Pilgerseelsorger Stadler: Corona-Zeit verstärkte Trend. Derzeit 28.000 Kilometer Pilgerwege werden immer weiter ausgebaut. Jubiläumspilgern am "Wolfgangsweg" zum EU-Kulturhauptstadtjahr. Kirche arbeitet an mehreren Zukunftsprojekten für Pilger.
Nicht nur am spanischen Jakobsweg, sondern auch in Österreich ist die Beliebtheit des Pilgerns seit Jahren ungebrochen: Das hat Roland Stadler, Vorsitzender des Arbeitskreises Tourismus- und Freizeitpastoral der katholischen Kirche in Österreich, am Dienstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress anlässlich der gerade anlaufenden Pilgersaison dargelegt. "Schon jetzt queren 28.000 Kilometer Pilgerwege Österreich, 4.000 mehr als vor fünf Jahren, und die Errichtung neuer Routen und der Ausbau der bestehenden geht weiter zügig voran. Sowohl 2024 wie auch 2025 bringen etliche Schwerpunkte und neue Initiativen", so der Theologe und Leiter des Referats für Tourismusseelsorge in der Diözese Gurk-Klagenfurt.
Große Pilgerevents auf neuentdeckten alten Wegen gibt es heuer rund um die Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl/Salzkammergut: Anlässlich des 1.100. Geburtstag des Heiligen Wolfgang findet am 13. Juli ein "Sternpilgertag" von sieben unterschiedlichen Startpunkten aus nach St. Wolfgang am Wolfgangsee statt, veranstaltet von den Diözesen Linz und Salzburg und begleitet von einer eigenen Pilger-App. Mit dem von Pfarren initiierten "Wasserpilgern" vom Traunfall in Roitham durch Bad Ischl bis zu den Traun-Quellen in Bad Aussee verbindet ein weiteres Projekt der Region das Pilgern mit dem Kulturaspekt und soll ebenfalls "zeitgemäßes spirituelles Unterwegssein und Erfahrung von Kirche" ermöglichen, wie Stadler erklärte.
Infos: www.wolfgangweg.eu, www.dioezese-linz.at/wasserpilgern
Neues finden Pilgerfreunde auch in anderen Bundesländern. So richtet etwa in Vorarlberg die diözesane Reihe "Sommerkirche" diesmal den Fokus ihrer gut zwei Dutzend Veranstaltungen auf das Pilgern und bewirbt bestehende Routen im Ländle; darunter der Dornbirner "Bibelweg", der "Weg der Menschlichkeit", der Feldkircher "Vaterunser-Weg", der Frastanzer "Friedensweg" oder der "Weg der Stille" in St. Gerold. In Kärnten und der Steiermark wird u.a. der "Benediktweg" über die Klöster Admont, Seckau und Sankt Paul im Lavanttal beworben, in Osttirol der über zahlreiche Höhen führende Bergpilgerweg "hoch und heilig", im Mühlviertel der "Johannesweg" und im Mostviertel ab Herbst die "Via Trinitatis", um nur die jüngsten der insgesamt 48 Pilgerwege quer durchs Land zu nennen. Auch etliche Fahrrad-Pilgerrouten entstünden derzeit, berichtete der Pilgerseelsorger.
Infos: www.sommerkirche.at, www.benedikt-bewegt.at, www.hochundheilig.at, www.johannesweg.at
Immer dichter wird das Netz an heimischen Pilgerrouten unter anderem deshalb, "da bestehende Wanderwege zu Pilgerwegen ausgebaut werden", erklärte Stadler. Dahinter stehe eine steigende Nachfrage für die Verbindung des Wandersports mit spirituellen Elementen, wobei die Corona-Pandemie den Trend nur beschleunigt habe. "Viele Menschen suchen Selbstreflexion und Orientierung im Leben, wozu dann ein Weg mit einer spirituellen Bedeutung aufgeladen wird." Häufig werden dabei Kapellen, Kirchen und Klöster als Referenzpunkte am Weg angesteuert oder die klassischen Wallfahrtsorte als Ziele neu entdeckt, ebenso wie aber auch das bewusste Erleben der Natur oder der Einheit von Körper, Seele und Geist beim Gehen zentral sein kann - die Motive für das Pilgern sind also sehr unterschiedlich.
Dabei gilt Pilgern als niederschwelliges Angebot, das auch Menschen anspricht, die nicht kirchlich sozialisiert sind, wie Stadler darlegte. "Vorteil ist, dass man dabei ohne institutionelle Rahmenbedingungen auskommt. Jeder ist für sich oder in Begleitung einiger weniger unterwegs, geht das eigene Tempo und gestaltet den Weg individuell so, wie es passt." Mehr Vorgaben hinsichtlich Strecke, Abläufe sowie Gemeinschaftsmomente mit Gebeten gibt es hingegen bei der traditionellen Wallfahrt, die in größeren Gruppen geschieht, die von Pfarren oder kirchlichen Gemeinschaften organisiert werden. Bei den hier Beteiligten stünden oft religiöse Motive wie etwa Dank oder Bitte im Vordergrund, sagte der Experte.
Als Motor des Pilger-Booms nannte Stadler vor allem die Tourismusregionen, die sich um neue Wege bemühten und maßgeschneiderte Gesamtpakete mit Informationen, Wegmarken, Quartieren und Gastronomie anböten. Auch die Kirche beteilige sich, wobei es allerdings noch viel "Luft nach oben" gebe, wie der Theologe einräumte. Vielfach fehlten den Diözesen Ressourcen dafür, zudem gebe es bis dato keine Nachfolge für das zu Jahresbeginn geschlossene "Quo Vadis" am Wiener Stephansplatz als zentrale österreichweite Pilger-Anlaufstelle, an der man Informationen und auf Wunsch auch spirituelle Begleitung fände, bedauerte der Experte. Ausgebildete Pilgerbegleiterinnen und Pilgerbegleiter gibt es freilich in ganz Österreich; Stadler bezifferte ihre Zahl auf etwa 250, wobei die meisten von ihnen ehrenamtlich tätig sind und teils eigene Veranstaltungen anbieten.
Zumindest virtuell soll die Pilgerseelsorge in Österreich jedoch schon bald eine Adresse und verstärkte Vernetzung bekommen: Die Tourismus- und Freizeitpastoral arbeitet derzeit an einer österreichweiten Plattform, auf der Pilgerinteressierte in naher Zukunft aktualisierte Informationen zu allen Pilgerrouten finden werden. Auch Social-Media-Einbindung sei geplant, "um die seelsorglichen und touristischen Angebote noch besser miteinander zu verschränken", versprach der Pilger-Experte.
Bereits jetzt wirft zudem auch das von Papst Franziskus ausgerufene weltkirchliche "Heilige Jahr 2025" seine Schatten voraus, das unter dem Motto "Pilger der Hoffnung" steht. Eine Initiative setzt sich für eine Wiederbelebung der einst vom Baltikum bzw. Krakau bis nach Rom führende alte Pilgerstraße "Via Romea Strata" als europäische Kulturroute ein. Geplant ist eine Reihe von Veranstaltungen und Angeboten entlang der österreichischen Streckenabschnitte zwischen dem Grenzübergang Drasenhofen im Norden und Arnoldstein als Übergang zum italienischen Monte Lussari im Süden. "Auch Individualpilger sollen dann die gesamte Strecke durchgehen können und unterwegs eine 'Begegnungskirche' finden, die Menschen auf neue Weise in Kontakt bringt mit den spirituellen Schätzen des Glaubens", so Stadlers Hoffnung.