"Der Tourist fordert, der Pilger ist dankbar". so der ehemalige Entwicklungshelfer Peter Lindenthal. Er wird heute von seinem zweiten "Pilgerhund" Arvo begleitet – einem Sennenhund, der mütterlicherseits von einem Schlittenhund abstammt.
"Der Tourist fordert, der Pilger ist dankbar". so der ehemalige Entwicklungshelfer Peter Lindenthal. Er wird heute von seinem zweiten "Pilgerhund" Arvo begleitet – einem Sennenhund, der mütterlicherseits von einem Schlittenhund abstammt.
Am "Tag des Weges" nach dem Kalender der Maya-Indianer in Guatemala wurde der Tiroler Peter Lindenthal 1950 geboren. Die Wege nach Santiago wurden für den ehemaligen Entwicklungshelfer zur Leidenschaft.
Vor zwei Jahrzehnten war das Pilgern am Jakobsweg nach Santiago de Compostela etwas für Insider. Kaum Wegbeschreibungen, wenig Literatur gab es über den „Camino“, der zum Grab des Apostels Jakobus ins spanische Galizien führt.
Heute pilgern jährlich Hunderttausende auf dem Weg von Südfrankreich, oder in Teilen nach Santiago. Der Tiroler Peter Lindenthal stößt erstmals Anfang der 1990er Jahre auf den historischen Weg. In einem kleinen Dorf in Südfrankreich verbringt er seit Jahren seinen Urlaub, bei einer Autofahrt über den Roncesvallespass, entdeckt er einen Meilenstein, auf dem steht "Santiago 786 Kilometer", erinnert sich Lindenthal. "Das war’s", beschreibt es Pilger Lindenthal heute.
Dabei beschritt der Tiroler auf seinem Lebensweg bis dahin ganz andere Wege. Aus seiner Zeit, als er den Kindergarten besuchte, erinnert er sich an einen Besuch eines Priesters, der über seine Arbeit im afrikanischen Kongo berichtete, "das war in den 1950er Jahren und hat mich sehr fasziniert". Später arbeitete er in einem Innsbrucker Jugendzentrum mit, geleitet von einem Jesuitenpater. "Er machte mich auf die soziale Problematik in Afrika neugierig", schildert der heute 64-Jährige. Lindenthal wollte in der Folge für Entwicklungszusammenarbeit ins damalige Rhodesien, heute Simbabwe, gehen.
Doch als ein Priester jemanden für ein Jahr als Unterstützung in Guatemala sucht, klappte es für ihn. Dieses Jahr wurde zur wichtigen Weichenstellung, es hat seine folgende Studienwahl beeinflusst. Die Erfahrung der Armut, des Elends, der Ausbeutung, bewog ihn Volkswirtschaft zu studieren. "Ich wollte für ein gerechteres Wirtschaftssystem eintreten", erklärt Lindenthal seinen Entschluss. Konsequenz war, dass er nach dem Studium für eine österreichische Entwicklungsorganisation nach Mexiko-City ging. Wieder zurück folgte eine Ausbildung für Entwicklungsplanung in ländlichen Gebieten in Südfrankreich, ehe es für Lindenthal auf die Karibikinsel St. Lucia ging. Seine Erfahrungen führten zu einem Abstand im Einsatz für die Entwicklungszusammenarbeit. "Die makroökonomischen Bedingungen haben sich bis heute nicht geändert, die Hilfe wird immer weniger", zeigt sich Peter Lindenthal enttäuscht.
Die Begeisterung fürs Zu-Fuß -Gehen begleitet den Tiroler seit jeher und das sollte ihm bei seiner Rückkehr nach Österreich auch zur "neuen Berufung" werden. Lindenthal beschäftigte sich in den 1980er Jahren mit den Europäischen Weitwanderwegen, wollte vom Neusiedlersee zu den Pyräneen wandern, doch ein Sabbatjahr in Südfrankreich, das er seit seiner Studienzeit kennt, führte ihn auf den Jakobsweg. Im Februar 1995 war es so weit, Lindenthal brach gemeinsam mit seinem Hund Ajiz, dessen Name auf guatemaltekisch "Zauberer" heißt, auf. Der Karelische Bärenhund, eine finnische Rasse, trug dabei Satteltaschen mit einem Gewicht von drei Kilo. "In Frankreich wurde gerade begonnen, den Weg zu beschildern", erinnert er sich, sparsame Infrastruktur, kaum Pilgerherbergen gehörten zu Wegerfahrungen Lindenthals, der erst nach vier Wochen in Spanien auf weitere Pilger treffen sollte.
Eine Erfahrung von Gastfreundschaft prägt Lindenthals Erinnerungen auch noch zwanzig Jahre danach. Als er einmal an einem Abend in einem französischen Dorf ankam, sollte er in einer aufgelassenen Schule übernachten, er bat bei einer jungen Familie gegenüber um eine Schüssel, damit er seinem Hund Wasser geben konnte. "Von den beiden bin ich dann zum Abendessen eingeladen worden und durfte auch bei ihnen übernachten", erinnert sich Lindenthal. Die Familie kannte den Jakobsweg nicht, die Gastgeberin bat den österreichischen Pilger, in Santiago für sie zu beten. Peter Lindenthal haben diese Erfahrungen auf seiner Premiere am Jakobsweg bis heute geprägt, und sie waren Startmotivation für die weitere Beschäftigung mit dem Weg nach Santiago und anderen Teilen des Jakobswegs in Europa. Bis heute hat er zehn Publikationen verfasst, darunter auch Erfahrungen von "meiner Trauerpilgerreise nach dem Tod des Hundes Ajiz", verweist Lindenthal auf persönliche Anmerkungen auf diesem Pilgerweg vom Ärmelkanal bis zu den Pyräneen. Nun wird er auf seinen Wegen von Hund Arvo begleitet.
Etliche Tipps hat Lindenthal für Pilger parat, die sich nach Santiago de Compostela aufmachen möchten:
Am Anfang sind Etappenlängen von 20 Kilometern empfehlenswert, nach dem Eingehen kann man auf 30 steigern, der Vormittagsweg sollte länger sein als am Nachmittag, "weil man müde wird", weiß Lindenthal.
"Fast jeder hat am Anfang zu viel Gewicht im Rucksack", das werde für viele zur Lernerfahrung, weiß der geschulte Pilger, "acht bis zehn Kilo Gewicht für Männer, maximal sechs Kilogramm Gepäck für Frauen", empfiehlt er, der einen Unterschied beim Pilgern besonders herausstreicht: "Der Tourist fordert, der Pilger ist dankbar". Damit wendet er sich gegen die, wie er es nennt, "postmoderne Sichtweise des Pilgerns", denn es sei nicht so, dass "wer am Jakobsweg unterwegs ist, auch zugleich ein Pilger sei".
Dem Jakobswegforscher ist es wichtig, dass sich "der Pilger von einem Weitwanderer unterscheidet", und das gelinge nur, "wenn man ein Ziel hat, denn den Weg ohne Ziel, den gibt es nicht", so Peter Lindenthal.
Informationen rund ums Pilgern bekommen Sie im Quo Vadis, am Stephansplatz 6, wo Broschüren und Informationsmaterial für Interessierte aufliegt.
Wer eine längere Pilgerreise plant, wendet sich am besten per E-Mail an pilgern@edw.or.at.