeinsame Abendessen schälen. „Wenn ich mit meinen Händen einen anderen Menschen berühre und dies für beide Seiten eine angenehme und wohlige Handlung ist, dann ist das für mich eine schöpferische Handlung”, meint Koller. „Gestern habe ich ein sechs Wochen altes Baby gehalten und meine Hand lag auf seinem kleinen Hinterkopf, stützend aber auch beschützend.” Ich kann auch einfach meine Hände falten und beten. „Denken wir an den Friedensgruß im Gottesdienst, wo ich mit meinem Händedruck den Frieden ausspreche und weitergebe.”
Es sind oft kleine Dinge in ihrem Alltag, die Karin Koller am stärksten bewegen. „Eine spontane Umarmung der Mutter, des Vaters. Ein Händedruck des Partners als Zeichen der Verbundenheit. Eine Patientin, die mir die Hand reicht und dann nicht mehr loslässt. Ein sterbender Patient, der zu lächeln beginnt, wenn ich seine Hand streichle.“
Schöpferisch bin ich, sind meine Hände also nicht nur als Einzelgänger. „Die Hände sind ja DAS Kommunikationswerkzeug in der Berührung mit mir selbst und mit anderen”, so die Leiterin der Seelsorge. Geben und Nehmen. Dazu brauchen sie zumindest eine andere Hand.
Wie für viele Handlungen, die Berührung bewirken – nicht nur physisch, sondern auf tieferer Ebene. Über die Finger, die ganze Hand, meine Sinne, und nicht zuletzt im Herzen. Wenn das, was meine Hand zu tun findet, wirklich von dort kommt – von meinem Herzen.
So, wie wenn mich jemand an der Hand nimmt und führt. Das zuzulassen ist wohl einer der größten Vertrauensbeweise. „Wenn ein Kind die Hand in meine legt“, sinniert Koller, „löst das bei mir Beschützerinstinkt und Dankbarkeit für das entgegengebrachte Vertrauen aus.“ Liebe, die berührt – im doppelten Sinne.
Nicht umsonst hat mich der schlichte Text in einem italienischen Kirchenlied, das ich erst bei der Taufe meiner Tochter wieder gesungen habe, immer schon angerührt. Er erinnert mich daran, dass wir in Gottes Hand gut aufgehoben sind, dass er uns an seiner Hand führt. „O signore, con la mano nella tua camminerò – An deiner Hand, o Herr, werde ich meinen Weg gehen.“
zum Thema:
Wie wichtig ist es, beim Gespräch auch auf unsere Hände zu achten?
Oft ,passieren‘ sie uns eher, als dass wir sie wie beim Friedensgruß bewusst ausführen: unsere Gesten. Unsere Nachbarn in Italien haben daraus eine Meisterschaft gemacht. Als Tourist wird man da sofort erkannt – und eventuell auch missverstanden. Ich möchte vielleicht zeigen, wie köstlich das Essen war, und mein Gegenüber glaubt, ich habe immer noch Hunger! – Aber zum Glück gibt es noch andere, „internationalere“ Gesten, die kein richtig oder falsch kennen. Jemandem die Hand reichen, meine Hilfe anbieten, ein Geschenk geben, jemanden begrüßen, segnen, einladen und und und.
Andere zu berühren, ist aber nicht jedermanns Sache. Viele Menschen wollen das nicht. Wie gehen Sie damit um?
Ja, es ist wichtig, achtsam mit „Berührung“ umzugehen. Damit das sensibel und liebevoll von der Hand geht, versuche ich stets mit großer Achtsamkeit zu spüren, „ob die Berührung für mich und für den anderen stimmig ist.
Bei Patienten frage ich immer, ob ich sie berühren darf. Bei denen, die sich nicht äußern können, beginne ich sanft mit den Händen und beobachte Mimik und Reaktionen des Körpers.“ Berühren und sich berühren lassen: für beides braucht es Offenheit, Vertrauen und Liebe.
Karin Koller
Leiterin der Klinischen Seelsorge bei den Barmherzigen Schwestern
zur Autorin
Victoria Morawetz ist Schauspielerin, Musikerin und freischaffende Künstlerin sowie Journalistin in Österreich und Italien. Sie stammt aus Wien und lebt derzeit mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Rom.
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